Don’t Knock Twice

Rollenspiele, Rennspiele, Jump ’n‘ Runs und tonnenweise Titel aus der ACA NeoGeo-Reihe: Die Vielfalt ist mittlerweile im eShop der Nintendo Switch angekommen. Kürzlich gab Nintendo bekannt, dass es nun schon über 200 Titel verschiedenster Genres in den eShop geschafft haben. Ein bestimmtes Genre ist aber noch immer arg unterversorgt. Die Rede ist von der Welt des Horrors. Die einzigen Titel, die bislang zumindest ein wenig brutal oder schaurig sind, sind The Binding of Isaac: Afterbirth+ und der martialische Plattformer Butcher. Da geht doch mit Sicherheit mehr! Gut, dass vor kurzem auch der erste waschechte Horrortitel für die Nintendo Switch veröffentlicht wurde. Die Rede ist von Don’t Knock Twice aus dem Hause Wales Interactive. Haben wir es hier mit der ersehnten Horror-Offenbarung zu tun oder handelt es sich dabei schlichtweg um heiße Luft? Die Antwort findet ihr im folgenden Kurztest.

Eine Rabenmutter und eine Hexe
##bild75874rechts##Habt ihr schon Mal von der bösen Hexe Baba Jaga gehört? Falls nicht, hier ein kleiner Ausflug in die slawische Mythologie: Es war einmal eine Frau, die in ihrem Umfeld nicht gerade beliebt war und nicht nur gemieden, sondern auch mutwillig getriezt wurde. Auch zahlreiche Kinder machten sich einen Spaß daraus, an der Tür der Dame zu klopfen, die sich eigentlich schon immer ein Kind wünschte. Mit zunehmendem Alter zog sie sich dann aus der Gesellschaft zurück und ging in ihrer Verzweiflung und im Verlangen, ein Kind zu haben, einen Pakt mit dem Dämon Baba Jaga ein. Fortan sollten alle Kinder, die es wagten, an die Tür der Hexe zu klopfen, ihr Eigen werden. So in etwa lautet die Erzählung rund um die böse Hexe, die Kinder noch heute als Abschreckung erzählt wird.

In Don’t Knock Twice geht es aber primär um eine scheinbar alleinstehende Mutter, die zur Zeit der Geburt ihrer Tochter noch stark drogenabhängig war. Zum Schutz des Kindes gab sie dieses und das Sorgerecht an den Staat ab. Das Spiel beginnt aber in einer Zeit, in der die Mutter Jess ihre Sucht überwunden hat und sich mit künstlerischer Arbeit ablenkt. Auch ihre Tochter wohnt derweil wieder unterm selben Dach, wenngleich das Verhältnis ein wenig gestört ist. Klingt ja erst mal nicht so schlimm, wie der Zufall es so will hat besagte Tochter namens Chloe aber in ihrem jugendlichen Leichtsinn ein dämonischen Ritual gestartet und so aus Versehen die vom Damönen besessene Hexe Baba Jaga heraufbeschworen. Entsprechend dem Mythos versucht die Hexe nun, Chloe zu entführen.

Vielversprechender Plot, aber reicht das?
##bild75870links##Das Konstrukt rund um die slawische Horrogeschichte und das gestörte Mutter-Kind-Verhältnis klingt zunächst nach astreinem Horrormaterial. Die an sich schicke Optik und der atmosphärische Sound gepaart mit fiesen Jumpscares schaffen es auch immer wieder, Gänsehaut und gar Nervosität in mir wachzurufen, doch leider stört die Technik des Spiels an allen Ecken und Ecken. Wie bereits gesagt ist die Optik nicht übel für Switch-Verhältnisse. Doch leider wurde die Software in einem ebenso schauderhaften Zustand veröffentlicht. Schon in den ersten Minuten des Spiels wird man – ob im Handheld- oder im TV-Modus – von grauenerregenden Rucklern erschreckt.

