The Outer Worlds

Während auf anderen Plattformen wie in jedem Jahr die sommerliche Spieleflaute beklagt wird, kann die Nintendo Switch zum vierten Mal in Folge nur müde lachen. Dank 2Ks Blockbuster Borderlands, XCOM und Bioshock sowie Monolith Softs Xenoblade sind wir schon angenehm durch den Mai gekommen und mit The Outer Worlds, seines Zeichens geistiger Nachfolger von Fallout: New Vegas (schließlich auch von Obsidian Entertainment entwickelt), folgte Anfang des Monats der nächste große Release. Ich kläre in diesem Review, warum dieser Titel vielleicht doch nicht der große Bringer auf dem Hybriden ist, aber auf anderen Plattformen definitiv ein Blick wert ist und weshalb Bethesda trotzdem mit der Fallout-Hauptreihe ein weiteres Zuhause auf der Switch finden könnte.

Humor mit dem Holzhammer
##bild83316rechts##Was wäre, wenn der Anschlag auf einen amerikanischen Präsidenten des 20. Jahrhunderts fehlgeschlagen wäre und deswegen Großkonzerne die Macht übernommen hätten? Dann wäre wohl die Welt und gar die ganze Galaxie so wie im Sternensystem Halcyon: Jeder Planet ist einer anderen Firma versprochen, die ihre ganz eigenen Interessen vertritt aber zusammen mit der Konkurrenz um den größten Profit wetteifert. In diesem Universum befindet sich mein namenloser Held im tiefen Kryoschlaf, denn die Erde hat die klügsten Köpfe als neue Kolonie in die Weiten des Alls entsandt. Blöderweise gab es einen Unfall und so taut mich ein wirrer Professor auf, der in mir den perfekten Handlanger für die Befreiung der gesamten Kolonie auserkoren hat. Ohne große Erklärungen schickt er mich auf den Planeten Terra 2, auf dem ich von einem Schmuggler abgeholt werden soll. Blöderweise funktioniert meine Fluchtkapsel zu gut und findet ihr Ziel auf den Meter genau. Sprich, sobald ich die Kapsel öffne und endlich festen Boden unter mir spüre, stehe ich auf der zermatschten Leiche des Raumschiffcaptains, der mich eigentlich von hier herunter geleiten soll (ja, dieses Niveau an Gags wird bis zum Ende durchgezogen). Der Wissenschaftler, der sich als Phines Welles zu Erkennen gibt, navigiert mich über Funk durch das Gestrüpp bis ich endlich auf besagtes Vehikel stoße, das mich mobil machen soll. Die lokale Autorität findet den Falschparker allerdings gar nicht lustig und so sichert bereits eine Patrouille des örtlichen Sicherheitsdienstes die Umgebung ab. So richtig gründlich waren sie dabei wohl nicht, denn wenig später werden sie von wilden Banditen weggepustet – eventuell haben meine aufmunternden Worte die Angst der Beamten vor der zahlenmäßigen Überlegenheit der Gegner einer kopflosen Euphorie und selbstmörderischen Heldentum weichen lassen. Glücklicherweise kann ich als Elite der Menschheit (so sagt es zumindest der Prolog) neben einer beeindruckenden Rhetorik und einem mannigfaltigen Wortschatz auch auf grandiose Schießkünste mit der zuvor geborgten Pistole zurückgreifen und die bereits geschwächten Feinde auseinandernehmen.

