The Colonists möchte gerne ein Aufbaumix aus der Anno– und Die Siedler-Reihe sein und tatsächlich bringt der Entwickler Richard Wallis als Codebyfire einige Elemente aus Anno, wie die verschiedenen Bedürfnisse und Stufen der Inselbewohner, und aus Die Siedler, wie das Wegesystem aus dem Anfang der Serie, zusammen. Die alles entscheidende Frage lautet nun: Kann das gut gehen und erwartet uns gar das ultimative Aufbauspiel?
Kleine Bots auf großer Reise
##bild84268rechts##Die Roboter, die dem Menschen seit jeher als Hilfskraft dienen, haben ihre Arbeit als Diener satt und krallten sich deshalb das nächstbeste Raumschiff, um selbst ihr Glück in den Weiten des Universums zu suchen. Unglücklicherweise haben sie menschliche Bedürfnisse nach Nahrung und Unterkunft entwickelt und müssen nun eine Kolonie auf einem fremden Planeten gründen. So beginnt jede Karte des Spiels mit der Landung des Kolonieschiffs, aus der sichtlich erschöpfte Roboter rollen und mit der Kolonisierung beginnen. Das geparkte Schiff dient von da an als erste Ressourcenquelle, denn hier werden ab jetzt aus dem Nichts regelmäßig Energie und Holz produziert – eine kleine Hilfestellung um die ersten Gehversuche nicht gleich in einer Sackgasse enden zu lassen. Denn die beiden Güter werden dringend benötigt, um einerseits neue Gebäude zu errichten und andererseits diese aktiv zu betreiben. Fehlt Holz, wird die Arbeit an der Baustelle bis zur Nachlieferung pausiert. Fehlt Energie, so wird die Produktion im Gebäude selbst komplett eingestellt und erst wieder aufgenommen, wenn Nachschub angekommen ist. Und so liegt es am Spieler gleich zu Beginn eine effizientere Holz- und Energieversorgung aufzubauen, denn das Kolonieschiff produziert beides nur sehr langsam. Also werden die nächstgelegenen Bäume vom Holzfäller gefällt und ein Förster sorgt dafür, dass uns diese auch nicht ausgehen. Doch eine rote Zahl am unteren linken Bildschirmrand verrät: Mit diesem Energieverbrauch steht unsere neue Siedlung recht bald ohne Strom da! Also muss auch sofort das erste Wohnhaus gebaut werden, das in regelmäßigen Abständen Energiecontainer produziert und damit die Arbeitbots anderer Gebäude versorgt.
Doch das reicht nicht aus, denn es tauchen weitere rote Zahlen in der Ressourcenübersicht auf, schließlich arbeitet auch das Wohnhaus nicht mit Luft und Liebe: Wasser und Nahrung verlangen die Roboter, damit sie die kostbare Energie herstellen. Also muss auch hierfür eine entsprechende Produktion auf die Beine gestellt werden. Zum Glück bleibt diese recht simpel: Für das nötige Trinkwasser sorgt ein kleiner Brunnen und den Hunger bekommt eine Schafzucht mit integrierter Schlachterei gestillt. Doch die Tierchen brauchen artgerecht viel Platz, sodass direkt um das Gebäude herum Felder ausgewählt werden müssen, die künftig als Weideplatz blockiert sind. Anno-Spieler werden sich hierbei sofort an die regelmäßigen Tetrisspielchen erinnert fühlen, denn auch dort kam mit Produktionsgebäuden diverses Beiwerk wie Felder mit, das in der Nähe platziert werden musste. Der Transport der Ware läuft wie in Siedler über eine Kette von Trägern ab, die auf den Wegen stehen und die Ressourcen zwischen den Wegpunkten hin- und hertransportieren. Anders als in beiden genannten Spielen werden die einzelnen Ressourcen aber nicht in einen zentralen Kontor oder Markt geliefert, sondern verbleiben im Straßennetz oder auf dem Sammelplatz des Produktionsgebäudes bis sie irgendwo verwendet werden können. Das birgt einige neue Herausforderungen, die Aufbauspieler wahrscheinlich in dieser Form bisher noch nicht kannten.
