Final Fantasy XV: Pocket Edition HD

Dass eine lange Entwicklungszeit nicht immer in einer Vollkatastrophe enden muss, zeigte Square Enix vor zwei Jahren mit Final Fantasy XV, das allen Widrigkeiten zum Trotz zahlreiche Fans begeistern konnte, obwohl es schlussendlich doch kein Oberhammer wurde. Einige der besagten Anhänger dürften sich jedoch sicherlich im Angesicht der ständigen Inhalts-Patches und DLC-Zusätze, die sogar noch bis ins Jahr 2019 fortgeführt werden, ein wenig auf den Schlips getreten fühlen. Die Switch mag nun nicht über die Power verfügen, den Road Trip von Prinz Noctis und seinen besten Freunden in seiner vollen Pracht zu stemmen, doch für das offizielle Smartphone-Demake reicht sie locker aus. Und somit liegt mir nun Final Fantasy XV: Pocket Edition HD vor, durch welches ich mich mit großem Vergnügen gezockt habe – wenngleich hier natürlich einige Dinge anders laufen als beim Original.

Mit den Jungs auf Achse
##bild80617links##Die Rahmenhandlung ist identisch mit der zum großen Gegenstück: Noctis, der Kronprinz von Lucis, soll auf Geheiß seines Vaters König Regis zusammen mit seinen Freunden und Leibwächtern Ignis, Gladiolus und Prompto losfahren, um seine Verlobte Lunafreya im malerischen Altissia aufzusuchen – Grund dafür ist die baldige Vermählung von Lunafreya und Noctis. Doch wie sich sehr schnell herausstellt, wird dieser Ausflug alles andere als einfach. Schon sehr früh nach Fahrtantritt bleibt der königliche Sportwagen, der Regalia, liegen und muss zunächst repariert werden. Wenig später stellt sich heraus, dass aufgrund eines drohenden Konfliktes mit dem Imperium von Niflheim der Fährenverkehr nach Altissia lahmgelegt wurde – und das ist nur die Spitze des Eisbergs an wideren Umständen, mit denen Noctis und seine Truppe zu kämpfen haben. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass hier kein simpler Junggesellenabschied mit einer vergnüglichen Spritztour durch das ganze Land ansteht, sondern schlussendlich deutlich mehr auf dem Spiel steht. Die Details der rund 20 Stunden langen Erzählung lasse ich an dieser Stelle jedoch aus. Vorkenntnisse des Originals sind übrigens nicht notwendig, wohl aber hilfreich – gerade weil die Pocket Edition Nebenaufgaben mit relevanten Randinformationen auslässt und über die fürs große Final Fantasy XV nachgereichten Zusatzszenen mit neuen Details gar nicht erst verfügt. Trotzdem kann man sich auch so noch in die Geschichte einleben und diese genießen.

Ein weitaus bedeutenderer Unterschied zur Vorlage: Die Pocket Edition ist kein Open-World-Rollenspiel, sondern ein lineares Action-RPG, bei dem ihr euch kapitelweise durch die komprimierten Schauplätze kämpft. Alle wichtigen Haltestellen werden dabei natürlich bedacht – egal ob es nun die Tanke und Werkstatt Hammerhead, der Urlaubsort Lastellum oder die beschauliche Chocobo-Ranch inmitten der grünen Natur ist. Nur werdet ihr dabei stets einen eindeutigen Weg nach vorn entlanggescheucht, der sowohl per Quest-Marker im Karten-Menü als auch über einen deutlichen Richtungspfeil unter Noctis‘ Füßen verdeutlicht wird. Eine Hand voll Nebenaufgaben gibt es dennoch: So dürft ihr etwa mal die Erkennungsmarke eines gefallenen Jägers aufspüren oder ein besonderes Monster im aktuellen Gebiet ausfindig machen. Solche Spezialaufträge sind nur leider die Ausnahme. Ein Großteil der Zusatzquests besteht darin, über Schatzkarten einen verborgenen Gegenstand zu finden, Kaktor-Figuren einzusacken oder Zutaten für die vielen Leckereien des Team-Kochs Ignis zu lokalisieren. Sonderlich viel Abwechslung bringen die also nicht ins Spiel.

