London im Jahre 1899. Ein turbulentes Zeitalter, bei dem aber auch viele technologische Fortschritte erzielt wurden. Und dank des markanten Stils der spätviktorianischen Ära auch eine beliebte Design-Vorlage. In Another Sight hat die Protagonistin leider nicht so viel von der optischen Pracht der mit Steampunk-Elementen versehenen Welt. Kit, so der Name des Mädchens, ist nämlich nach einem Sturz erblindet und muss sich nun vorsichtig vorantasten. Zum Glück ist die junge Dame nicht allein: Ein geheimnisvoller Kater namens Hodge steht ihr zur Seite – und hoffentlich auch ihr, wenn ihr in diesen liebevoll aufgezogenen Knobel-Plattformer eintaucht.
Die Welt mit anderen Augen sehen
##bild80276rechts##Laut Andrea Basilio, meinem Gesprächspartner von Lunar Great Wall Studios, die das Spiel mit einem zwölfköpfigen Team innerhalb eines Jahres auf die Beine gestellt haben, wolle man ein Gefühl für die Weltsicht von erblindeten Menschen vermitteln. Dazu habe man diverse Leute dieses Personenkreises konsultiert und den starken Fokus auf die Geräuschkulisse bemerkt. Entsprechend baut sich auch die Spielwelt aus der Sicht von Kit auf: Sie ist auffallend dunkel mit nur wenigen Lichtquellen, die für erklingende Geräusche stehen sollen. Wenn die Heldin also etwas hört, kann sie grob ausmachen, wo es ist und wie es aussehen könnte. Bei einer entsprechend starken Klangkulisse wird sie demzufolge zuversichtlich und läuft geschwind los. Kann sie nichts wahrnehmen, tappt sie sprichwörtlich im Dunkeln und wird entsprechend vorsichtiger; Kit tastet sich langsam voran. Ein interessantes Detail, das mir beim Anspielen der vorgestellten PC-Version recht schnell auffiel.
Es wird aber nicht nur Kit gesteuert, auch der samtpfotige Partner Hodge kann durch die Welt bewegt werden. An ausgewählten Stellen reisen die beiden direkt zusammen weiter, in der Regel müsst ihr jedoch zwischen den zwei Figuren hin- und herschalten, um sie durch die zweidimensional gestalteten 3D-Gebiete zu leiden. Hodge nimmt die Umgebung natürlich mit allen Sinnen wahr und kann dementsprechend klare Konturen sehen. Auch ist der Kater deutlich agiler als seine Begleiterin, weswegen gerne mal Kletterpassagen und Ausflüge in enge Gänge auf dem Programm stehen. Doch nicht nur bei Schalterrätseln unterstützt sich das Duo: Durch sein Getrappel erzeugt Hodge Klänge, denen Kit anschließend schnell folgen kann. Mit Mauz-Geräuschen sorgt er zudem für sprichwörtliches Licht in dunklen Ecken von Kits Wahrnehmung. Um etwa einen kleinen Abgrund zu überwinden, muss der Kater erst auf der anderen Seite warten und Lärm machen, damit das Mädchen die rettende Plattform ungefähr orten kann. Ein simples Koop-Konzept, auch wenn es sich bei Another Sight um ein striktes Einzelspieler-Erlebnis handelt.
##bild80277links##Was mich bereits in den kurzen Auszügen beeindruckt hat, ist die unter den Protagonisten unterschiedliche Wahrnehmung der Spielwelt. Speziell im Garten des Künstlers Claude Monet – eine von vielen historischen Figuren, die im Spiel auftreten werden – wird dies richtig spürbar. Für Hodge ist die von allerlei Pflanzen überwucherte Fläche das reinste Paradies, mit saftigen Wiesen, riesigen Blumen und stämmigen Bäumen. Kit wiederum kann in dieser Geräuschkulisse schlichtweg kaum etwas orten – für sie erscheint der Garten beinahe komplett dunkel und wirkt entsprechend wie ein Geisterwald. Und das soll nur ein Vorgeschmack für das sein, was im weiteren Spielverlauf folgt. Zu Beginn seien die Umgebungen noch stark in der Realität verankert, später kommen jedoch immer mehr Fantasy-Elemente dazu. Allzu lang wird das Abenteuer übrigens nicht: Ungefähr fünf Stunden Spielzeit verspricht Basilio. Statt das Spiel unnötig zu strecken, wolle man lieber eine zufriedenstellende, bedeutsame Geschichte erzählen – löblich, wie ich finde!