Rime

Storys in Videospielen sind in den meisten Genres eine der tragenden Säulen. Emotionale Geschichten gibt es da draußen auf dem Markt mehr als genug. Doch eine bewegende Handlung ganz ohne Worte? Erzählungen dieser Art kann man wohl an einer Hand abzählen. Als einer der größten Vertreter dieser seltenen Gattung gilt das betagte, aber noch immer hervorragende Journey. Das malerische Abenteuer Rime aus dem Hause Grey Box und Tequila Works hat ähnliche Ambitionen. Zuerst schaffte es der Titel auf die Konkurrenzkonsolen und den PC, doch nun wurde es nach einer leichten Verzögerung endlich auch auf die Nintendo Switch portiert. Ob das gelungen ist und wie das mit der Story funktioniert, das erfahrt ihr im folgenden Test.

Gestrandet und ohne Gedächtnis
##bild74438rechts##Alles beginnt ganz ruhig und friedlich. Man schlüpft in die Haut eines kleinen Jungen, der scheinbar Schiffbruch erlitten hat und nun auf einer Insel gestrandet ist. Offenbar holte auch diesem Helden die gute, alte Amnesie ein – warum auch nicht, wenn es sich als erzählerisches Mittel anbietet. Als Spieler wird man also schon von Beginn an vom Drang getrieben, das „Wie?“, „Wo?“ und „Warum?“ aufzuklären. Dabei geht Tequila Works aber denkbar sorgfältig vor. Kaum aufgerappelt, führt der Weg zunächst vom Strand weg in ein offenes bergiges Areal. Wirklich Hilfestellungen bietet das Spiel dabei nicht an, stattdessen tastet man sich selbst langsam an die Mechaniken heran. Die allgemeine Steuerung lässt sich aber notfalls im Pausemenü nachschlagen. Notwendig ist das jedoch nicht wirklich, da die Bedienung recht intuitiv von der Hand geht. In besagtem Areal findet man ziemlich zentral eine Statue umringt von diversen anderen Statuen. Seltsamerweise teilen sich auch vom zentralen Platz wegführenden Wege nach einem bestimmten Muster auf.

So leitet die Spielwelt den Spieler ganz behutsam von A nach B, ohne dabei aber zu weisend zu wirken. Es besteht nämlich auch allerhand Raum zur Erkundung abseits des offensichtlichen Hauptpfades. So lassen sich beispielsweise etliche Sammelgegenstände finden, wie etwa Teile eines alten Schlafliedes oder Stücke zerbrochener Embleme und Spielzeuge. Da man teilweise aber ziemlich eifrig suchen muss, empfehle ich an dieser Stelle, sich im ersten Spieldurchlauf voll und ganz auf die Geschichte zu konzentrieren und Collectibles hinterher über die Levelauswahl zu suchen. Ansonsten könnte sich das Erlebnis nämlich als ziemlich zäh herausstellen und so den Gesamteindruck negativ beeinflussen. Folgt man jedoch den Pfaden der Geschichte, ist man an sich schon locker fünf Stunden unterwegs und bekommt so das beste Erlebnis, das Rime zu bieten hat – und das ist einiges.

Haaah!
##bild74439links##Im Grunde bewegt sich die Geschichte auf einem dünnen Grat zwischen Unwissenheit und Aufklärung. Nach und nach erkundet man die Spuren einer alten Zivilisation und hier und da offenbaren sich kleine Mysterien. Als Leitfigur dient etwa ein Wesen im roten Mantel, demselben rot wie das des Capes des namenlosen Protagonisten – das wirft selbstverständlich Fragen auf. So schnell wie dieser Fremde jedoch auftaucht, ist er auch wieder verschwunden. Bis zur Aufklärung dieses Mysteriums dauert es auch bis ziemlich weit ins Spiel, weshalb die Motivation ziemlich lange aufrechterhalten wird. Die teils genialen Rätseleinlagen sind daran nicht ganz unschuldig.

Die Welt von Rime teilt sich in mehrere große Areale auf. Innerhalb dieser Bereiche kann man sich frei bewegen, weshalb ein gewisses Open World-Feeling aufkommt. Auf den Spuren der Geschichte fügen sich die oben angeführten Rätsel nahezu unauffällig in die Umgebung ein und wirken wie ein schlüssiger Teil der Welt. Dabei reicht das Spektrum von einfachen Schieberätseln bis zu komplexeren Angelegenheiten – doch auch Dinge wie optische Täuschungen sind mit am Start. Wirklich lange muss man nie überlegen, es wird aber oftmals dennoch notwendig ein wenig um die Ecke zu denken. Dadurch kommen immer wieder kleine Erfolgserlebnisse nach Bewältigen eines Hindernisses auf. Genau so geht anständiges Rätseldesign!Apropos Hindernis: Rime setzt verdammt oft auf akrobatische Einlagen à la Tomb Raider oder Uncharted, was für den schwungvollen Part im Gameplay sorgt. Davon ab beschränken sich die weiteren Interaktionen mit der Spielwelt darauf, dass man Dinge mit seinem Schrei Leben einhaucht und gelegentlich Resonanzkugeln von A nach B trägt. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, denn dieses Spiel besteht aus drei Säulen: Rätsel lösen, Erkunden und Genießen. Letzteres ist übrigens am schwierigsten, darum nun ein paar Worte zur Technik des Spiels.

