Wenn man so über den aktuellen Werdegang der Videospielindustrie nachdenkt, kann man schon mal zu dem Schluss gelangen, dass vieles mittlerweile sehr ähnlich ist und nach Schema F hergestellt wird. Damit ziele ich vor allem auf gewisse Hypes ab, etwa Battle Royale oder der allgegenwärtige Drang der Entwicklerstudios, alles in eine offene Spielwelt pressen zu müssen. Gerade große Produktionen orientieren sich gern an diesen offenbar sehr massentauglichen Konzepten. Zum Glück gibt es aber da noch die Indie-Sparte, meist kleine Studios, die unabhängig Videospiele produzieren, und hier und da sogar nur einzelne Personen die mit ihren Werken verzaubern. Gerade die Früchte dieser Gattung strotzen oft nur so vor kreativer Energie und zeigen immer wieder auf, dass noch längst nicht alle Ideen für geniale Spiele verbrannt sind. So auch die Jungs und Mädels von Devilish Games, die mit ihrem neusten Werk Path to Mnemosyne beweisen, wie man Spielern den Kopf verdreht. Was damit aber genau gemeint ist, das erkläre ich euch im Folgenden.
Zoooooooooooooooooooom!
##bild81839rechts##Genug der Philosophie, ab ans Eingemachte! Eingemacht hatte ich mir auch fast als ich zum ersten Mal einen Trailer zu Path to Mnemosyne gesehen habe. Der Clou bei diesem Titel ist nämlich das extrem befremdliche Game-Design. Man schlüpft in die Rolle eines kleinen Mädchens im Nachthemd, welches scheinbar eine unterbewusste Projektion ihrer selbst ist und nach ihren zunehmend schwindenden Erinnerungen greift. Das haben Devilish Games dermaßen befremdlich visualisiert, dass der im Gaming beliebte Anglizismus „uncanny“ schon fast untertrieben ist. An sich hat man es nur mit einer recht minimalistischen 2D-Grafik zu tun, diese kommt jedoch neben ihrer abstrakten unheimlichen Darstellung noch mit einem Kniff daher. Während man sich nach vorn bewegt, zoomt man nämlich immer tiefer in ein Bild hinein, woraus wieder neue Bilder entstehen. Das mag auf dem Papier jetzt nicht sonderlich viel Sinn ergeben, man muss es einfach mal gesehen haben.
Für einen kurzen Moment beim Schauen des Trailers, und auch in den ersten Spielminuten, hat das Spiel komische Dinge mit meinen Augen gemacht und es stellte sich ein unangenehmes Gefühl ein, wie es bei einigen Menschen beim ersten 3D-Film im Kino oder bei der Nutzung von Virtual-Reality vorkommt. Das legte sich zum Glück nach kurzer Zeit. Zu Beginn muss man sich erstmal auf den ungewöhnlichen Aufbau des Spiels einstellen, wird aber mit cleveren Rätseleinlagen gekonnt abgelenkt. In abgetrennten Spielabschnitten muss man jeweils ein paar simple, aber ansprechende Schalter- und Teleporterrätsel lösen, um Erinnerungskugeln einzusammeln. Hat man diese alle eingesackt, gelangt man zum Tor in den nächsten Abschnitt und muss dort ein etwas abstrakteres Rätsel lösen. Gerade diese „Bossrätsel“ machen einen runden Eindruck. Wir zoomen wohlgemerkt immer noch ins Bild hinein! Brrrr…
Vergessen, weil man etwas vergessen hat
##bild81837links##Soviel zunächst zum reinen Spielablauf, denn sonderlich viel mehr ist an Path to Mnemosyne nämlich leider nicht dran. Nach gut zwei Stunden – wenn überhaupt – ist man dann auch schon am Ende und, naja, das sollte man schon selbst herausfinden. Die Steuerung ist dabei aber stets eingängig. Man bewegt das Mädchen auf vorgegebenen Pfaden und überspringt hier und da ein Hindernis oder einen Schalter. Auch die Soundkulisse passt hervorragend zum Thema des Spiels. Mit beklemmenden Soundeffekten gepaart mit der abstrakten Darstellung und dem Zoom-Prinzip des Titels entsteht schon eine sehr einzigartige Atmosphäre. Umso trauriger, dass alles so schnell vorbei ist. Einen kleinen Anreiz um die Spielzeit zumindest etwas zu strecken gibt es aber immerhin. Im Spielverlauf kann man noch eine andere Art von Kugeln einsammeln, die einem dann Zutritt zum guten Ende verschaffen. Was als „offene Handlung“ vermarktet wird, ist aus meiner Sicht aber unnötig verschenktes Potenzial mit zu viel Spielraum für Spekulationen.
Dummerweise ist die Switch-Umsetzung auch nicht frei von technischen Makeln. Während des gesamten (!) Spielverlaufs traten an spezifischen Stellen immer wieder Nachladeruckler auf. Die nagen leider ein stark an der Immersion und rissen mich immer wieder verärgert aus dem Staunen. Auch eine einzige optionale Kugel für das gute Ende ließ sich zum Testzeitpunkt durch einen Bug nicht erspielen. Der prüfende Blick in diverse Playthroughs auf Youtube bestätigten: Jupp, das geht nicht… Soviel sei gesagt: So toll ist das Ende aber nun auch nicht, dann kann man es sich genauso gut einfach bei wem anders anschauen.
##bild81835rechts##Wer sich übrigens die ganze Zeit gefragt hat, wer oder was dieses „Mnemosyne“ eigentlich ist, hier zum Abschluss noch eine kleine Erläuterung, womit das Ende des Spiels eigentlich schon von Beginn an absehbar ist. Wer also ohne Vorwissen durchs Spiel gehen möchte, darf nun direkt zum Fazit springen. Für alle anderen: Mnemosyne ist ein Begriff aus der griechischen Mythologie und beschreibt einen Fluss in der Unterwelt, dessen Wasser verloren geglaubte Erinnerungen herbeiführt. Sein Gegenstück Lethe bewirkt jedoch genau, das Gegenteil, den totalen Verlust der Erinnerungen. Durchaus ein netter Ansatz für einen Plot, aus dem letztlich aber leider zu wenig gemacht wurde.