Wer mit großer Maschinerie in den Kampf zieht, der sollte im Angesicht der gerne überkompliziert dargestellten Schalter- und Hebelansammlungen im Cockpit einen kühlen Kopf bewahren können. Doch was wäre, wenn man stattdessen bunte Steinchen zu navigieren hat? Und das auch noch, während man ständig ein Auge auf den Status seiner Systeme, die des Gegners und die eigenen Ressourcen hat? Dann erhält man eine äußerst packende Knobelei namens Ironcast, bei der man an Bord eines der titelgebenden Metalltitanen das viktorianische London vor Invasoren aus Frankreich verteidigt. Dass sich das lohnt, habe ich bereits nach der ersten Partie feststellen dürfen.
Stapfende Stahlgiganten im Dienste der Königin
##bild74451links##Moment, viktorianisches London und Mechs? Ganz genau! Ironcast spielt in einem alternativen 1886 und dreht sich um einfallende Mächte aus Frankreich, denen ihr als tapferer Ironcast-Pilot unter der Leitung der als Turmspitze (oder The Spire; die deutschen Texte sind sich da leider nicht immer ganz einig) bekannten Missionsführung die Stirn bietet. Zu Beginn steht uns dazu nur ein Charakter und ein Laufpanzer zur Verfügung, mit der Zeit können jedoch weitere freigespielt werden, mit denen sich zukünftige Anläufe anders angehen lassen. So ist der Start-Ironcast ein solider Allrounder, der mit fest installierten Raketensalven als Spezialfähigkeit aufwartet, während das Warwick-Modell mit starker Offensive und Defensive glänzt, dafür aber beim Energie-Management zu wünschen übrig lässt. Die Kombination aus Pilot und Maschine will wohlüberlegt sein, ist sie doch für die fortwährende Entwicklung eures Kriegsgeräts von entscheidender Bedeutung – und auch bei der Wahl eurer Aufträge sollte man stets die eigenen Fähigkeiten im Blick haben.
Jede Partie besteht aus zwei sich wiederholenden Phasen. Zunächst bereitet ihr euch in vielen kleineren Missionen vor, wobei ihr pro Runde aus bis zu drei Aufträgen auswählen könnt. Da diese unterschiedliche Geldmittel, Kriegsressourcen und Erfahrungspunkte ausschütten, will die Wahl den aktuellen Ansprüchen gemäß wohlüberlegt sein. Ist die Mission erst einmal gestartet, geht es direkt aufs Steinchen-Brett, wo uns zahlreiche bunte Versorgungsknoten erwarten. Diese gilt es nun, möglichst klug aufzulösen und so zu unseren verfügbaren Ressourcen hinzuzufügen – mindestens zwei gleichfarbige Steine müssen dazu verbunden werden. Mit violetten Munitions-Icons lassen sich dabei etwa die Waffensysteme nutzen, während blaue Kühlknoten dafür sorgen, dass die Maschine sich durch die im Betrieb anfallende Hitze nicht selbst beschädigt. Dabei ist durchaus Taktik gefragt, gerade wenn es nicht um die blinde Zerstörung eures Gegners geht. Manche Aufträge erfordern etwa das schiere Überleben über mehrere Züge oder das Sicherstellen von auf dem Brett untergebrachten Versorgungskisten. Da die Kapazitäten eures Ironcasts begrenzt sind und ihr pro Spielzug zwei Steine-Kombinationen durchführen dürft, kann es sich zudem manchmal lohnen, nicht gleich direkt die größtmögliche Kette durchzuziehen, sondern sich sein Material aufzusparen. Leider fühlen sich die Szenarien trotz ihrer Varianten ziemlich gleichförmig an, was auf Dauer etwas eintönig wirkt.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
##bild74450rechts##Der angenehmen Lernkurve ist es zu verdanken, dass ihr euch in der ersten Phase nicht zu sehr davon überfordert fühlt und fleißig im Level aufsteigt. Jeder höhere Rang gewährt euch dabei Zugriff auf eine von drei zufällig ausgewählten Fähigkeiten – darunter Kühlkosten-Reduktionen, Schildverstärker oder Knotenumwandler. Das läuft so lange rund, bis es an den Boss geht. Nach einer festen Anzahl von Missionen wird nämlich ein ziemlich kniffliger Bosskampf gestartet, der beim ersten Anlauf mit aller Wahrscheinlichkeit in eurer Niederlage endet. Und da sich Ironcast als Roguelite versteht, bedeutet dies auch das endgültige Aus eurer Kampagne. Ganz ohne Lohn geht ihr aber nicht heraus: Eure erbeuteten Erfahrungspunkte werden in Abzeichen umgerechnet, mit denen sich wiederum neue Charaktere, Ironcasts, Fähigkeiten und sogar permanente Upgrades freischalten lassen. All dies sorgt dafür, dass man selbst nach dem unrühmlichen Ende einen erfreulichen Fortschritt verzeichnet und im nächsten Anlauf vielleicht die Ironcast-Skills erhält, mit denen man dem Chefgegner ein Schnippchen schlagen kann.
Was ich Ironcast hoch anrechnen muss, ist das Gefühl, trotz der eher überschaubaren Bedienoberfläche doch einen mächtigen Mech zu steuern. Die Tastenbelegung im Joy-Con-Betrieb ist eingängig und dank gelungener HD-Rumble-Nutzung spürt man die Rüttler einer jeden Aktion des Kolosses. Die Knotenführung mit dem Analogstick funktioniert jedoch gerade bei diagonalen Eingaben eher mäßig und auch die Menüs sind aufgrund des Cursor-Einsatzes eindeutig auf Touchscreen-Eingaben ausgelegt. Zum Glück ist eine solche Steuerungsmethode für den Handheld-Modus direkt mit dabei.