Es war einmal das schlechteste Game Boy Advance-Spiel der PortableGaming-Testhistorie (Link). Ein Spiel, das dermaßen nachhaltige Spuren hinterließ, dass es als Inspiration für einen Nachfolger diente, den es leider nie gab (Link) – zumindest bis heute! Geschlagene 15 Jahre nach der fiktiven Fortsetzung ist das Lizenzspielfließband von Outright Games mit dem lang ersehnten Nachfolger des Spirit-Spiels am Start, der ungefähr so viel mit dem Vorgänger zu tun hat wie die dazugehörige Filmvorlage mit dessen Vorreiter aus dem Jahre 2002. Spirit: Luckys großes Abenteuer ist nämlich sowas wie eine Fortsetzung des aktuellen Kinostreifens Spirit: Frei und ungezähmt, das wiederum eine alternative Erzählung der TV-Serie Spirit: Wild und frei ist, die sich ihrerseits um einen entfernten Nachkommen des wilden Mustangs von damals dreht. Alle Klarheiten beseitigt? Gut, dann sind die idealen Bedingungen geschaffen um der Frage nachzugehen, ob das neue Spiel seinem legendären Erbe gerecht wird.
Lucky rettet die Wildpferde
##bild84379rechts##Also, was gibt es Hochspannendes zu tun? Titelheldin Lucky stolpert eines schönen Tages über eine Schatzkarte, die mit einem alten Gedicht ihrer verstorbenen Mutter zusammenhängt. Da lässt sich die aufgeweckte Dame natürlich nicht zweimal bitten und trommelt ihre Freundinnen Abigail und Pru zusammen, um den Schatz zu bergen! Und nebenbei den fiesen Hendricks hin und wieder in die Schranken zu weisen, der erneut ein profitgieriges Auge auf die lokalen Wildpferde geworfen hat. Im Prinzip fühlt sich die Erzählung in vielerlei Belangen wie eine TV-Episode an und fällt entsprechend kurz aus. In meinem Fall erreichte ich bereits nach weniger als drei Stunden das Ende. Wirklich hübsch präsentiert wird sie jedoch nicht, fallen die Dialogsequenzen doch beinahe durch die Bank weg sehr statisch aus und selbst Sprachausgabe gibt es nur vereinzelt. Häufig sind nur die ersten paar Sätze von Lucky deutsch vertont, bevor Stille einsetzt. Da hätte man sich die Mühe im Prinzip auch gleich sparen können.
Luckys großes Abenteuer versteht sich als eine Art Open-World-Spiel. Soll heißen: Ihr könnt die einigermaßen weitläufige Landschaft frei erkunden, gewisse Bereiche werden jedoch erst im Laufe des Handlungsfortschritts zugänglich. Wirklich viel von Interesse bietet die ländliche Umgebung des Städtchens Miradero jedoch nicht. Hier und da mag vielleicht ein Kleidungsstück verborgen sein, das sich nach Bewältigung supersimpler Klettereinlagen einsacken lässt, an anderer Stelle kann lokales Wildleben für das virtuelle Fotoalbum abgelichtet werden. Wirklich mehr freie Aktivitäten bietet die Wildnis nicht. Dafür sind zumindest eine ganze Reihe an Nebenaufgaben von den Bewohnern Miraderos am Start, die allerdings auch häufig in einfache Lieferaufträge mit seltenen Minigames wie etwa Wettrennen münden – das ermüdet sehr schnell.
Schritt für Schritt und bloß keine Eile
##bild84382links##Das wäre alles nicht so schlimm und als Beschäftigungstherapie brauchbar, wenn die Questerei nicht so unheimlich frustrierend wäre. Egal ob Nebenmission oder Storyauftrag: Die Navigation zum Ziel erfolgt über den Kompass am oberen Bildschirmrand. Eine Umgebungskarte gibt es zwar auch, diese markiert jedoch höchstens relevante NPCs. Zudem zeigt der Kompass nie direkt auf euer Reiseziel, sondern unterteilt die abzulaufende Route in separate Zielpunkte, von denen euch nur der jeweils nächstgelegene anzeigt wird. Findet sich der gesuchte Questgegenstand somit am wortwörtlichen anderen Ende der Karte, wisst ihr das erst, wenn ihr nach fünfminütigem Ausritt dort angekommen seid. Die an sich löbliche Schnellreisefunktion erspart euch damit eigentlich nichts, sofern ihr nicht auf übersinnliche Weise vorab feststellen könnt, wo zum Henker die Bärenbeeren sind. Dass mich speziell das letzte Storyfünftel mehrmals die selbe Route entlangschickte und die Schnellreisepunkte ohnehin teils viel zu abgelegen positioniert sind, um auch nur ansatzweise praktisch zu werden, stieß mir besonders sauer auf. Oh, und kommt ja nicht auf die Idee, das Spiel nach langen Märschen durch die Landschaft beenden zu wollen! Lucky wird nämlich bei jedem Neuladen des Spielstandes zum Pferdestall ihrer Familie zurückteleportiert, weswegen ich – wieder einmal – von einem Ende der Karte zum anderen galoppieren durfte.
Und das kann mit der beizeiten hakeligen Steuerung schon mal in Kopfschmerzen enden. Lucky selbst lenkt sich dabei noch recht eingängig, lediglich ihre verzögerte Sprungreaktion macht die seltenen Hüpfeinlagen etwas unangenehm. Die meiste Zeit verbringt ihr jedoch auf dem Rücken ihres wilden Pferdefreundes Spirit (Ach ja, der eigentliche Titelheld!), dessen Lenkung gerne mal unangenehm ausfällt. Nur zu gern bleibt der Nachkomme des wilden Mustangs in halbwegs engen Passagen an unsichtbaren Kanten hängen, manchmal hatte ich sogar das Gefühl, ihn wie ein Auto mit Reifenpanne bewegungsunfähig in die Landschaft manövriert zu haben. Immerhin verfügt Spirit über die Teleportationsfähigkeit von Videospielpferdekollege Plötze und kann mit einem Pfiff zurück an Luckys Seite – und somit in die Freiheit – gerufen werden. Den Frust hätte ich mir trotzdem gern gespart. Stichwort „sparen“: Auch dass das Ross mit der Zeit dreckig wird und damit die Sprintanzeige so lange eingeschränkt wird, bis man Spirit im Stall mit einer hakeligen Bürstensteuerung schrubbt, nervt mehr als es unterhält.
Diashow auf dem Lande
##bild84385rechts##Wir fassen also zusammen: Spielerisch hat Luckys großes Abenteuer praktisch nichts von Wert auf dem Kasten. Aber sicherlich überzeugt doch die technische Seite der Schatzsuche! Das mag auf PS4 und Konsorten eingeschränkt stimmen, die Switch-Version leidet hingegen an diversen Technik-Macken. Dass die Grafikdetails für die schwächere Hardware runtergeschraubt werden müssen: Geschenkt. Dass es trotz matschiger Umgebungstexturen, weniger Grasflächen und diversen Animationsfehlern immer noch ruckelt wie die Seuche, ist hingegen unverständlicher. Zumal Titel der Marke Zelda: Breath of the Wild ein ähnliches Gesamtbild bieten wie das PS4-Gegenstück von Spirit und dabei bedeutend runder laufen.