Kaum ist der Weg zur Unreliable frei, besteige ich das Monstrum und der Bordcomputer erkennt mich ohne große Widerworte und Zutun als neuen Captain an. Blöderweise fehlt dem Schiff ein Spannungswandler, den es im nahegelegenen Edgewater aufzuspüren gilt. In der Stadt angekommen berichtet mir der Firmenbesitzer der örtlichen Fischfabrik von einer Gelegenheit besagtes Teil zu ergattern. Einige der hiesigen Mitarbeiter sind desertiert und nutzen jetzt den Strom des nahegelegenen Kraftwerks, der eigentlich für die Stadt bestimmt ist. So müssen die Energiekosten der Stadt aktuell mit einem Generator gedeckt werden, der einen solchen Converter beinhaltet. Also nichts wie hin zu den Deserteuren, die natürlich gänzlich andere Interessen vertreten und am liebsten die ganze Stadt aus den Fängen der Corporation befreien wollen. Auf meiner Reise begleitet mich nun auch künftig die Mechanikerin Parvati Holcomb, die aber zwischen indoktrinierten Gehorsam zur Firma und Freiheitsbestreben hadert und sich noch nicht so recht für eine Seite entscheiden kann. Wie in Fallout 3 liegt nun das Schicksal einer ganzen Stadt in meiner Hand, wobei dieses Mal keine Atompilze zu den Ausgangsmöglichkeiten zählen.

Entscheidungen über Entscheidungen
##bild83307links##Mit der Entscheidung selbst habe ich aber auch noch etwas Zeit, denn beide Parteien schicken mich erstmal in besagtes Kraftwerk, das inzwischen von wild gewordenen Wachrobotern bevölkert wird. In diesem Dungeon werden sich viele Fallout-Spieler sofort heimisch fühlen, denn überall gibt es Gegner mit Loot, hackbare Computer und verschlossene Schränke und Tresore, die nur darauf warten geknackt zu werden. Zusammen mit meiner neuen Partnerin schieße ich mich durch den Dungeon, entdecke das ein oder andere kleine Geheimnis und stehe schließlich vor der großen Entscheidung, an wen ich die Gesamtkapazität der Einrichtung hinleiten soll: Zur Stadt oder zum provisorischen Flüchtlingscamp. Kurz vor knapp redet mir meine Begleiterin nochmal ins Gewissen und die endgültige Entscheidung wird getroffen. Resultierend daraus erhalte ich auf beiden Wegen meinen Converter, bin aber mit beiden Parteien am Ende besser oder schlechter gestellt. Womöglich habe ich während meiner Zeit auf dem fremden Planeten auch noch weitere Mitstreiter rekrutieren und zahlreiche Nebenquests abschließen können. Egal was ich auf Terra 2 anstelle, das nächste Ziel wird immer das Schwesterschiff des verunglückten Kolonietransporters Hope sein: Die Groundbreaker.

Genau nach diesem Prinzip wiederholen sich die Reisen auf die anderen (abgesehen vom letzten) Planeten des Sternensystems: Vor Ort hat ein Questgeber ein Problem und benötigt zur Lösung die Hilfe des Spielers. Während des Storyverlaufs gibt es oft Kontakt zur anderen Partei und Entscheidungen müssen getroffen werden um sich mit der einen Fraktion besser zu stellen und sich bei der anderen den Ruf zu vermiesen. Glücklicherweise haben die Entwickler aber auch meist zufriedenstellende Mittelwege ermöglicht, sodass man am Ende nicht immer einen Beteiligten komplett enttäuschen muss. Aber auch völlig andere Wege entpuppen sich: So kann man auf Terra 2 den Fabrikleiter noch vor dem Gespräch pulverisieren, Parvati als Begleiterin abstoßen und dennoch auf die richtige Fährte gelangen, da der Questgeber glücklicherweise bei seinem Ableben eine Schlüsselkarte zu einem Hinterzimmer fallen lässt, in dem ein Terminal über die Misere der Stadt und den verfügbaren Konverter berichtet. Wer mag, kann auch zuerst bei den Deserteuren vorbeischauen und dort die Quest beginnen oder aber er legt beide Lager in Asche und bekommt dann das technische Gerät hinterhergeworfen. Das funktioniert bei so gut wie jeder Storymission, bei kleineren Sidequests wird allerdings der Strang beendet, sobald relevante Charaktere sterben, und die Aufgabe in der Kategorie „Verbockt“ abgelegt, damit sich der Spieler auf ewig schämt.

