Furi

Was brauchen Videospiele eigentlich um gut zu sein? Diese Frage habe ich mir beim Test des Switch-Ports von Furi ziemlich oft gestellt. Viele, mich eingeschlossen, würden wohl Folgendes nennen: Gutes Gameplay und eine spannende Geschichte. Manche Entwickler weichen aber bewusst von den Grundpfeilern eines „traditionell guten“ Videospiels ab, was sich bei unserem heutigen Testkandidaten ziemlich gut abzeichnet. Obwohl Furi anders ist, ist es dennoch keineswegs schlecht. Was damit gemeint ist, und ob die Portierung auf Nintendos ARM-basierten Handheld gelungen ist, das zeigt der folgende Test.

Vom einem Hasen aus dem Gefängnis befreit werden
##bild77473rechts##Das gibt es so auch nur in Videospielen oder maximal sehr abstrusen Filmen. Wie in der Einleitung schon angedeutet, geht der Hack-’n‘-Slash-Titel ein wenig unkonventionelle Wege. Normalerweise, etwa in der beliebten God of War-Reihe, geht wie folgt vonstatten: Man spielt sich durch ein hübsches Level, erledigt reihenweise kleinere Gegnerscharen, und irgendwann ist mal ein Bosskampf dran. Zu Beginn des Spiels findet sich ein mysteriöser Kämpfer in einem merkwürdigen Gefängnis wieder. Mit Informationen hält sich das Spiel zurück, man weiß also weder wer man ist, noch wo man ist, lediglich dass man nicht ganz ohne Grund festgehalten wird. Um die Verwirrung noch zu steigern wird man sogar urplötzlich von einem Hasen – oder eher einem menschlichen Wesen mit gruseliger Hasenmaske – von seinen Fesseln befreit. Dann setzt Furi auch schon knallhart mit dem „etwas anderen“ Spielablauf ein.

Direkt nach der kurzen Einführungssequenz folgt nämlich direkt mal ein wenig Erkundung im Gefängnis. Falsch! Natürlich bekommt man gleich den ersten Bosskampf serviert. Der Kontrahent ist kein Geringerer als der Gefängniswärter höchstpersönlich. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, ist der Kampf sogar gleich in mehrere Phasen aufgeteilt. Der Fairness halber muss man den Entwicklern von The Game Bakers aber zugutehalten, dass sie es beim ersten Boss nicht direkt mit dem Schwierigkeitsgrad übertrieben haben. So kann man zunächst beherzt mit der an sich simplen Steuerung auf den Boss einschlagen, was durch dezente Hinweise für einen schnellen Einstieg sorgt. Nach und nach kommen dann immer mehr Elemente hinzu. So kann man etwa auch auf den Gegner schießen, Schüsse und Schläge aufladen, Ausweichen, sowie schnelle Dashes ausführen. An sich fühlt sich die Steuerung auch auf der Switch sehr gut an, jedoch sollte man sich besser schnell daran gewöhnen, denn nach dem ersten Boss ist Schluss mit lustig.

Bossrush mit Stil
##bild77477links##Kaum hat man den Gefängniswärter in seine Schranken verwiesen, geht es auch schon los mit dem eigentlichen Spiel – wobei der Spieler eigentlich fast nichts zu tun hat. Zwischen den stetig härter ausfallenden Kämpfen auf Leben und Tod rennt unser namenloser Protagonist nämlich einfach nur von A nach B, also von einem Bosskampf zum Nächsten. Wirklich viel zu erkunden gibt es auf dem Weg nicht wirklich. Wer ganz faul ist, muss den im Schneckentempo laufenden „Helden“ nicht mal selbst steuern. Hat man den Autopiloten eingestellt, kann man sich in Ruhe der trotzdem sehr stimmungsvollen Spielwelt und unglaublichen Ansichten hingeben. Auch designtechnisch gelten bei Furi andere Regeln. Fast schon wie beim unschuldigen Super Mario Galaxy bewegt man sich von einem Mini-Planeten zum anderen, nur halt komplett zu Fuß. Was man dabei an mysteriösen Dingen sieht, macht unter anderem den ganz speziellen Charme des Spiels aus. Die herrlich fragile Musikuntermalung und der langohrige Begleiter tragen ihr übriges zur Stimmung bei.

