Disgaea 1 Complete

##bild80653rechts##Das allererste Disgaea-Spiel gehört ohnehin bereits zu den meistumgesetzten Spielen von Nippon Ichi Software. Was ist da also noch ein weiterer Port unter Freunden? Das in Japan ursprünglich mit dem Untertitel Refine versehene Disgaea 1 Complete will den optisch arg angestaubten Titel, der selbst im PS2-Original schon technisch veraltet aussah, auf den Stand von Disgaea 5 (zum Test) bringen und dabei auch zumindest kleinere Verbesserungen sowie sämtliche bisherigen Extras vorheriger Versionen bieten. Das Ergebnis ist ein nach wie vor schön schräges Strategie-Rollenspiel mit reichlich Stoff zum Feintuning, das unterm Strich jedoch leider hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Was genau ich damit meine, erkläre ich euch im Folgenden.

Dämonischer Langschläfer
Doch zunächst einmal: Worum geht es hier eigentlich? Disgaea erzählt die Geschichte von Laharl, seines Zeichens Sohn des Netherworld-Overlords Krichevskoy. Oder eher „ehemaligen Netherworld-Overlords“, denn der werte Papa hat während des zweijährigen Nickerchens des blauhaarigen Satansbratens unschönerweise den Löffel abgegeben und somit einen großen Streit um den Thron ausgelöst. Ein Streit, bei dem Laharl auch ein Wörtchen mitzureden hat. Gemeinsam mit seiner neuen Vasallin Etna, die ihn freundlicherweise mit diversen Mordwerkzeugen aus dem Schlaf geholt hat und auch sonst irgendwas im Schilde zu führen scheint, sowie einer Vielzahl weiterer seltsamer Gestalten zieht der Prinz los, um sein Geburtsrecht einzufordern. Eine äußerst umfassende Geschichte, für deren vollen Genuss ihr jedoch die englische Sprache beherrschen müsst. Auch in dieser Neuauflage von Disgaea hat man abermals darauf verzichtet, dem Spielchen deutsche Texte zu gönnen.

##bild80650links##Jedenfalls ist aller Anfang schwer, denn gerade erst aus dem jahrelangen Tiefschlaf aufgewacht, haben die Diener des einstigen Königs glatt vergessen, dass der werte Prinz überhaupt existiert. Entsprechend klein ist seine Armee – der aktive Kämpferstab besteht gerade mal aus Etna und Laharl selbst sowie einem Dreiertrupp pinguinartiger Prinnys. Nach ein paar einweisenden Stufen geht es daher direkt zum dunklen Versammlungsrat, wo im Kampf erbeutetes Mana in gehorsame Kämpfer umgewandelt wird. Zunächst sind die Klassen hier überschaubar: Mit traditionellen Schwertschwinger über Magier in drei Element-Geschmacksrichtungen bis hin zu Heilern sind nur die Basis-Bedürfnisse gedeckt. Durch das stetige Trainieren dieser Rekruten und etwas Lobbyarbeit – dazu später mehr – steigt die Auswahl im Spielverlauf jedoch an. Wesentlich einfacher sind neue Monster zu rekrutieren, die dafür leider auch deutlich unflexibler im Charakteraufbau sind als ihre humanoiden Kollegen. In jedem Fall wird nach der Klassenwahl noch ein wenig an den Start-Werten gefeilt, ein schmissiger Name ausgedacht und dann ist unser neuer Gefährte bereit für die Schlacht! Sobald er vorher noch beim im Schloss direkt einquartierten Händler mit solider Startausrüstung versorgt wurde.

Die Kunst der Klopperei
In dem Kämpfen zeigen sich weitere Grundsteine des Disgaea-Spielprinzips: Der Spieler und die gegnerische Einheitenschar ziehen abwechselnd, wobei pro Zug alle Einheiten über das Feld bewegt werden können. Der Kniff hierbei liegt in der Aktionsreihenfolge. So schlagen eure Truppen nach Eingabe des Angriffsbefehls nicht direkt zu, sondern erlauben euch weitere Vorbereitungen. So könnt ihr direkt weitere Kameraden um den Kontrahenten versammeln, um sie alle zusammen auf ihn einprügeln zu lassen. Auf diese Weise zusammengestellte Kombos werden mit einem kleinen Schadensbonus belohnt. Ferner lassen sich auch nach dem Ausführungs-Befehl andere Aktionen wie die Bewegung von Einheiten oder gar weitere Angriffsbefehle für in diesem Zug noch unbeschäftigte Figuren durchführen. Etwas unkomfortabel hierbei: Wollt ihr ein Kommando abbrechen, wird auch die eventuell vorher durchgeführte Bewegungs-Aktion zurückgesetzt. Außerdem können sich Charaktere, deren Ziel bei einem Ketten-Angriff schon vor ihrem Einschreiten das Zeitliche gesegnet hat, in der selben Runde kein neues Ziel aussuchen. Beides Elemente, die in Disgaea 5 Complete deutlich besser gelöst wurden.