Ach ja, da war noch die Technik…
##bild83319rechts##So gut und verzweigt auch die Story auch sein mag, ein paar Worte muss ich dann doch noch über das Gameplay und die Technik verlieren. Und besonders beim letzten Punkt glänzt die Switch-Version leider ganz und gar nicht: Die Grafik wirkt extrem verwaschen, unscharf und geradezu hässlich. Nach den ersten Minuten im Spiel hatte ich meine Probleme, die Motivation zum Weiterspielen aufrecht zu halten und mit dem Vergleichsvideo zur PC-Version, das ich euch unter dem Testbericht nochmal verlinkt habe, merkt man den gigantischen Unterschied zwischen den beiden Plattformumsetzungen. Unter besagtem Video verkündete ein Kommentarschreiber auch bereits, dass das Spiel unspielbar ist und an dieser Stelle muss ich dann doch entschieden widersprechen. Das Gameplay ist, abseits vom Aussehen, eins zu eins gleich und macht ordentlich Spaß. Die Performance ist besonders anfangs durchgehend flüssig (später wird es bei actionreichen Szenen schon etwas schwieriger) und es kommt nur selten zu Situationen, in denen mal Texturen und Objekte nachgeladen werden müssen, allerdings sehen diese eben auch nicht gerade ansehnlich aus. Was aber auch auffällt: Die einzelnen Welten und Dungeons sind wirklich klein, zumindest im Vergleich zu den Fallout-Titeln. Das ist wohl der Entwicklung geschuldet, da Obsidian während der Entwicklung in die Microsoft Studios eingegliedert wurde und zuvor nur wenige Mitarbeiter am Spiel arbeiteten. Später offenbarte man in Interviews, dass das Geld knapp wurde und so ein zügiger Release her musste. Dementsprechend hält sich auch der allgemeine Umfang des Spiels im Rahmen, auch wenn die ausgearbeiteten Questwege offenbaren, dass wohl erst in eine andere Richtung mit größeren Welten und mehr Inhalt geplant wurde. Auch die Musik hält sich leider sehr in Grenzen der Möglichkeiten und ist nach der Spielsession auch wieder schnell vergessen. Aber immerhin: Nervig ist sie nicht und deswegen dudelt sie lieber im Hintergrund vor sich hin.

Anders äußert sich die Sprachausgabe, die bei den zahlreichen NPCs und Dialogen sowohl umfangreich als auch qualitativ hochwertig ist. So macht es viel Laune, der englischen Vertonung zu lauschen. Leider wird die Freude hin und wieder durch Rechtschreib- und Grammatikfehler getrübt, die im Dialogsystem angezeigt werden. Ein wenig nervig kann auch die Limitierung der Speicherplätze sein, denn es darf nur auf zehn Slots gespeichert werden. Und auch die Ladezeiten schlagen aufs Gemüt, denn einmal nicht aufgepasst und gestorben, einen Save geladen oder ein neues Gebiet betreten und es heißt Pause! Durchschnittlich eine halbe Minute lädt die Switch vor sich hin und die immergleichen Ladebildchen tauchen auf dem Bildschirm auf während sich ein Ladeicon freudig dreht und hin und wieder kleine Tipps eingeblendet werden. Sind die Ladezeiten aber geschafft, kann meist ein größeres Gebiet erkundet werden und es gibt meist einiges zu looten, sogar innerhalb von Städten – die NPCs sind sehr unachtsam wenn es um ihre Habseligkeiten geht. Falls doch mal die Schusswaffe gezogen werden muss ermöglicht ein Zeitlupen-Modus den einfacheren Umgang mit dem Gamepad und damit die Shootermechanik. Gut ist sie leider nicht, denn oft wird es dann doch recht hektisch und lange hält die verlangsamte Zeit auch nicht an. Doch wer mag kann noch eine Zielhilfe und Bewegungssteuerung dazugeschaltet werden, was bei Shootern auf der Switch hoffentlich irgendwann Standard wird. Auch sonst lässt sich viel in den Einstellungen konfigurieren, vor allem was das UI betrifft. Alle Anzeigen können ein- und ausgeschaltet werden und auch die Schriftgröße lässt sich verändern, was unterwegs ein Segen ist. Auf barrierefreies Gaming kann man sich allerdings nicht freuen, Features wie einstellbare Farben für Farbenblinde gibt es leider nicht.

