##bild82573links##Mit Dragon Quest XI S werden Ende des Monats Anhänger von Rollenspielen japanischer Machart im spieleschweren Switch-September bei Laune gehalten, doch was macht der Freund traditioneller, westlicher RPGs – außer sich mit Port-Problemen bei Pillars of Eternity rumzuärgern? Der staunte vor wenigen Wochen sicherlich nicht schlecht, als Larian im Zuge einer Nintendo Direct-Ausgabe Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition auf die Konsole zauberte und somit den demnächst erscheinenden Forgotten Realms-Portierungen wie Baldur’s Gate und Neverwinter Nights in einem Zug die Show stahl. Natürlich kommt dabei unweigerlich die Frage auf, wie schadlos das ursprünglich auf dem PC beheimatete riesige Rollenspiel den Übergang auf die Switch überstanden hat. So viel vorweg: Trotz zahlreicher technischer Eingeständnisse weiß der Titel auch im portablen Format zu faszinieren, ohne dass man sich alle Nase lang über Port-Patzer aufzuregen hat. Doch was genau euch im Lande Rivellon erwartet, das soll der folgende Testbericht klären.
Reif für die Insel
Divinity: Original Sin 2 spielt über eintausend Jahre nach den Ereignissen der Vorgängers und versetzt euch in die Schuhe eines Quellenmagiers – mächtige Zauberer in der Welt von Divinity, die jedoch genau aus diesem Grund auch gefürchtet werden. Das führt schlussendlich dazu, dass das Erscheinen tödlicher Leerenkreaturen mit ebenjenen Magiebegabten in Verbindung gebracht wird und diese nun gejagt, gefangen und auf die Gefängnisinsel Freudenfeste verschifft werden. Und dass dies kein Spaßaufenthalt sein soll, wird schnell klar: Die hiesigen Magister, die den Eiland-Knast leiten, regieren den Komplex mit einer eisernen Faust und murksen jeden ab, der auch nur an Flucht zu denken wagt. Dank schwächender Halsringe können die Quellenmagier nicht einmal auf ihre Kräfte zurückgreifen und sich so einen Vorteil verschaffen. Zwar versprechend die Magister auch „Heilung“ von den Quellenkräften, doch darauf möchte es euer Charakter nicht ankommen lassen und trotzdem zur Flucht ansetzen.
##bild82567rechts##Bevor daran jedoch zu denken ist, steht natürlich erst einmal die Charaktererstellung auf dem Plan. Dabei könnt ihr frei aus Menschen, Elfen, Zwergen, Echsenmenschen und Untoten – deren genaue Erscheinung an eine der übrigen Rassen angelehnt ist – auswählen und euer Aussehen, Start-Fähigkeitenset und sogar euer begleitendes Hauptinstrument für die Hintergrundmusik bestimmen. Wer sich lieber in eine vorgegebene Rolle hineinversetzen möchte, findet gleich sechs Figuren mit zwei festen Charakterzug-Vorgaben und einer ausführlichen Hintergrundgeschichte vor. Doch selbst die könnt ihr nach der Auswahl noch immer ummodellieren, wenn ihr denn wünscht. Alle vorgegebenen Charaktere bringen komplett eigene Nebenhandlungen mit, denen ihr auf eurer Reise folgen könnt. Durch eure Spielfigur-Auswahl müsst ihr jedoch nicht zwangsweise auf die anderen Geschichten verzichten. Löblicherweise zählen sie nämlich auch zu den rekrutierbaren Begleitern, von denen ihr bis zu drei innerhalb des ersten Spielteils an eure Seite bitten könnt. Dann mischen sie sich sogar gelegentlich in Gespräche ein, sofern ihr sie lasst! Auf diese Weise wirken die Gefährten wie aktive Teilnehmer am Abenteuer und nicht wie bloße Statisten, die ihr ihrer Kampfkraft wegen mitschleift. Wer zudem mehr menschliche Mitspieler dabei haben möchte, kann auch alternativ seine vierköpfige Gruppe aus Online-Partnern zusammenstellen, wobei die Fortschritte hier stets auf der Konsole des Hosts gespeichert werden. Mangels Mitspieler war es mir jedoch nicht möglich, diese Option auszuprobieren und zu überprüfen, wie stabil das kooperative Abenteuer läuft. Offline-Koop-Möglichkeiten gibt es übrigens leider keine.