Der Fakt, dass man quasi nichts über die Hintergründe weiß, aber doch am Haken hängt, stellt sozusagen den roten Faden des Spiels dar, also den Grund, warum man sich diese teils bockschweren Bosskämpfe überhaupt antut. Schon beim zweiten Boss wird man eiskalt mit der (Sur-)Realität konfrontiert. Da heißt es sich flugs anzupassen und die Tücken der Kontrahenten zu studieren. Aber auch von dieser herkömmlichen Bosskampfanalyse kommt man schnell unfreiwillig weg. Wie schon erwähnt laufen die Fights ja in Phasen ab, ergo ändert auch der Widersacher seine Bewegungsmuster und Angriff, manchmal sogar seine Form, nahezu komplett. Das zwingt den Spieler dazu, auch mal forsch an die Sache ranzugehen und initiativ nach Lücken in der Verteidigung zu suchen. Allerdings muss das auch sehr schnell passieren – und gerade das macht Furi auch auf normalem Schwierigkeitsgrad so anspruchsvoll.

Frust für nichts?
##bild77474rechts##Keineswegs! Das Glücksgefühl einen Boss endgültig besiegt zu haben, ist nämlich nur schwer zu ersetzen. Zur Belohnung gibt es sogar eine cineastische Verschnaufpause und ein paar weitere Brotkrumen aus der Geschichte von unserem Freund und Helfer, dem Stalker-Hasen. Sicherlich kommt in diesem Spiel auch hier und da Frust auf, doch alles in allem sind die Kämpfe recht fair gestaltet. Man selber hat nämlich neben seiner Lebensleiste auch noch drei „Zusatzversuche“. Verliert man einmal sein gesamtes Leben, geht ein Versuch verloren und die Phase des Gegners wird zurückgesetzt. Geht man im zweiten Anlauf aber cleverer an die Sache heran und schafft die Phase, bekommt man seine „Extraleben“ wieder aufgefüllt. Wenn man also nicht gänzlich an einer Hürde festklemmt, lassen sich die Kämpfe mit etwas Feingefühl (oder harten Schlägen) auch im ersten Anlauf schaffen. Falls nicht, setzt man direkt vor dem Kampf wieder ein.

Das mag zwar alles interessant klingen, doch läuft es auch auf der Switch gut? Nun, Furi gibt es schon seit einer ganzen Weile auch für andere Systeme wie Windows-PCs, Xbox und der PS4. Selbst auf diesen potenteren Plattformen kam es gelegentlich mal zu Stotterern in der Bildrate. Es hat also nicht den Ruf, ein Performancewunder zu sein. Doch seltsamerweise läuft das Spektakel sowohl im Handheld-, als auch im TV-Mode angenehm flüssig ab. Selbstverständlich braucht man hier keine stabilen 60 FPS zu erwarten. Viel eher bewegt man sich bei Hälfte, aber ohne spielstörende Ruckler. Hier und da gibt es zwar mal einen kleinen Schluckauf, wirklich beeinträchtigt ist man als Spieler davon aber nicht. Auf dem Handheld muss man zusätzlich noch eine Auflösung unterhalb von 720p in Kauf nehmen, was nun aber auch beileibe nicht als unansehnlich gewertet werden kann.

Fazit

Furi ist so ein Ding für sich… Anfangs weiß man nichts mit der Geschichte und der übertrieben großen Portion „Mystery“ anzufangen, doch mit dem ersten Schlag ins Gesicht des Gegners zieht Furi den kampferprobten Spieler in seinen Bann. Statt großer Erkundung zählt hier das Auflesen spärlicher Erzählelemente, sowie reichlich rohe Gewalt. Die komplexen Bosskämpfe und das eingängige Gameplay gehen dabei Hand in Hand. Zur Stimmung tragen der eigensinnig Art-Style, der herrlich klaustrophobische Soundtrack und ein gewisser Hase bei. Auch ohne viel Leistung im System macht Furi auf der Nintendo Switch einen soliden Eindruck. Wer sich etwa auf Zugfahrten gern etwas auspowern will, kann man nun jederzeit unterwegs tun. Wirklich ankreiden kann ich dem Spielen beim besten Willen nichts, außer eben dass es anders ist. Wer die Motivation zum Spielen nicht allein aus den saftigen Kämpfen ziehen kann, sondern lebendige Welten mit Rätseln und Erkundung braucht, der sollte lieber die Finger davon lassen. Wer jedoch eine Herausforderung sucht und einen Hang zu verwirrenden Plots hat, der macht mit Furi überhaupt nichts falsch, denn in den thematisierten Disziplinen ist das Spiel nun mal echt gut. I want to break free: Sebastian Mauch [Paneka] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an ICO Partners für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 4 / 5

Harter Bossrush-Brocken mit Atmosphäre und tollem Kampfsystem, jedoch nur etwas für Fans schwerer Spiele.

Pro

  • Tolle Atmosphäre
  • Griffiges Kampfsystem
  • Geniale mehrstufige Bosskämpfe

Contra

  • Zweckmäßige (aber interessante) Rahmenhandlung
  • Kaum Gameplay abseits der Bosse
  • Für viele sicher stark demotivierend

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