Weiter geht es mit dem Gameplay. Man spielt aus der Ego-Perspektive der Mutter und muss versuchen, die Tochter vor den Fängen der Hexe zu schützen. Dabei erkundet man das gesamte Anwesen der Kleinfamilie, inklusive alten Gemäuern im Anbau. Insgesamt ist das Spielgebiet aber doch recht übersichtlich. Im Laufe der Geschichte stolpert man über allerlei gescriptete Events, die einen mit kleinen, aber ausreichend eindeutigen Hinweisen versorgt. So watschelt man quasi trotz frei begehbaren Hauses im Prinzip doch sehr linear durch die dunklen Flure. Dabei muss man sich immer wieder mit der grausamen Bedienung auseinandersetzen. Mit allen vier Schultertasten kann man so etwa bestimmte Gegenstände aufheben, sich diese genauer ansehen oder den Text darauf durchlesen. Dadurch erschließt man sich unter anderem Stück für Stück die Hintergrundgeschichte und den weiteren Spielweg. Das funktioniert aber eher schlecht als recht, da auch das Hinhocken und Öffnen von Türen sowie die Handhabung der meisten Gegenstände nur sehr hakelig funktioniert. Wirklich befriedigend fühlt das Gameplay von Don’t Knock Twice also zu keiner Zeit an.

##bild75871rechts##Auch an den Einstellungen muss man zunächst etwas schrauben, um das Spiel überhaupt ein wenig genießen zu können. Mit den Voreinstellungen und der äußerst leuchtschwachen Kerze, die uns über große Strecken des Spiels begleitet, sieht man nämlich so gut wie gar nichts. Also erstmal gepflegt den Gamma- und Helligkeitswert ein wenig sowie den Hock- und Rennmodus angepasst, was noch etwas weiteren Komfort aus der verkorksten Steuerung herausholt. Hat man sich mit den Macken des Spiels erst einmal arrangiert, kann es auch schon losgehen. Um die Tochter zu finden, muss man einige Gegenstände im Haus ausfindig machen, die zum erneuten Vollführen des Rituals notwendig sind. Dabei fühlt man sich alles in allem zwar stets etwas beklemmt, aber nie wirklich in Gefahr. Der Horror wird also ausschließlich über gescriptete Jumpscare-Events erzeugt. Das kommt zwar schaurig rüber, man kann den Spuk aber nicht selten auch getrost meiden oder sogar versehentlich übersehen. Nach nicht einmal zwei Stunden (!) hat man dann auch schon alles gesehen… Noch Fragen?

Fazit

Als ich den ersten schaurig anmutenden Titel im eShop der Switch erspäht habe, war die Vorfreude groß. Auch das Bildmaterial von Don't Knock Twice sah sehr vielversprechend aus. Die grausame Technik, viele Clipping- und Soundbugs, sowie die stets merklich niedrige Framerate stören das nicht einmal zwei Stunden lange „Abenteuer“ aber ungemein. Dafür knapp 13 Euro aufzurufen ist fast schon gruseliger als das Spiel selbst. Immerhin kann man derzeit im Halloween-Sale für knapp 10 Euro zuschlagen – was ich wohlgemerkt nach aktuellem Stand niemandem empfehle, der nicht auf eine herbe Enttäuschung aus ist. Haben die Jungs und Mädels von Wales Interactive per Update ein wenig am technischen Gerüst geschraubt, kann man über die kurze Spielzeit dank des an sich recht interessanten Plots vielleicht drüber hinwegsehen. Kurz nach der Veröffentlichung befand sich das Spiel übrigens eine Weile lang ziemlich weiter oben in den eShop-Charts. Offenbar bin ich nicht der einzige, der in die Falle der Hexe Baba Jaga getappt ist und verschmaust wurde… Da kann man nur hoffen, dass kommende Horrortitel wie das vielversprechende Hollow oder Perception in einem besseren Zustand veröffentlicht werden. Hat noch immer panische Angst vor Bildwiederholraten unter 30 FPS: Sebastian Mauch [Paneka] für PlanetSwitch.de

Wertung 1 / 5

Plot mit Potenzial, aber grausamem technischen Gerüst. Da wäre mehr gegangen!

Pro

  • An sich tolle Grafiken…
  • Plot um drogensüchtige Mutter und Hexe Baba Jaga macht neugierig
  • Atmosphärischer Sound

Contra

  • …die leider durch die Bank weg ruckeln
  • Sperriges Gameplay und Bugs
  • Nach nicht mal zwei Stunden ist Schluss

To top