Ein Meer der Möglichkeiten
Wer speziell mit klassischen Rollenspielen dieser Art eher weniger zu tun hat, wird sich vom Anfang des Spiels vermutlich etwas erschlagen fühlen. Nach einem kompakten Tutorial auf dem Transportschiff zum Fort müsst ihr nämlich erst einmal in der Strafanstalt Fuß fassen – was leichter gesagt als getan ist, wenn eure Streiter in dreckigen Fetzen gekleidet improvisierte Waffen schwingen. Stattdessen verbringt man die ersten Stunden damit, sich mit allen Mithäftlingen zu unterhalten, potenzielle Fluchtmöglichkeiten auszuloten und sich ein allgemeines Bild von der Situation einzuholen. Schnell sammeln sich dabei erste Quests an, die euch Divinity: Original Sin 2 im seltensten Fall wirklich vorkaut. Klar gibt es für manche Schritte klare Instruktionen, viel häufiger ist jedoch eure Entdeckerlust und ein gutes Gespür gefragt, um voranzukommen. Nicht selten gibt es sogar mehrere Vorgehensweisen, die allesamt zu einem vergleichbaren Ziel oder gar komplett unterschiedlichen Ausgängen führen können – und sofern ihr selbst dabei nicht draufgeht, gibt euch das Spiel so ziemlich immer die Möglichkeit, trotzdem irgendwie voranzuschreiten. Als frühes Beispiel sei hierfür ein gefangener Elf erwähnt, der vom selbsternannten Boss der Festungsinsassen des Mundraubs bezichtigt wird. Ihr könnt den Chef entweder zum Kampf herausfordern oder den wahren Dieb ausfindig machen. Wie ihr wiederum mit dem Langfinger verfahrt beziehungsweise das Diebesgut von ihm zurückerlangt, ist ebenfalls euch überlassen. Das regt auf jeden Fall zum Experimentieren an und sorgt dafür, dass sich das Abenteuer auch wirklich wie eines anfühlt. Gerade wenn man eines der vielen Rätsel knackt, deren Lösungshinweise beizeiten auch mal etwas kryptischer ausfallen und neben einer guten Beobachtungsgabe auch die Umstellung von Umgebungsobjekten mit einbeziehen können, kommt richtiges Entdecker-Feeling auf.
Knochenbruch und Höllenfeuer
##bild82574links##Gespräche und Knobeleien sind jedoch nur die halbe Miete, denn selbst der gewiefteste Mediator wird um den Kampf nicht herumkommen. Die laufen strikt rundenbasiert ab, wobei jede ins Gefecht verwickelte Einheit separat zieht. Seid ihr am Zug, müsst ihr mit euren Aktionspunkten – vier werden in der Regel pro Runde generiert, bis zu sechs könnt ihr gleichzeitig bunkern – haushalten und abwägen, wie ihr euch möglichst kosteneffektiv voranbewegt und die Feinde drangsaliert. Das mag gerade zu Beginn mit einem eher überschaubaren Kontingent an Fähigkeiten knifflig ausfallen und selbst ein simpel erscheinendes Gefecht mit drei Krokodilen am Strand artet selbst auf mittlerer Schwierigkeitsstufe in eine Herausforderung aus, doch mit steigendem Level und über Skill-Bücher oder anderweitig erlernte Aktionen erscheinen die Konfrontationen zunehmend machbarer. Dann wetzt ein Krieger schon mal mit einem Sturmangriff über das Schlachtfeld, während ein Schurke sich direkt hinter sein Ziel teleportiert, um ihm ein Messer in den Rücken zu rammen.
Trivial werden die Gefechte jedoch höchstens auf dem eigens dafür vorgesehenen Storymodus-Schwierigkeitsgrad – selbst bei der darüberliegenden Entdecker-Stufe zieht der Härtegrad der Feinde recht passend zu eurem erweiterten Arsenal kräftig an. Wer seine Ausrüstung nicht auf dem aktuellsten Stand hält und seine Gruppe unüberlegt aufbaut, sieht schnell kein Land mehr. Genau hier tut sich jedoch ein kleines Problem im Kampfsystem auf. Da alle Figuren über physische und magische Verteidigungspunkte verfügen können und diese erst runtergearbeitet werden müssen, bevor man die eigentlichen Trefferpunkte in Angriff nehmen kann, fühlt man sich mit einer ausbalancierten Truppe bestehend aus Zauberern und physischen Kämpfern schnell benachteiligt. Immerhin kann man sich in dieser Hinsicht nichts dauerhaft verbauen: Nach dem ersten großen Abschnitt des Spiels erhaltet ihr die Möglichkeit, eure Charaktere bei Bedarf umzubauen. Und selbst zuvor könnt ihr euren aufgelesenen Begleitern andere Ausrichtungen auftragen, wenn euch ihre Standard-Klassen nicht zusagen sollten. Eine rundum löbliche Sache!
