Harvest Moon: Eine Welt

Kein billig anmutender Mobile-Umbau wie Licht der Hoffnung, sondern ein neues 3D-Spiel mit – erstmals für Natsumes Harvest Moon-Eigenproduktionen – komplett neuen Charakteren möchte Harvest Moon: Eine Welt sein. Allein die Prämisse verspricht zudem, das althergebrachte Konzept der Reihe auf den Kopf zu stellen: Die eine Welt, von welcher der Titel spricht, kommt nämlich ganz ohne Feldfrüchte wie Mais oder Tomaten daher! Dies behauptet zumindest der Werbetext. Warum das Farm-Abenteuer der interessanten Ausgangssituation so überhaupt nicht gerecht wird und unterm Strich auch nicht viel mehr als solide Standardkost mit diversen ungeschliffenen Kanten bietet, verrate ich euch in diesem Test.

Fakten aus Fabeln
##bild84120rechts##Das mit den fehlenden Feldfrüchten legt sich nämlich ziemlich schnell. Zu Beginn eures virtuellen Lebens stoßt ihr zusammen mit dem schrulligen Doc Jr. auf einen Erntegeist, der euch über die aktuelle Lage aufklärt: Die Erntegöttin ist verschwunden und ihr sollt die übrigen Elementar-Erntegeister ausfindig machen, um so das Leben in die Welt zurückzubringen und das Land wieder fruchtbar zu machen. So verschenkt man eine interessante Ausgangslage! Diese wirkt ohnehin wenig durchdacht, da einerseits sehr wohl gewisse Nahrungsmittel wie Äpfel und Kartoffeln existieren, andererseits viele Bewohner in Aufgaben kurioserweise Erzeugnisse erfragen, die es eigentlich gemäß der Prämisse nur noch Stoff von Legenden seien. Man sollte also nicht zu sehr drüber nachdenken, wenn man noch einigermaßen Freude an der insgesamt recht simplen Geschichte haben möchte.

Überhaupt gibt sich Harvest Moon: Eine Welt gerade zu Spielstart erstaunlich storylastig. Bevor ihr großartig dem lieblichen Landleben nachgehen könnt, wollen erst einmal diverse Ortschaften sowie die damit verbundenen Geschäfte nach und nach freigeschaltet werden. Gelegentliche Brückenbauaufträge halten euch temporär davon ab, zu schnell in zu kurzer Zeit voranzuschreiten, theoretisch könnt ihr jedoch bereits innerhalb weniger Ingame-Jahreszeiten reichlich bewerkstelligen. Jedes Eckchen der Welt kommt dabei mit eigenen Problemen daher, die ihr im Rahmen einfacher Lieferaufträge beheben müsst. So will Viehzüchter Benni etwa seine kränkelnden Kühe behandeln, wofür die leicht abschüssig lebende Tierärztin Mais empfiehlt – der natürlich erst einmal beschafft werden muss. Das tropische Strandparadies Halo Halo leidet wiederum unter einem extremen Fischrückgang, der die lokale Wirtschaft nachhaltig schädigt. Die für die Restauration notwendigen Materialien dürft natürlich ihr zusammenklauben. Da die Aufgaben stets mit einem Zielmarker auf der Karte versehen sind, kommt man zumindest gut voran. So wirklich erfüllend sind die in der Regel eher einfachen Missionen allerdings nicht gerade.

Bewährtes Landleben
##bild84127links##Doch Moment, bei Harvest Moon wird schließlich immer noch Landwirtschaft betrieben! Die geht Natsume-gemäß eingängig von der Hand: Alle Aktionen wie das Pflügen der Felder und Gießen von Pflanzen werden simpel und einfach mit der kontextsensitiven A-Taste ohne großes Inventargefummel erledigt und wo ihr etwas anbauen könnt, ist vom Spiel fest vorgegeben. Die Eine Welt bietet jedoch nicht nur einen Hof. Dank einer Erfindung des eingangs erwähnten Doc Jr. lässt sich die Farm nämlich komprimieren und an einen anderen Ort verlegen. Wollt ihr beispielsweise lieber vom Wiesenland in die Wüste, um dort besondere Rosen anzubauen, könnt ihr sprichwörtlich die Koffer packen und geschwind umziehen. Theoretisch ist dies eigentlich sogar nicht einmal notwendig, da jede Stadt sowie euer eigener Hof einen Schnellreisepunkt darstellt und ihr somit selbst abseits eurer Quartiere Felder pflegen könnt. Praktisch bleibt zumindest der nette Touch, dass man sich an seinem Lieblingsort niederlassen kann.

