Dass nicht alles immer glatt im Leben läuft, sollte jedem geläufig sein. Auch Mae Borowski, in deren Rolle ihr in Night in the Woods schlüpft, musste erst jüngst einen Rückschlag in Kauf nehmen. Das Studium lief eher nicht so, worauf ein Abbruch samt Rückkehr in ihre alte Heimatstadt unter das Dach ihrer Eltern folgt. Und zu allem Überfluss haben besagte Eltern auch noch den Rückreisetermin ihrer Tochter verpennt, weswegen sie mitten in der Nacht allein am Busbahnhof steht. An sich keine schöne Ausgangslage, doch es ist der Anbeginn einer mitreißenden Erzählung für Zocker, die sich gerne richtig in die Spielwelt und Charaktere einleben.
Das große Leben in der Kleinstadt
##bild78689links##Dabei ist das generelle Gameplay ziemlich gleichströmig und beinahe zweitrangig. Mae wird im Prinzip nach dem Vorbild eines 2D-Plattformers gesteuert – sie kann recht hoch springen und per Dreifachsprung ziemlich hohe Ecken ihrer Heimat erreichen. Allzu viel gibt es jedoch nicht gerade abzuklappern: Die Ortschaft Possum Springs ist insgesamt ziemlich übersichtlich im Aufbau. Stattdessen dient die Hüpferei dazu, an die zahlreichen Bewohner des Städtchens ranzukommen und die von Spieltag zu Spieltag stets neuen Dialoge zu verfolgen. So erfährt man recht schnell, dass Possum Springs insgesamt bessere Tage gesehen hat und praktisch jeder mit seinen persönlichen Problemen kämpft. Andere vertreiben sich dabei die Zeit mit Hobbys, an denen Mae teilhaben kann – etwa wenn die Nachbarin Selmers ihre Gedichte vorträgt oder Maes alter Lehrer Herr Chazokov ihr versteckte Sternbilder und ihre Bedeutungen näher bringt. Das stetige Ablaufen aller Gebiete kann dabei schon mal auf Dauer ein wenig ermüden, einfach weil man stets dieselben Ecken mit minimalen bis gar keinen Änderungen in der Szenerie besucht, doch der Aufwand wird durch die gut geschriebenen Charaktere und ihre Schicksale belohnt, die – trotz ihres Status als Nebenfiguren – auf eine gewisse Weise faszinieren.
Es gibt aber natürlich auch einen zentralen Handlungsstrang, den ihr im Zuge dieses rund zehn Stunden umfassenden Spiels verfolgt. Dieser dreht sich um Maes alten Freundeskreis, der etwa den leicht hyperaktiv und impulsiv wirkenden Fuchs Gregg oder die stets mit einer sarkastischen Note sprechende Alligatorin Bea umfasst. Die Gruppe und insbesondere die Protagonistin stößt nämlich recht schnell auf einige eher ungewöhnliche Vorkommnisse in dem sonst so ruhigen Ort. Diese Ereignisse kommen jedoch vergleichsweise langsam ins Rollen – stattdessen erlebt ihr in diversen Hauptszenarien, wie es euren alten Freunden geht und bestimmt durch die Einteilung eurer kostbaren Zeit auch, wer als Maes bester Kumpane endet. Welche Auswirkungen das auf das große Ganze hat, lasse ich euch selbst entdecken, doch allein schon wegen der dahinführenden Szenarien lohnt sich mindestens ein zweiter Spieldurchlauf ungemein. Man entwickelt nämlich schnell ein Interesse an dem illustren Trupp und möchte wissen, was für Päckchen sie mit sich herumzutragen haben. Anders als in ähnlich gearteten Spielen ist Mae jedoch keine richtige Heldin in deren Leben – sie hat Einfluss auf ihre Umwelt, das ist klar, doch wirklich direkt helfen kann die aufbrausende, im Herzen Kind gebliebene College-Abbrecherin nicht. Auch weil es auf manche Situationen schlichtweg keine „richtige“ Antwort gibt und die immer wieder eingestreuten Gesprächsoptionen gerne mal kontraproduktiv ausfallen.
##bild78688rechts##Aber gut, klickt man sich denn nun wirklich primär durch umfassende Dialogsequenzen? Im Prinzip schon, doch die Macher haben auch eine Vielzahl an Minispielen eingebaut, um für Abwechslung zu sorgen. Eher mäßig fallen dabei die Traumsequenzen der Hauptfigur aus, in denen man häufig vier bestimmte Punkte in einem eingegrenzten Gebiet erreichen und anschließend zur Startposition zurückkehren muss. Bei aller Liebe zur versteckten Symbolik wirken die Sprungpassagen auf Dauer schlichtweg ermüdend. Gelungener sind kleine Wachmacher wie ein grundsolides Musikminispiel oder das erstaunlich fesselnde Action-Roguelike Demontower. Abseits der Träume muss jedoch keines der Minigames wirklich gut abgeschlossen werden – wer allein auf die narrative Komponente aus ist, kann auch mit einer miserablen Performance voranschreiten.
Der merkwürdigste Herbst meines Lebens
Stichwort Performance: Wie läuft denn eigentlich der Switch-Port von Night in the Woods? Insgesamt ziemlich gut. Klar läuft das Spiel auf Nintendos neuer Konsole nicht ganz so flüssig wie auf anderen Plattformen und gerade bei belebteren Momenten auf der Straße sind ganz leichte und kurze Stotterphasen zu verzeichnen, wer jedoch mit den Konkurrenzfassungen nicht vertraut ist, sollte nichts Störendes bemerken. Gleiches gilt für die Ladepausen beim Gebietswechsel, die zwar nun bemerkbarer sind und gerne mal zwei, drei Sekunden in Anspruch nehmen, aber sich noch im Rahmen halten. Zu guter Letzt umfasst die Switch-Version alle Zusatzinhalte des Weird Autumn-Updates – das bedeutet, es gibt ein paar Minigames mehr, zusätzliche Geschichten rund um die Bewohner von Possum Springs und auch zwei Bonus-Erzählungen, die im Vorfeld der Veröffentlichung von Night in the Woods als kleine Appetithappen veröffentlicht wurden. Nur eine Sache wurde dem Spiel leider auch nicht mit der Switch-Umsetzung gegönnt: Eine deutsche Übersetzung. Ihr müsst also der englischen Sprache mächtig sein, wenn ihr von der Geschichte etwas haben möchtet.