Der Prügel-Prinz
##bild80618rechts##Ähnlich verhält es sich auch mit den Kampfgebieten, die allesamt recht gleichströmig im Design ausfallen. Egal ob Minenschächte, Eishöhlen oder Sumpfgegenden, ihr schlagt euch auf gut erkennbaren Pfaden durch die Areale und werdet hin und wieder von Monstern aufgehalten, die euch erst nach ihrem Ableben weiterziehen lassen. Verteilte Schätze gibt es natürlich auch, nur handelt es sich hierbei zumeist um nutzlosen Plunder, der sich lediglich bei Händlern in Geldmittel umtauschen lässt – und bei diesen holt ihr euch dann die richtige Ausrüstung für eure Truppe. Das nimmt den Erkundungstouren auf Dauer leider ihren Reiz. Hin und wieder werden optionale Schleich-Sequenzen eingestreut, um das Geschehen zumindest etwas aufzulockern, doch großartige Rätsel oder knifflige Sprungpassagen dürft ihr nicht erwarten.

Aber ich habe ja etwas von Kampf geschrieben! Die Gefechte laufen tatsächlich nicht unähnlich wie in der Vorlage ab, nur eben aus einer anderen Perspektive. So navigiert ihr Noctis in Echtzeit zum Wunschfeind hin, um diesen dann bei gedrücktgehaltener Angriffs-Taste mit einfachen Kombos zu malträtieren. Da dies auf Dauer öde wird, hat der Prinz natürlich ein paar Tricks auf Lager. Einerseits kann er jederzeit zwischen drei Waffenarten umschalten, die sich in ihrer Angriffsstärke und -frequenz unterscheiden. Wichtiger ist hingegen Noctis‘ Warp-Fähigkeit. Mit der X-Taste schmeißt der Bursche seine Waffe in Richtung Gegner, nur um in einem Sekundenbruchteil direkt hinterherzusausen und so für mächtig Schaden zu sorgen. Da dieses Manöver an seinem MP-Vorrat nagt, lässt es sich selbstverständlich nicht unendlich oft nutzen. Weitere Würze bringen die Begleiter ins Spiel, die sich hin und wieder mit Kommando-Aktionen zu Wort melden. Dann reicht ein einfacher Druck auf die B-Taste, um mit Prompto einen zerschmetternden Durchschuss zu landen oder Noctis von Gladiolus herumschleudern zu lassen. Sonst hat man leider keinerlei Einfluss auf das Verhalten der KI-gesteuerten Kumpanen, was bei manchen Gegnern ziemlich frustrierend ist. Bei Konfrontationen mit Arachnen, die gerne mal flächendeckende Angriffe mit gut sichtbaren Zielmarkierungen ankündigen, bleiben die drei nur zu gerne mitten in der Gefahrenzone stehen. Immerhin können ausgeschaltete Gruppenmitglieder ziemlich schnell ohne Gegenstands-Einsatz wiederbelebt werden und mit Heilmitteln schmeißt euch Final Fantasy XV eigentlich aus so praktisch zu.

##bild80616links##Neben den Ausrüstungsobjekten gibt es übrigens noch weitere Methoden, die Gefährten aufzurüsten. So steht euch ein überschaubarer Fertigkeiten-Baum zur Verfügung, über den ihr mit durch Levelaufstiege und Kaktor-Sichtungen verdienten Punkten etwa Noctis‘ Kombos erweitert oder neue Kniffe für eure Leibwächter freischaltet. Wer fleißig kämpft und alle Nebenaufgaben erledigt, kann bis zum Spielabschluss einen Großteil der Skills einsacken – große Spezialisierungen sind also im Prinzip nicht notwendig. Ferner sammelt Noctis als Königssohn im Laufe des Abenteuers sogenannte Königswaffen ein – die magischen Kriegsinstrumente seiner Vorfahren. Diese lassen sich separat für begrenzte Zeit nutzen und reichen von einem angriffsreflektierenden Schild über einen stylischen Katana bis hin zum stichfesten Dreizack und sorgen für etwas mehr Abwechslung in den sonst ziemlich gleichströmigen Kämpfen. Viele davon werden im Story-Verlauf aufgegabelt, um die Hälfte gibt es hingegen in optionalen Bonus-Dungeons, die sich über die Weltkarte heraus zwischen den Kapiteln aufrufen lassen. Somit ist immerhin für etwas Zusatzstoff abseits des linearen Haupt-Marsches gesorgt.