Die kleinen Innovationen der neueren Harvest Moon-Spiele wie Pflanzenmutationen sind natürlich auch wieder hier am Start, werden dank der in der Regel extrem spezifischen Lieferaufträge beizeiten jedoch dezent frustrierend. Wenn etwa explizit drei Wassermelonen gefragt sind, der Zufall jedoch andere Varianten aus den Samenpäckchen beschert, ärgert dies. Da hilft erst recht nicht, dass ihr zu Beginn das Saatgut nicht in Shops kaufen könnt, sondern auf täglich neu erscheinende Erntegeister angewiesen seid. Immerhin könnt ihr euch die Fundorte der Racker über das Kartenmenü einblenden lassen, das zeitaufwendige Abklappern der Stationen bleibt jedoch bestehen. Die Tierzucht läuft da schon bedeutend eingängiger: Habt ihr erst einmal einige Nutztiere in der Scheune versammelt, pflegt ihr sie mit Bürste, Schere und was eure Schafe, Kühe oder gar Dromedare sonst noch brauchen, damit sie bei bester Gesundheit bleiben.

Die liebe Familie (und andere Aufgaben)
##bild84126rechts##Ebenfalls seriengemäß finden sich in der einen Welt auch potenzielle Lebenspartner – je zwei pro Stadt. Die wollen natürlich zunächst umworben werden. Anders als in bisherigen Spielen erleichtert euch Harvest Moon: Eine Welt dies mit einem stetigen Fluss an erfüllbaren Aufgaben. Der so erzielte stetige Freundschaftsfortschritt schaltet die üblichen netten Ereignisszenen frei, in denen ihr eure möglichen Liebschaften näher kennenlernt. Leider wirken die Aufgaben dadurch, dass ihr bei Erfüllung stets dieselben Dialoge abspult, beinahe noch eintöniger, als die ohnehin schon austauschbar wirkenden nummerierten Quests von Das verlorene Tal und Dorf des Himmelsbaums für den 3DS. So gibt einem das Feature höchstens einen kleinen Denkansatz für Leute, die nicht intuitiv (oder mit Hilfe eines Guides) auf die richtigen Geschenke kommen. Ebenfalls ermüdend: Nicht nur Charaktere mit Rang und Namen versorgen euch mit Aufträgen, auch ein paar namenlose Bewohner melden sich über euren Briefkasten. Wenn man erst einmal alle Städte freigeschaltet hat, kommt ein fast schon erschlagender Katalog an Missionen zustande, die unterm Strich leider auch nicht wirklich erfüllend sind – allein weil gerade die Belohnungen von wiederholbaren Anfragen alles andere als wertvoll ausfallen.

Fazit

Manchmal frage ich mich, warum man sich überhaupt ein spannendes Grundkonzept ausdenkt, nur um es bereits nach der ersten Spielstunde komplett über Bord zu werfen. Klar holt man in Harvest Moon: Eine Welt wieder die klassische Landwirtschaft aus den Märchen und Sagen des Spiels wieder zurück – anders würde ein Ableger der Reihe auch kaum funktionieren. Die schiere Anzahl an Logiklöchern, die durch diese Prämisse entstanden ist, störte mich jedoch enorm. Abseits der verschenkten Story finden sich noch weitere interessante Ansätze, bei denen es leider bei der Umsetzung scheitert. So bietet die eine Welt trotz mehrerer Biome recht wenige Details, die zu Spaziergängen anregen, während das an und für sich interessante System der wiederholbaren Aufgaben daran scheitert, dass das Questlog im fortschreitenden Spiel regelrecht von Missionen zugeschüttet wird. So hat man natürlich immer etwas zu tun, ich verlor dabei jedoch schnell den Überblick. Nicht zuletzt hat mich das Pflanzenmutationssystem noch nie so sehr gestört wie hier: Weil die Saatgutversorgung im Laufe der Hauptgeschichte noch eher eingeschränkt ist, schmerzt es umso mehr, wenn schlussendlich nicht einmal die richtige Feldfrucht herauskommt. Hat man all diese Hürden jedoch überwunden und sich eingelebt – was natürlich je nach eigenem Tempo 10 bis 20 Stunden dauern kann – kann man sich dem typischen Spielfluss hingeben, dem simplen Landleben nachgehen und eine Familie großziehen. Nur leider gibt es diverse Ableger der Reihe, die da schlichtweg schneller auf den Punkt kommen. Lässt sich lieber in einer anderen Welt nieder: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 2 / 5

Interessante Idee gekonnt verschenkt: Grundsolide Bauernhof-Sim, die jedoch dank langatmiger Einstiegsphase und anderer Schnitzer schnell an der Motivation zehrt.

Pro

  • Spannende Grundidee …
  • Reichlich Aufgaben …
  • Fünf verschiedene Gebiete

Contra

  • … die nicht einmal ein Kapitel übersteht
  • … die sehr abwechslungsarm ausfallen
  • Nervige Saatgutbeschaffung

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