Schon heute gibt es unzählige kritische Stimmen, die sich besorgt über den technologischen Fortschritt unserer Gesellschaft aussprechen. Da die meisten Menschen beispielsweise nicht mehr von ihren Smartphones wegzukriegen sind, wurden sogar schon Worte wie „Smombie“ erfunden. Titel wie die der Deus Ex-Reihe von Square Enix treiben das ganze etwas weiter. Dort haben die Menschen nicht nur technisch an sich, sondern sogar in sich. Der heutige Testkandidat Observer aus dem Hause Bloober Team kommt mit einer ganz ähnlichen Prämisse daher, wagt jedoch auch den Schritt in eine dystopische, sehr düstere Zukunft. Ob das funktioniert und wie sich die Portierung auf die Nintendo Switch schlägt, das erfahrt ihr im Folgenden. Viel Spaß!
42 ist eben doch nicht die Antwort auf alles
##bild81500rechts##Eigentlich ist zu Beginn der Story noch alles recht gemächlich. Man schlüpft als Spieler/in in die Haut des Ermittlers Daniel Lazarski, der gerade auf Streife im verregneten Krakau im Polen des Jahres 2084 ist. Als er gerade mit der Zentrale schnackt, karpert jedoch eine unbekannte Person die Verbindung und wirft noch dazu einige Fragen auf. Um Spoiler bestmöglich zu vermeiden, erspare ich euch an dieser Stelle mal die Details. Als neugieriger Aufklärer macht sich Daniel natürlich flugs auf den Weg zur Quelle des Signal, das freundlicherweise von der „Matriarchin“ – seiner Begleiter-KI – trianguliert wird. Kurz darauf findet man sich in einem heruntergekommenen Wohnkomplex wieder, wo sich scheinbar überwiegend die untere Gesellschaftsschicht niedergelassen hat. Während der ersten Schritte der Ermittlungen wird dummerweise ein totaler Einschluss des Komplexes ausgelöst, und von dort an gilt es die verwobenen Hintergründe und vor allem einen Ausweg aus der Cyberhölle zu finden.
Schnell wird klar, in Observer geht es nicht um Wischiwaschi-Fälle wie es in anderen Spielen mit Beamten in der Hauptrolle Brauch ist. Auch wird durch die dichte Atmosphäre der Umgebung mehr als deutlich, dass das Spielerlebnis zwar nicht im Horror-Genre angesiedelt ist, schon aber sehr, sehr beklemmend ist. Hinzu kommt, dass man als Knöpfchendrücker anfangs recht viele Fragezeichen über dem Kopf schwirren hat. Nach und nach werden die Mysterien jedoch aufgeklärt, der Weg dorthin für Herrn Lazarski allerdings durch reichlich Labyrinthe aus virtuellen Wänden, schmutzigen Kellergewölben und auch die ein oder andere Blutspur.
Gerade das Ergründen, warum die Welt in diesem Spiel so ist wie sie ist, macht einen großen Reiz aus. In Observer ist der Ort des Geschehens in Osteuropa nämlich scheinbar einer der letzten zivilisierten Fleckchen auf der Erde, nachdem ein Krieg gepaart mit einem verheerenden Cyber-Virus der Menschheit ordentlich zugesetzt hat. Die verbliebenen Erdbewohner haben zu diesem Zeitpunkt fast alle technische Modifikationen in ihren Körpern, was scheinbar nicht gerade zu 100 Prozent zum Wohl der Menschen beigetragen hat. So auch unser Herr Ermittler. Der kann sich Kraft seiner Tätigkeit beispielsweise in den Gedächtnisspeicher von Personen einklinken, um so ein paar unverfälschte Informationen zu bekommen. Auch der Sehapparat kann zwischen biologischen und technologischen Objekten unterscheiden und diese auf Informationen scannen. Doch wie bereits erwähnt, tragen diese Cyber-Spielereien auch den einen oder anderen Nachteil in sich. Setzt sich der Protagonist nämlich etwa zu großen psychischen Stress aus, spielen die Gerätschaften immer mehr verrückt und der taffe Beamte muss sich über eine Vorrichtung im Arm ein starkes Beruhigungsmittel reinpfeifen. Kurioses Detail: Im Menü hat man die Option zum „Schlucken“ einer Pille. Wie gesagt werden die kleinen Syncrozine-Ampullen aber über den Unterarm injiziert.