Ganz wie man es kennt, nur niedlicher
Da die Pocket Edition eigentlich für Smartphones gedacht war, bleibt von der einstigen Grafik-Pracht des originalen Final Fantasy XVs natürlich nicht viel übrig. Stattdessen wurde das Spiel im Stile der DS-Remakes von Final Fantasy III und IV rekonstruiert, was aufgrund des extrem stilisierten, cartoonhaften Charakterdesigns zunächst höchst gewöhnungsbedürftig wirkt. Zwiebelkopf Noctis kommt dabei noch vergleichsweise glimpflich weg, Muskelprotz Gladiolus verfügt hingegen über eindeutig zu breite Schultern für seine Beine und der enigmatische Ardyn kann in seinem Aufzug seine schlussendliche Rolle kaum verheimlichen. Mit der Zeit nimmt man die Kopffüßler als solche jedoch kaum wahr – was nicht bedeutet, dass die Zwischensequenzen dadurch besser rüberkommen. Im Gegenteil: Weil den Figuren jegliche Gesichtsanimationen fehlen, zünden dramatische Momente nur selten. Besonders beispielhaft ist eine Szene, in der Noctis eigentlich bedrückt ist, sein kindliches Charakter-Modell in dieser Szene jedoch ein deutliches Lächeln zeigt. Somit passen die Animationen auch nur selten zur Tonspur, die vollständig aus dem großen Original entnommen ist – löblicherweise sowohl in der japanischen Sprachfassung als auch der englischen, französischen oder deutschen. Letztere ist dabei übrigens an sich gar nicht mal so übel, wenn man gewisse Aussetzer ignoriert. Mir ist die Truppe dank der verspielten Kommentare auf ihrer Reise schon auf der PS4 in Windeseile ans Herz gewachsen und auch in der Pocket Edition kommen zumindest ihre Persönlichkeiten gut rüber. Und wo die Sprachausgabe drin ist, darf natürlich nicht der famose Soundtrack fehlen. Der ist ebenfalls beinahe komplett übernommen wurden und sorgt für die passende, musikalische Begleitung bei allen wichtigen Momenten des Abenteuers. Einen letzten, technischen Wermutstropfen habe ich dennoch: Trotz der reduzierten Optik läuft das Spiel leider nicht durchgehend flüssig und neigt beispielsweise in Altissia oder während heftigerer Kämpfe zu kleineren Framerate-Einbrüchen. Außerdem sind die Ladezeiten nicht von schlechten Eltern – stellt euch bei jedem Szenenwechsel also erst einmal auf eine kleine Zwangspause ein.

Fazit

Viel ist geschehen, seit Square Enix Final Fantasy XV auf PS4 und Xbox One veröffentlichte. Dieses Demake, das für schwachbrüstigere Smartphones gedacht war, nun aber seinen Weg auf die Heimkonsolen inklusive Switch fand, ist eines der kurioseren Erzeugnisse. Tatsächlich funktioniert es als stilisierte Nacherzählung der Haupthandlung, sind doch fast alle wichtigen Szenen der ungepatchten Ursprungsfassung mit dabei – inklusive des wohl spielerisch grausigsten Kapitels, das die Vorlage zu bieten hat. Klar fehlen mangels offener Spielwelt und damit verbundener Nebenquests diverse Randinformationen, welche die Welt glaubwürdiger machen und auch einige spätere Story-Details andeuten, doch selbst ohne diese Info-Schnipsel kommt eine kohärente Erzählung zustande. Die leicht vereinfachten und leider auch unterm Strich nicht gerade fordernden Kämpfe machen zudem auf eine simple Art Spaß, was nicht zuletzt am unterhaltsamen Warp-Manöver von Noctis liegt. Dennoch ist der Umbau nicht komplett gelungen: Die starren Gesichter der Charaktere nehmen den filmhaften Zwischensequenzen jegliches Gewicht, abseits der linearen Geschichte gibt es kaum etwas zu erleben und die wenigen Nebenquests, die es in die Hosentaschen-Version geschafft haben, wiederholen sich gnadenlos. Für Besitzer der Originals gibt es eigentlich kaum einen Grund, diese Version zu spielen – es sei denn, sie möchten vielleicht eine schneller spielbare, kompakte Version der Geschichte haben. Wer jedoch nicht die Möglichkeit hat, das große Gegenstück zu spielen – da gibt es nämlich für einen ähnlichen oder nur leicht höheren Preis deutlich mehr Stoff –, kann hiermit zumindest die Rahmenhandlung und die liebenswürdige Crew rund um Prinz Noctis kennen und lieben lernen. Hat das Spiel eigentlich nur für die knuffigen Chocobos gekauft: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de

Wertung 72 / 100

Erstaunlich originalgetreue Umgestaltung des Rollenspiel-Hits, die jedoch dank mangelnder Mimik und der simpleren Struktur an Brillanz einbüßt.

Pro

  • Originalgetreue Nachstellung der Story
  • Liebenswürdige Hauptfiguren
  • Eingängiges Kampfsystem
  • Viele verspielte Details
  • Erstklassiger Soundtrack

Contra

  • Zusatzszenen aus Updates fehlen
  • Simple Dungeons
  • Dramatische Szenen wirken mangels Mimik unfreiwillig komisch
  • Wenige, repetetive Sidequests
  • Lange Ladezeiten und gelegentliche Ruckler

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