The Cruel King and the Great Hero

##bild85033rechts##Wie ist das so, wenn man unter der Obhut eines Drachen aufwächst? Und nicht nur irgendeines Drachens, sondern des Drachenkönigs, der über eine ganze Schar von Monstern herrscht? Und um die ganze Sache noch komplizierter zu machen: Was wenn ihr selbst die Tochter eines legendären Helden wärt? Das ist die Lage, mit der sich The Cruel King and the Great Hero beschäftigt – ein beschauliches kleines Rollenspiel aus dem Hause Nippon Ichi, genauer gesagt der Leitung hinter The Liar Princess and the Blind Prince. Dies macht sich allem voran im Grafikstil bemerkbar, inhaltlich erwartet euch jedoch ein komplett eigenständiges Abenteuer. The Cruel King and the Great Hero spinnt ein eigenes, unterhaltsames Garn, das mich schon nach wenigen Minuten verzauberte. Der Sicherheit halber: Ich versuche zwar, Spoiler nach bestem Gewissen zu vermeiden, da das Spiel jedoch insgesamt zu der kürzeren Sorte gehört und manche mit möglichst wenig Vorwissen einsteigen möchten, kann sich eventuell das ein oder andere Detail noch in den folgenden Text gemogelt haben. Tiefgreifende Details aus der fortlaufenden Handlung verrate ich aber selbstverständlich nicht.

Kleine Heldin auf großer Reise
Yuu heißt das kleine Mädchen, das vom Drachenkönig großgezogen wird. Durch Geschichten von Heldentaten ihres Vaters angetrieben möchte auch Yuu zur großen Heldin werden – ein Vorhaben, das Papa Drache sogar unterstützt. Und so darf sie sich eines Tages gewappnet mit einem Topf als Helm und einem Stock als Schwert aufmachen, um erstmals ganz allein bis zum Dorf der Monster im Zentrum der erkennbaren Welt zu reisen. Spielerisch verläuft die Reise dabei eingängig und simpel: Die Weltkarte ist in mehrere gradlinige Räume aufgeteilt, durch die ihr euch entweder langsamen Schrittes oder – wenn entweder die Gegend sicher oder Yuu bedeutend stärker als die Gegner ist – fröhlich laufend bewegt und hin und wieder Schatztruhen öffnet oder kleine Seitenpfade erkundet. Gelegentlich möchten zum Fortschritt auch kleinere Aufgaben erledigt werden, bevor ihr weiterziehen dürft. Um etwa einen heftigen Wintersturm zu überstehen, benötigt ihr zunächst etwas, um euch warmzuhalten. Dank eines guten Questlogs und deutlicher Fortschrittsmarker auf der Weltkarte verlief ich mich auf meiner Reise jedoch praktisch nie. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass die Wanderung durch die Welt beizeiten schon mal etwas eintönig wurde, weil man eben doch durch reichlich gleichartig aussehenden Korridore läuft. Daher ist es auch nicht verkehrt, dass die Hauptgeschichte mit gut 10 bis 15 Stunden vergleichsweise kompakt für ein Rollenspiel ausfällt.

##bild85037links##Damit ihr nicht ganz einschlaft, gibt es auf der Reise natürlich reichlich Feinde, die sich Yuu in den Weg stellen. Diese tauchen zufällig auf und werden in rundenbasierten Kämpfen in die Knie gezwungen. Yuu ist dabei über weite Strecken mit einem Partner-Charakter wie dem kleinen Fuchskind Rocky unterwegs, Aktionen beider Akteure müssen zu Beginn einer jeden Runde eingegeben werden. Danach bestimmt der Geschwindigkeitswert aller Teilnehmer, in welcher Reihenfolge angegriffen wird. Bestimmte Manöver wie Yuus Sturmhieb erlauben es euch, schneller zum Zuge zu kommen, andere sind wiederum gegen Gruppen in gewissen Aufstellungen effektiv. Flächenangriffe mit unterschiedlichen Trefferzonen gibt es nämlich auch. Und bei all dem muss bedacht werden, dass Yuu und ihre Begleiter nur über begrenzte Ausdauer für Spezialangriffe verfügen, die sich erst über mehrere Runden hinweg wieder aufladen muss, bevor sie ihre mächtigsten Angriffe erneut entfesseln dürfen. Dadurch wurden mir die Kämpfe nie langweilig, auch wenn sich mit der Zeit natürlich ein gewisser Rhythmus einstellt. Doch sitzt der erst einmal, kommt plötzlich eine neue Feindgruppierung, für die man wieder umdenken muss. Lediglich die Bossgefechte zogen sich für meinen Geschmack teilweise etwas zu sehr, doch das ist ein verkraftbares Manko. Vom Schwierigkeitsgrad her bleibt The Cruel King and the Great Hero zudem eher einsteigerfreundlich.