Fazit

Bei Switch-Spielen habe ich als Tester oft die Möglichkeit, dank der zahlreichen Portierungen die Originalversion zum Vergleich heranzuziehen und auch die Wertungen der anderen Magazine zu betrachten. Einerseits wird The Outer Worlds in den Reviews hochgelobt für das wiederbelebte Fallout-Feeling und die Komik, dass sich die Bewohner des Universums voll und ganz ihren jeweiligen Arbeitgebern verpflichten, andererseits ist die Kürze mit zwölf Stunden Spielzeit sowie den kleinen Levels und eben auch diese sich immer wiederholende flache und berechenbare Komik Grund für Kritik. Dem kann ich mich vollumfänglich anschließen, allerdings hat die Switch-Version leider noch weitere Probleme, die besonders die technische Ebene betreffen und dazu gehören besonders die lange Ladezeiten und die schwache Grafik. So muss man unangenehm lange warten, bis man auf eine Landschaft mit groben Texturen und laschen Beleuchtungseffekten losstürmen darf. Abseits davon bietet dieser Titel aber RPG- und auch Fallout-Fans alles was das Herz begehrt: Loot, Dialoge, Erfahrungspunkte und Entscheidungen. Egal ob man den schießwütigen Rebellen, den heroischen Neutralen oder den listigen Firmengesandten mimen will, jede Spielweise findet sich in diesem Genreableger wieder und bietet genug Inhalt für mehrere Spieldurchgänge. Da das Spiel verhältnismäßig kurz ist, sollte man aber generell abseits der Straße nach Nebenquests und kleinen Besonderheiten Ausschau halten, denn der geradlinige Weg ist in diesem Spiel nicht der Beste. Lobend hervorheben sollte man die Sprachausgabe, die gut durch die zahllosen Dialoge führt und einlädt mit den NPCs zu quatschen und Bindungen zu ihnen aufzubauen. Da diese leider dann doch recht flach und weniger vielschichtig geschrieben sind, halten diese Beziehungen leider nicht lange, aber stellenweise ergeben sich doch schöne Momente. Schlussendlich bleibt mir eines zu sagen: Die Switch-Version ist nicht die beste Option um das Spiel zu erleben, ich wäre wohl mit einer Version auf einer anderen Plattform deutlich glücklicher und schneller durchgekommen. Ganz anders hätte es wohl ausgesehen, wenn Cloudsaves den Austausch der Spielstände zwischen den Versionen ermöglicht hätten, so wie es bei Civilization VI der Fall ist um auch mobil weiterzocken zu können. Nach The Outer Worlds würde ich mich allerdings über eine Portierung der alten 2D- und 3D-Fallout-Titel freuen, denn dank ihrer technischen Limitierung könnte das erneute Erleben dieser Spiele eine echte Freude werden - grundsätzlich hat dieses Genre nämlich einen berechtigten Platz auf Nintendo Switch. Hat für dieses Spiel erstmals den Bad Guy raushängen lassen: Nicola Hahn [501.legion] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Private Division für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes

Wertung 63 / 100

Ein gutes Rollenspiel, dies allerdings vielmehr auf anderen Plattformen abseits der Nintendo Switch.

Pro

  • Ein recht flüssiges Sci Fi-Erlebnis…
  • Zahlreiche Gameplaywege für jede Spielart
  • Umfangreiche Dialoge und tolle Vertonung

Contra

  • …das durch eine zweckmäßige und unscharfe Grafik getrübt wird
  • Kurze Hauptstory sowie kleine Welten und Innenbereiche
  • Plumper Humor, der schnell vorhersehbar wird

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