##bild80654rechts##Tatsächlich sind die rundenbasierten Scharmützel gerade in der Anfangsphase vergleichsweise knifflig, fehlen euch doch die Optionen und Finanzen zum Aufbau eurer Truppe. Also müssen die Karten tatsächlich taktisch gespielt werden, was mitunter auch die Nutzung der Umgebung mit einschließt. Diverse Areale sind nämlich mit als Geo-Felder betitelten, farbigen Quadraten übersät. Diese lassen sich mit speziellen Steinen manipulieren und so mit diversen Effekten versehen – von der Gegnerstärkung über den Erfahrungsgewinnungs-Schub bis hin zur Heraufbeschwörung von Klon-Charakteren ist alles dabei. Wer keinen Bock auf diese Feld-Boni hat, kann die dazugehörigen Geo-Steine auch zerstören und so Farbwechsel der Bodenplatten provozieren, die in verheerenden Kettenreaktionen enden können. Allerdings macht die Farbenexplosion keine Unterscheidung zwischen Freund und Feind – eigene Truppen sollten entsprechend aufgestellt werden.

Ratlos im Königshaus
Wenn Taktik allein nicht genügt, muss die Mannschaft irgendwie aufgebaut werden. Zu diesem Zweck bietet Disgaea die altbekannte Item World – eine Reihe von zufallsgenerierten Karten, durch deren Abschluss ihr eure Gegenstände stärken könnt. Somit werden einfache Genesungsgegenstände potenter oder – ganz besonders wichtig – Waffen und Rüstungen robuster. Natürlich werden auch die Feinde in diesen Arealen stärker, je mächtiger das aufzulevelnde Objekt ist. Auf der anderen Seite lassen sich auf diese Weise sowohl eure Items als auch eure Charaktere selbst stärken. Man schlägt im Prinzip zwei Fliegen mit einer Klappe! Ärgerlich hierbei: Anders als bei allen Disgaea-Spielen ab Teil 2 erhalten Unterstützer-Klassen für Stärkungszauber und Heilmagie keinerlei Erfahrungspunkte. Sie müssen also ihre Hände mit Blut beflecken, wenn sie stärker werden wollen. Das hätte man in der HD-Version durchaus korrigieren können! Für die Bonus-Missionen nach Spielabschluss ist eine derartige Fleißarbeit übrigens unumgänglich, für die Hauptgeschichte reicht hingegen ein gelegentlicher Besuch in der Grind-Hölle. Der Kern-Handlungsstrang ist weitestgehend so aufgebaut, dass ihr ihn mit der richtigen Strategie auch so knacken könnt.

##bild80651links##Und wenn auch das nichts bringt, könnte sich ein Besuch beim dunklen Versammlungsrat lohnen. Hier lassen sich nicht nur, wie zuvor erwähnt, neue Kämpfer rekrutieren, sondern auch andere Vorteile freilegen – beispielsweise qualitativ hochwertigere Gegenstände in den Shops, Erfahrungsboni, neue Charakterklassen oder gar ganz besondere Einheiten. Leider ist es in diesem Fall nicht mit der Bezahlung der Mana-Steuer allein getan: Der von NPC-Senatoren geleitete Rat stimmt anschließend ab, ob man eurem Gesuch stattgibt. In der Regel sind diese natürlich eher widerspenstig, ganz wie es sich für Dämonen gehört. Mit kleinen Geschenken lässt sich die Stimmung zu euren Gunsten wenden, doch die dafür nötigen Gegenstände müssen sich in eurem begrenzten Inventar befinden und wenn ihr nicht zu den absoluten Hordern gehört, werdet ihr vermutlich nicht die passende Objekt-Auswahl in der Tasche haben. Äußerst unangenehm. Natürlich könnt ihr euren Willen notfalls auch mit Gewalt durchsetzen, das durchschnittliche Ratsmitglied weiß sich jedoch bestens zu wehren. Das ist gerade zu Spielbeginn keine besonders kluge Option. Es was nervig sind übrigens auch die Prüfungen, die ihr zum Freischalten neuer Erlasse hinter euch bringen müsst – und das mit jeder Einheit einzeln. Das ist in der Regel mehr mühselig als fordernd.