Technik macht‘s möglich
##bild81501links##Nutzen wir diese Drogen doch mal als Überleitung zum Thema Gameplay. In diesem Thriller kommt es logischerweise sehr oft zu stressreichen Situationen, da kann einem auch schnell mal der Pillenvorrat ausgehen. Um das zu vermeiden und nicht komplett in den digitalen Wahnsinn abzudriften, lassen sich die kleinen blauen Helferleine überall in der Spielwelt stibitzen. Wirklich Knappheit kommt dabei jedoch so gut wie nie auf. Hier hätte eine sparsamere Platzierung dieser Hilfsitems definitiv zu einem beklemmenderen Spielerlebnis beigetragen. Das ist aber gut verschmerzbar, da das Spiel auch so mit akustischen und visuellen Reizen nicht geizig ist.
Die Umgebungen in Observer sind im Grund recht realistisch gehalten, jedoch verschwimmt die Welt quasi überall mit der virtuellen Welt, was das Geschehen irgendwie sehr surreal erscheinen lässt und einen Großteil der starken Atmosphäre erzeugt. Die dichte Soundkulisse aus unheimlichen Robo-Geräuschen und allerlei Geknarze und Witterungseinflüssen treibt einen dann endgültig den Schalk in den Nacken. Besonders lobend hervorheben muss ich an dieser Stelle auch die grandiosen Sprecher, die allesamt extrem authentisch und gelungen rüberkommen. Als Person, die auf solche Merkmale in der Regel nicht viel gibt, ist mir gerade dieser Aspekt bei Observer sehr positiv im Gedächtnis geblieben.
Grafisch kann sich die Portierung dabei durchaus sehen lassen, allerdings muss man mit den üblichen Abstrichen bezüglich der Leistung der Switch rechnen. So ist die Auflösung im Vergleich zu anderen Versionen natürlich etwas reduziert und die Framerate auch nicht immer verlässlich. Nach Rücksprache mit dem Entwickler sei das jedoch in bisherigen Tests nicht kritisiert worden und daher kein Performance-Patch in Arbeit. Selbst wenn man das gewohnte 144Hz-PC-Erlebnis mal ausklammert, sind doch in gewissen Gebieten des Thriller-Trips einige harte Ruckler nicht zu übersehen. Das Absurde ist, das Observer an sich für Switch-Verhältnisse optisch recht imposant daherkommt und eigentlich auch flüssig abgespielt wird. Allerdings hat man alle paar Sekunde, vor allem bei schnelleren Bewegungen, nervige Hänger, die wirklich ein wenig den düsteren Spaß trüben. Auch trat während des Tests nach etwa vier Stunden Spielzeit sogar ein Absturz auf. Dank regelmäßig und fair gesetzter Autosaves ist aber immerhin kein Fortschritt verloren gegangen.
Dazu gesellt sich die ab Werk sehr behäbige Steuerung, die in Kombination mit dem davor Genannten durchaus für ein behäbigeres Erforschen sorgt. Immerhin lässt sich die Blicksensitivität in den Einstellungen hochschrauben, sodass beispielsweise enge Treppenhäuser keine Geduldsprobe mehr darstellen. Der Rest des Steuerungsschemas ist hingegen sehr simpel gestrickt und funktioniert rund. So kann man etwa per Tastendruck die eingangs erwähnten visuellen Modi des Ermittlers durchschalten, oder Rennen und mit Objekten interagieren. Ganz im Stile von Amnesia muss man nämlich Türen noch per Hand öffnen.