##bild84266links##Zurück zu unserer Siedlung: Für Holz und Energie ist endlich gesorgt, womit der Weg in die Schwerindustrie geebnet ist! Denn um weitere Technologien erforschen und weitere Gebäude erbauen zu können, benötigen wir nicht nur eine Werkstatt, sondern auch Stein, der sowohl für den Aufbau des Forschungsgebäudes als auch für die Erkundung neuer Technologien gebraucht wird. Also wird ein Tagebau in der Nähe eines Steinhaufens platziert und mit genügend Energie auf Halde wird dort fröhlich Stein geklopft. Mit entsprechendem Fortschritt im Technologiebaum kann ein weiteres Gebäude des Bergbaus gebaut werden, nämlich der Bergbauschacht. Dieser wird auf eine Erzader platziert und kann dann, im Gegensatz zu seinem Übertage-Pendant, unendliche Einheiten dieses Rohstoffs abbauen – sofern auch hier ausreichend Energie vorliegt. Doch es gibt einen Haken: Bestimmte Mineralien können erst abgebaut werden, wenn das Gebäude ein höheres Level erreicht hat. Diese Levelups müssen natürlich zuerst erforscht werden und zwangsweise wird nach dem Upgrade auch höherwertige Energie verlangt. Anno-Spieler werden hier eine Parallele zu den Siedlerstufen ziehen können, die ein besseres Wohnhaus sowie neue Annehmlichkeiten benötigen. Das Wohnhaus mit der Stufe 2 kann beispielsweise erst mit der Produktion von Energie der Stufe 2 anfangen, wenn Wasser und Nahrung, aber auch frischer Apfelsaft zur Verfügung steht. Dafür werden wieder zwei neue Gebäude benötigt: Der Obstgarten und die Apfelpresse, die aus den Äpfeln dann das flüssige Gold herstellen. Ach ja, die Bäume müssen vorher auch irgendwo wachsen, sodass etwas Platz für Apfelbäume geschaffen werden muss. Natürlich darf später auch die Produktion von Brot nicht fehlen und für manche Forschung wird Papier und daraus hergestellte Bücher bitter nötig werden.
Expansion und das Problem mit dem Militär
Neben einem Endlosmodus, in dem fröhlich nach den eigenen Vorgaben gesiedelt werden darf, bietet der Titel auch eine Kampagne und verschiedene Herausforderungen, die sich auf die einzelnen Storymissionen beziehen. Die Level der Kampagne sind nach Komplexität gestaffelt und können erst gespielt werden, wenn das Vorherige abgeschlossen wurde. Dabei gilt es jeweils bestimmte Ziele auf der entsprechenden Karte zu erreichen. In der ersten Welt muss zum Beispiel ein kleines Monument aufgebaut werden, das die Produktivität der umgebenden Gebäude steigert. In acht der 13 Missionen geht es tatsächlich ziemlich repetitiv nur um die Erbauung eines oder mehrere Monumente, die auch noch ein bestimmtes Level haben müssen.Je nachdem in welcher Geschwindigkeit das Ziel erreicht wird, gibt es dann noch eine Auszeichnung in Bronze, Silber oder Gold. Allerdings geht es nicht immer friedlich zu: Die restlichen fünf Missionen beinhalten sogenannte Kampfmerkmale, was einfach nur bedeutet, dass uns hier ein Kontrahent entgegensteht und mit uns um den spärlichen Platz wetteifert. Hier gilt es vor dem eigentlichen Start zwischen den Schwierigkeitsgraden „Gelegenheitsspieler“, „Normal“ und „Schwer“ auszuwählen, was am Ende die Aggressivität des Gegners und die Geschwindigkeit der Bots bestimmt. Um aus diesen Missionen siegreich hervorzugehen, gilt es das feindliche Kolonieschiff zu besetzen. Für die Expansion werden nämlich ähnlich wie in Die Siedler Türme benötigt, die nach Erbau- und Besetzung das umliegende Gebiet in das eigene Reich einverleibt und damit den potentiellen Bauplatz erweitert. Zu einem gewissen Teil kann man dem Gegner so schon viel Platz wegnehmen, doch der eigentliche Kampf findet über die Türme selbst statt: Sobald ein Turm auf Level 2 verbessert und mit Pfeilen versorgt wurde, kann dieser fremde Türme beschießen. Ab Level 3 ist sogar Kanonenbeschuss möglich, was deutlich mehr Schaden anrichtet und eine höhere Reichweite gewährt. Sobald ein Turm alle Lebenspunkte verloren hat, wird der Gegenspieler der neue Eigentümer und kann das eroberte Militärgebäude reparieren oder zerstören lassen. Kommt dabei das feindliche Kolonieschiff in Reichweite bzw. fällt es in das eigene Gebiet, ist die Mission gewonnen.