Wie die Gamepro zu sagen pflegt: „Was für ein Rimefall“
##bild74440rechts##Der Stimmungswechsel im Text mag womöglich ein wenig harsch wirken, doch genauso harsch wird auch das an sich großartige Spielerlebnis zunichte gemacht. Dass die Switch aufgrund ihrer Handheld-Fähigkeiten keine sonderlich leistungsfähige Konsole ist, sollte allseits bekannt sein. Leider haben es die Entwickler nicht geschafft, dieses Spiel vernünftig auf die Switch zu portieren. Überhaupt an den Port auf die Switch zu denken war also im Nachhinein betrachtet keine gute Entscheidung. Der Grund für diese Behauptungen offenbart sich schon nach den ersten paar Schritten am stillen Sandstrand.

Bewegungen sind nämlich nahezu nie ohne Ruckler möglich. Ich rede hier wohlgemerkt nicht von der bei aufregenden Szenen vereinzelt auftretenden Sorte von Aussetzern. Damit könnte man notfalls noch leben. Tatsächlich kommt die Switch so gut wie nie hinterher, das Geschehen mit stabilen 30 Bilder pro Sekunde darzustellen – weder im Handheld- noch im TV-Modus. So ruckelt und zuckelt man sich von A nach B, worunter das an sich grandiose Spiel mit seiner wortlos erzählten Geschichte über Verlust und Liebe leider extrem leidet. Stellenweise ist es sogar so schlimm, dass man gnadenlos in den Abgrund stürzt, weil durch das ruckelnde Bild einfach keine präzise Kontrolle des Hauptakteurs im roten Cape möglich ist. In ganz gravierenden Fällen ähnelt der Spielablauf nämlich – so traurig es auch klingen mag – einer Diashow. Wirklich genießen kann man Rime so nur auf dem Fernseher und dann auch nur nach der Aneignung einer gewissen Ignoranz oder Gleichgültigkeit. Im mobilen Betrieb wird nämlich zusätzlich noch die Auflösung unschön auf weit unter 720p runtergeschraubt – kein schönes Erlebnis.

Mit laut eingestellten Boxen, dem Bildsignal auf dem Fernseher und dem Willen, die technischen Schwächen zu ignorieren, erlebt man trotzdem auch auf der Switch ein ziemlich unvergessliches Erlebnis. Der Soundtrack passt nämlich wie die Faust aufs Auge und bewegt zutiefst. Speziell gegen Ende könnten der Mix aus Bild und Ton bei dem einen oder anderen Spieler eine Träne hervorlocken. Leider schafft das nicht jeder, weshalb einige Käufer der Switch-Fassung auch ziemlich enttäuscht sein dürften. Da kann man nur hoffen, dass Tequila Works hier noch versucht, ein wenig mit Optimierungen nachzubessern.

Fazit

Im aktuellen Zustand kann ich Rime leider nicht empfehlen. Auf einer anderen Plattform hätte ich das Spiel liebend gern mit einer Wertung im hohen 80er-Bereich belegt. Doch mit einem so gestörten Spielablauf in einem Spiel, das von seiner einzigartigen Atmosphäre lebt, ist das einfach nicht tolerierbar, da ist sich auch die Fachpresse einig. Kaufen sollten sich Rime also nur diejenigen, die sich an den genannten Schwächen nicht stören oder Rime unbedingt unterwegs erleben wollen. Allen anderen sei geraten, dem Spiel lieber auf der PS4, Xbox One oder dem PC eine Chance zu geben, denn es lohnt sich. Ein mitreißender Soundtrack umgarnt eine bewegende Geschichte und weckt die Neugier im Spieler ungemein. Dieses Gesamtpaket findet man so leider viel zu selten, weshalb jeder Abenteuer-Fan dieses Spiel mal erlebt haben sollte, nur halt nicht unbedingt auf der Switch… Will eine Träne am Ende nicht verleugnen: Sebastian Mauch [Paneka] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Grey Box für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 63 / 100

Ein großartiges Abenteuer im Schatten schwerwiegender technischer Probleme.

Pro

  • Stimmige Spielwelt
  • Großartiger Soundtrack
  • Bewegende Story ganz ohne Worte
  • Spielinterne Achievements
  • Vier große Areale
  • Viele Sammelgegenstände

Contra

  • Erhebliche Performanceprobleme…
  • …gemixt mit grausiger Optik im Handheld-Modus

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