Helfen ist der Heldin Pflicht
Übrigens braucht ihr euch angesichts der überschaubaren Spielzeit für die Geschichte nicht darum sorgen, dass wenig an dem Rollenspiel dran ist. Genretypisch gibt es mehrere Nebenquests, hier „Yuus gute Taten“ genannt, in denen ihr den freundlicher gesinnten Monstern der Welt aushelft. An einer Stelle fragt ein Weberpärchen nach geeignetem Material, anderorts möchte ein Gourmet mit seltenen Köstlichkeiten versorgt werden, wieder andere Aufgaben spannen einen ambitionierten Erfinder ein. Dabei handelt es sich im Prinzip „nur“ um die üblichen Sammelaufgaben, wie man sie von zig RPGs bereits kennt, doch sie geben euch weitere Einblicke in das Leben der Bevölkerung – und das nicht nur im zentralen Dorf, sondern auch in anderen Ecken der Welt.

##bild85034rechts##Am meisten begeisterte mich bei The Cruel King and the Great Hero jedoch zweifelsohne die Atmosphäre. Das Rollenspiel wird wie ein spielbares Märchen erzählt, komplett mit einer sanften Erzählstimme, die sich bei wichtigen Ereignissen zu Wort meldet. Besagte Zwischensequenzen erinnern ebenfalls an Märchenbücher und erscheinen manchmal als vollständig kolorierte Standbilder, manchmal aber auch als gröbere Skizzen – in jedem Fall aber stets zur aktuellen Lage passend. Der gezeichnet wirkende Stil überträgt sich natürlich auch in die eigentlichen Gameplay-Abschnitte, die mit massig Umgebungsdetails aufwarten und trotz ihrer leider abwechslungsarmen Varianten innerhalb eines Gebiets wunderschön anzusehen sind. Ein Detail, in das ich mich sofort verliebt habe: Auch wenn Yuu allein durch die Welt ziehen soll, kann Papa Drache seine Sorge nicht ganz abschütteln und begleitet seine Ziehtochter im Hintergrund. Für bestimmte Aktionen wie beispielsweise Yuus Feuerschwert-Attacke hilft der König sogar aktiv aus, ohne dass die Kleine etwas merkt. Dabei ging mir regelrecht das Herz auf. Schade ist bei all der Lieblichkeit natürlich, dass sich das Spiel zwar stilistisch mitunter an ein jüngeres Publikum richtet, jedoch nur englische Texte zu gelegentlicher japanischer Sprachausgabe bietet.

Fazit

The Cruel King and the Great Hero verzauberte mich bereits bei Ankündigung durch seine Prämisse, die eine bewegende Geschichte vermuten lässt. Und genau die habe ich auch bekommen. Allein der Einstieg mit Yuus ersten Schritten als aufstrebende Heldin, stets unter den wachsamen Augen ihres Ziehvaters, empfand ich als herzallerliebst. Wenn etwa Yuu im Kampf ihr Schwert emporhält, um die Klinge mit magischem Feuer zu versehen und ihr Papa aus dem Hintergrund für das tatsächliche Feuer sorgt, kommt das Verhältnis der beiden richtig gut zur Geltung. Und auch die vielen Freundschaften, die Yuu mit den teils ziemlich exzentrischen Monstern des Fantasyreiches schließt, motivierten mich auf meiner Reise stark. So sehr, dass ich trotz der leider recht eintönig aufgebauten Gebiete die vielen Nebenaufgaben doch bewältigte, einfach weil ich mehr von der Welt sehen wollte. Dank freischaltbarer Features wie Schnellreisepunkte oder Gegenstände, die Kämpfe mit schwachen Gegnern komplett unterbinden, werden die Märsche zudem zumindest etwas angenehmer. Die Gefechte selbst machten mir im Handlungsverlauf jedoch durchweg Laune, sind sie doch trotz überschaubarer Aktionsmöglichkeiten durchweg gut aufgezogen. Wenn man erst einmal eine Taktik parat hat, stellt sich ein angenehmer Aktionsrhythmus ein. Dass die Hauptgeschichte mit um die 10 bis 15 Stunden recht kurz ausfällt, kann natürlich ein Manko sein, auf diese Weise fühlte sich die kleine Erzählung für mich jedoch auch nicht unnötig langgezogen an. Wenn ihr also Lust auf ein liebliches Rollenspiel mit einem niedlichen Vater-Tochter-Gespann habt und sich euer Herz für Märchen noch erwärmen kann, solltet ihr euch in The Cruel King and the Great Hero definitiv reinlesen. Märchenonkel: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Koch Media für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 4 / 5

Bewegendes Fantasy-Märchen mit bildhübschen Umgebungen, vielfältigen Figuren und vielen niedlichen Details.

Pro

  • Charmante Märchenerzählung
  • Reichlich Nebenaufgaben
  • Einsteigerfreundliche Kämpfe, ohne komplett zu unterfordern

Contra

  • Langwierige Korridor-Märsche
  • Keine deutsche Übersetzung

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