##bild84265rechts##Und bei der Kampagne werden die Schwächen des Spiels offensichtlich: Da der Titel nur die Kampagne und ein paar Herausforderungen sowie den Sandbox-Modus bieten, die sich beide aber auch auf die Kampagnenmissionen stützen, sollte hier der meiste Spielspaß stecken – was aber nicht der Fall ist. Die Kartenziele sind mit „Erobere das feindliche Kolonieschiff“ oder „Errichte ein Monument mit Level X“ extrem repetitiv und etwas Neues bekommt man nur durch das Kartendesign geboten. Die Welten sind leider extrem schlauchig aufgebaut, sodass es am Startpunkt Stein und Holz gibt und die restlichen Ressourcen in der geforderten Reihenfolge nach und nach erkundet und erschlossen werden müssen. Spannend wird es nur, wenn wir uns auf einer Insel befinden und die wichtigen Ressourcen über Handelsschiffe zwischen den Häfen hin- und hertransportiert werden müssen. Ich hätte mir für den Sandbox-Modus dann eine Umsetzung wie in Anno gewünscht, bei der mehrere CPU-Gegner und der Spieler selbst anfangs eine Insel auswählen und sich dann Stück für Stück um die verbleibenden streiten. Leider ist aber auch das Militärsystem viel zu simpel gestaltet und kommt komplett ohne taktische Tiefe daher. Am Ende gilt: Wer am schnellsten in der Forschung vorankommt, steht mit dem besseren Turm da und kann den Gegner überrollen. Hier hätte man sich ruhig weiter von Die Siedler inspirieren lassen können, um zumindest ein Teil dieser Systeme zu adaptieren.
Doch es fehlt auch noch an dem ein oder anderen wichtigen UI-Element: Es passiert recht oft, dass es scheinbar keinen Mangel an Ressourcen gibt und trotzdem ist die Produktivität im Keller, da einzelne Straßen durch unwichtige Produktionsketten blockiert werden. Hier fehlt die Anzeige der blockierten Wege, die es zwar in der PC-Version gibt, aber nicht in die Switchfassung übernommen wurde. Ansonsten hat die Portierung auch einige Bugs, die es auf den anderen Plattformen wohl nicht gibt. So wurde das Hauptmenü einmal nicht richtig geladen und ich hing noch im aktuellen Spiel fest. Oder das Spiel stürzte unvermittelt ab, was dank des automatischen Speicherns zum Glück nicht so tragisch ausfiel. Auch überlappen sich hier und da HUD-Elemente und es clippen Objekte ineinander, was aber nur visuell problematisch ist. Etwas nerviger ist dann doch die Framerate, die zwar nie ins Unspielbare fällt, aber auch nie wirklich glänzen kann und die Trägheit bringt keinen wirklichen Spaß. Den aus Die Siedler und Anno bekannten Wuselfaktor vermisse ich leider auch schmerzlichst, da die kleinen Robos beim Herauszoomen komplett ausgeblendet werden. Am Ende ist das wohl besser für die Technik der Switch, aber auch die kleinen Karten stören während des Bauens sehr. Zuletzt noch ein Hinweis: Die Speicherung ist auf nur sechs Slots begrenzt und auch wenn euch Nintendo weismachen will, dass das Spiel nicht im Handheldmodus spielbar ist: Einfach bei der Controllerauswahl A drücken und schon startet das Spiel auch im Handheldmodus mit angehängten Joy Cons.