Was wäre, wenn…?
So weit, so wie gehabt. Gibt es denn irgendwelche Boni in Disgaea 1 Complete? Tatsächlich so gut wie keine. Es lassen sich eine Hand voll Einheiten freischalten, die zuvor nur in einer anderen Version von Disgaea 1 auftraten und bietet somit im Prinzip „nur“ die praktisch vollständige Erfahrung des Originalspiels mit beinahe allen Extras anderer Versionen – eigentlich wird nur der Prinny-Kommentar-Modus des DS-Ports vermisst. Das bedeutet auch, dass mit dem Etna-Modus aus der PSP-Umsetzung Afternoon of Darkness ein kleines Bonus-Szenario rund um die temperamentvolle Dienerin von Laharl mit von der Partie ist. Wobei sie in dieser Geschichte nicht Laharl auf seinem Siegeszug durch die Netherworld unterstützt, sondern ihn zu Spielbeginn tatsächlich tötet und somit ihre eigenen Pläne verfolgen kann. Weniger schräg wird es dennoch nicht!

HD-Prinnys, dood!
##bild80652rechts##Das einzige bemerkbare Upgrade, das Disgaea 1 Complete erfuhr, findet sich auf technischer Ebene. So wurden die Umgebungsgrafiken und -texturen der jüngsten PC-Umsetzung als Basis genutzt und die pixeligen Charakter-Sprites durch schnittige HD-Versionen ausgetauscht. Das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen, denn von ein paar verwaschenen 3D-Modellen abgesehen wirkt alles tatsächlich deutlich moderner. Blöderweise hören die Anpassungen da praktisch auf. Es gibt keinerlei Möglichkeiten, Bewegungs- oder Angriffsanimationen an sich zu beschleunigen – sie können lediglich komplett abgeschaltet werden. Das ist natürlich trotzdem ein Upgrade gegenüber so ziemlich jeder anderen Spielversion, wo sich die langsamen Märsche der Einheiten nicht überspringen ließen, doch die wortwörtliche Teleportiererei der Figuren wirkt auf ihre Art ebenfalls komisch. Außerdem sind andere Effekte wie Geo-Farbwechsel immer noch langsam. Immerhin soll dieses Manko durch einen Patch ausgebügelt werden, der vor kurzem in Japan an den Start ging. Die Sprachausgabe des Spiels wurde zudem ebenfalls nicht neu eingespielt und erklingt auf dem selben, klangtechnisch eher mittelprächtigen Niveau, das man von der PSP-Version kennt. Das beißt sich ein wenig mit der überarbeiteten Optik, auch wenn die englischen Sprecher schon damals respektable Arbeit geleistet haben und trotz der eher mäßigen Aufnahmequalität ihren Rollen gekonnt Leben einhauchen. Und wer sich die englische Tonspur nicht anhören möchte – obwohl ich die wirklich nur empfehlen kann – findet natürlich auch in dieser Disgaea-Version den japanischen O-Ton als Option.

Fazit

Ich kann es nicht leugnen: Gerade nach dem geschmeidigen Disgaea 5 fühlt sich Disgaea 1 Complete zumindest in spielerischer Hinsicht hoffnungslos veraltet an. Viele Komfortfunktionen fehlen, manche Mechaniken arten mehr in nervige Fleißarbeit aus und der Charakter-Aufbau fühlt sich in manchen Teilen etwas eingeschränkt an. Wie cool wäre es gewesen, wenn man das Spiel auf den mechanischen Stand des direkten Nachfolgers Disgaea D2 gebracht hätte! Und doch: Das sind jedoch alles Defizite, an die man sich tatsächlich gewöhnen kann, was nicht zuletzt an der unterhaltsamen Geschichte mit ihren witzigen, vielschichtigen Charakteren liegt. Statt allein auf Klamauk zu setzen, bietet Disgaeas Story einen ausgewogenen mix aus Comedy und Drama, ohne dabei den Spaß am Hochzüchten einer Armee von überstarken Superkämpfern vermissen zu lassen. Wer sich einmal in den Item Worlds verliert, um seine Ausrüstung aufzubessern, kommt nicht mehr so schnell wieder vom Spiel los. Gepaart mit der schmuck aufgehübschten Optik sowie der Möglichkeit zum Abschalten der langsamen Bewegungsanimationen ist Disgaea 1 Complete somit auch die beste Version des allerersten Disgaea-Teils, die man haben kann und auch heute noch eine Runde wert. Das HD-Remake steht nur leider hinter seinen Möglichkeiten zurück. Schreiber-Prinny: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an NIS America für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 80 / 100

Laharls Kampf um den Thron sah nie schöner aus! Ein fesselndes Strategie-Rollenspiel, das trotz veralteter Mechaniken begeistert.

Pro

  • Interessante Story und Charaktere
  • Guter Mix aus Humor und Ernst
  • Reichlich Spielstoff
  • Viele Möglichkeiten zum Feintuning
  • Bewegungsanimationen sind abschaltbar!
  • Hübsche HD-Überarbeitung

Contra

  • Langsamer Einstieg
  • Keine spielmechanischen Verbesserungen
  • Viel Fleißarbeit beim Charakter-Aufbau
  • Trotz toller Sprecher eher mittelprächtige Audio-Qualität
  • Keine deutsche Übersetzung

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