Volle Kontrolle?
##bild82572rechts##Ebenso viel Lob gebührt der Anpassung an den Controller, die im großen und ganzen aus der Konsolen-Version des ersten Teils entnommen wurde. Zwar ist es zunächst etwas ungewohnt, dass man mit ZR ein Ringmenü aufruft, über das wiederum Inventar, Levelaufstiege, das Questlog und andere Dinge angesteuert werden, doch diese Eigenheiten hat man schnell verinnerlicht. Das Sortieren der am unteren Bildrand befindlichen Schnellleiste für Inventargegenstände und Fähigkeiten hätte etwas geschmeidiger funktionieren können – häufig wurde ich nach dem Einstellen einer Sache zurück ins laufende Spiel befördert, obwohl ich noch weitere Dinge anpassen wollte – doch selbst darum kann man sich herumarrangieren. Was beizeiten jedoch unangenehm schwerer fallen kann, ist das ordentliche Anpeilen von anderen Figuren, egal ob nun im Kampf oder bei Erkundungsausflügen. Mit der direkten Charakterkontrolle hatte ich zumindest bei Gesprächsversuchen die wenigsten Probleme, doch selbst dann habe ich aufgrund der zufälligen NPC-Bewegungen beispielsweise versehentlich versucht, ihnen das Essen vom Teller zu stehlen. Der per Klick auf den linken Analogstick aufrufbare Mauszeiger, über den auch das Kampfgeschehen gelenkt wird, ist dabei nicht unbedingt genauer. Speziell im Gefecht habe ich mich bereits öfter verklickt, als mir lieb ist, und so meinen aktiven Streiter um den Feind herumwandern lassen, anstatt ihn zum Angriff zu animieren. Das Durchschalten potenzieller Zielobjekte mit den Schultertasten schafft zumindest etwas Hilfe, nur verliert die Option bei beweglichen Interaktionspunkten – etwa NPCs – gerne mal diese aus den Augen und bei Schlachten mit einer Vielzahl von Feinden muss man sich nicht selten erst durch die ganze Schar klicken, bis man überhaupt beim Wunsch-Gegner gelandet ist. Diese Steuerungsungenauigkeiten sind jedoch wohlgemerkt auch Teil der PC-Version und keineswegs Switch-exklusiv.
Wo die Umsetzung für Nintendos Maschine definitiv einstecken musste, ist wiederum die optische Seite. Sowohl im TV-Modus als auch auf dem Screen der Konsole selbst merkt man die niedrigere Auflösung deutlich, denn die Umgebungen wirken verwaschener und die Charakterporträts der Begleiter haben mächtig leiden müssen. Trotzdem schaut das Ergebnis für sich genommen zumindest noch ordentlich aus und bietet sogar reichlich Details, an denen man sich erfreuen kann. Ferner läuft das Spiel insgesamt recht stabil. Klar machen sich bei reichlich Gegnern auf dem Bildschirm mit flächendeckenden Feuereffekten und anderen Zaubereien Knicke in der Bildrate bemerkbar, doch die lassen sich verschmerzen. Die niedrigere Auflösung und damit verbundene Sichtfeld hat schlussendlich jedoch noch einen anderen kleinen Nachteil: Manche Dinge bleiben bei der direkten Charakter-Kontrolle außerhalb der Sichtweite. So musste ich auf die Mauszeiger-Steuerung zurückgreifen, um einen Wachposten am oberen Ende einer Klippe anzusprechen, weil ich ihn anderweitig von unten schlichtweg kaum wahrgenommen habe. Das Lesen der deutschen Untertitel für die komplett in englischer Sprache vertonten Dialoge wird bei atmosphärischen Unterhaltungen in der Umgebung, in die ihr nicht direkt verwickelt seid, aus ähnlichen Gründen erschwert. Ärgerlich, aber immerhin gibt es eine Ausweichmöglichkeit. Was hingegen wieder ein umfangreiches Lob verdient: Solltet ihr im Besitz der über Steam verfügbaren PC-Version sein, könnt ihr per Kontoverknüpfung und Cloud-Datensicherung eure Speicherdaten zwischen ebenjener Fassung und der Switch-Version austauschen. Ideal für den Fall, dass man sein am heimischen Computer angefangenes Savegame unterwegs für ein paar Runden in der Bahn mitnehmen möchte.