Train Station Renovation

Den Jahreswechsel von 2020 auf 2021 verbrachte ich, pandemiebedingt, alleine in meiner Wohnung. Kurz nach dem Austausch der Grüße an Familie und Freunde wurde ich von Letzteren gefragt, ob man das neue Jahr nicht mit einem Stream begrüßen könnte. Gesagt, getan: Schon standen wir als Reinigungsteam in der Werkstatt von Santa Claus und wischten ein Blutbad auf, das ein vermeintlicher Elf unter seinen Artgenossen ausgelöst hat. Das virtuelle Aufräumen in Viscera Cleanup Detail: Santa’s Rampage basiert dabei auf einem einfachen, psychologischen Ansatz: Saubermachen macht glücklich! Das ist auch Hauptbestandteil von Train Station Renovation, das die Putzkolonne auf verschiedene Bahnhöfe versetzt. Perfekt für mich als Bahnenthusiasten, oder?

Mein erster eigener (maroder) Bahnhof
Kaum habe ich im Hauptmenü die Erstellung einer neuen Renovierungsfirma abgeschlossen, bemerke ich, dass dieses Menü auf dem Bildschirm eines großen Röhrenmonitors prangt, der inmitten eines altmodischen Büros steht. Ich kann mich frei durch das Zimmer bewegen und im Raum daneben nimmt eine eindrucksvolle Modelleisenbahn den größten Platz ein. Zurück im Büro können auch gleich die Credits bestaunt werden, doch ist die Levelauswahl und die Tutorialoption fürs Erste deutlich interessanter. Die Einführung jagt mich durch eine kleine Haltestelle, an der Müll aufgesammelt, eine Türe aufgebrochen, die Sicherung gewechselt, die Wand neu gestrichen und die Gleise geschliffen werden wollen. Kaum überstanden, geht es auch gleich mit dem ersten richtigen Level weiter, das alle Aufgaben in einer größeren Anzahl kombiniert. So wandere ich über den kleinen Bahnhof, der nicht wirklich im besten Zustand ist. Also gilt es zuerst einen Container aufzustellen, in dem der Müll landen soll. Dabei wird zwischen sortierten und gemischten Müllcontainern unterschieden, die entweder getrennte Müllsäcke aufgeteilt nach Papier-, Glas- und Kunststoffmüll oder Rest- und Sperrmüll aufnehmen. Zum Glück bieten die eigenen Taschen so einiges an Platz, sodass neue Säcke erst entstehen, wenn das Inventar mit dem jeweiligen Typen komplett voll ist. Die Kosten für den großen Container können auch gleich durch das Entsorgen einzelner Säcke wieder reingeholt werden, denn für jeden fachgerecht entsorgten Müll gibt es einige Dollar, von dem weitere Container gekauft werden können.

Doch das Gebiet, das aufgeräumt werden soll, leidet nicht nur an herumliegender Verschmutzung, sondern auch an verbarrikadierten Fenstern, kaputtem Mobiliar und defekten Geräten. Also gilt es die Holzbalken vor den Fenstern einzureißen, Glassplitter aus dem Rahmen zu schlagen und das neue Fenster einzusetzen. Möbel, die nicht mehr gerettet werden können, werden kurzerhand mit der Axt zu Klump gehauen und später durch Käufe im Shop ersetzt. Das nicht mehr funktionstüchtige Licht an der Decke wird mit dem Schraubenschlüssel auch wieder in Schuss gebracht. Neben diesen gewöhnlichen Aufgaben, die es auf jeder Karte gibt, bietet jedes Level auch immer eine Besonderheit. So ist an einem Bahnhof der komplette Keller überflutet, ein anderer hat seine Probleme mit radioaktivem Abfall und ein wieder anderer kann eine historische Uhr sein Eigen nennen, deren Einzelteile jedoch quer über die verschiedensten Orte verteilt sind. Für solche Aufträge steht dann meist besonderes Werkzeug bereit wie eine Pumpe oder ein ABC-Schutzanzug. Diese Aufgaben müssen allerdings nicht erledigt werden, denn für den Levelabschluss ist nur eine Sauberkeit von 50% erforderlich. Wer fleißig ist, kann sich Bonussterne unter den Nagel reißen, für die es kleine Belohnungen wie zusätzliches Geld oder einen neuen Waggon für die Modelleisenbahn im Nebenzimmer gibt. Letztere lässt sich übrigens mit einem eigens zusammengestellten Zug bedienen und in First Person durch die Minilandschaft düsen. Das verdiente Geld lässt sich in den Leveln für Möbelstücke und Wandfarben einlösen, mit denen der aufgeräumte Bahnhof dekoriert werden kann. Von den erarbeiteten Sternen lassen sich Upgrades für die einzelnen Werkzeuge kaufen, was effizienteres Arbeiten ermöglicht, da diese meist die Wartezeit bei der Erledigung einer Aufgabe verkürzen.

Wie man auf einen zwei Schlägen ordentlich an Fortschritt verliert
Eigentlich klingt das Spiel rund um die Bahnhofrenovierungen ziemlich rund, aber es gibt doch noch einige Negativpunkte, die den Spielspaß schmälern. So verschwindet das ein oder andere Objekt beim Aufheben und dieses ist dann nur in einem bestimmten Winkel wieder sichtbar. Mit ein wenig Geschick lässt sich dieser verwunschene Gegenstand aber relativ einfach entsorgen. Deutlich tragischer wird es, wenn das Tablet nicht mehr funktioniert. Dieses dient nicht nur als Shop, sondern auch als einziger Ausgang aus dem Level. Zwar lässt sich das Spiel jederzeit verlassen, doch um das nächste Level starten zu können, muss das vorherige auch offiziell über das Tablet als abgeschlossen markiert werden. Zu allem Überfluss sind mit dem Abschluss die vorherigen Level nicht mehr spielbar. Es gibt also nur eine Chance jeden Bahnhof auf 100% beenden. Tritt in der Kombi dann auch der vorher beschriebene Bug auf, müssen alle bisherigen Level nochmals gespielt werden. Glücklicherweise kann man jederzeit auf drei Slots speichern, was dem Problem zumindest etwas entgegenwirkt. Autosave gibt es übrigens auch nicht, was ich während meines Spieldurchlaufs schmerzlichst feststellen musste. Dennoch ist es merkwürdig, warum sich die Entwickler um ein solch wichtiges Replayfeature nicht kümmern, wobei sie noch im letzten Jahr im Forum der Steamversion versicherten, dass dies noch nachgepatcht wird. Die PC-Fassung bleibt übrigens bis auf das fehlende Feature von den meisten Problemen der Portierung verschont, wie zum Beispiel von den unsichtbaren Objekten und der reduzierten Grafik. Zusätzlich bietet sie auch noch eine deutlich größere Anzahl an Level und demnächst soll ein Deutschland-DLC mit deutschen Bahnhöfen folgen. Eine entsprechende Betreuung der Switchversion wäre noch wünschenswert.

Fazit

Hier schnell die letzten Glasflaschen einsammeln, dort noch eben den Boden putzen: Der aus Tetris in anderen Spielen beliebte Aufräumeffekt stellt sich auch in Train Station Renovation ein und mit jedem Mal, mit dem der Bahnhof ein Stückchen schöner und aufgeräumter wird, werden Glückshormone freigesetzt. Dabei sorgen die für jedes Level speziellen Aufgaben für ausreichend Abwechslung. Die verbesserbaren Fähigkeiten und die Möglichkeit, über die aufgeräumte Haltestelle über den Shop noch etwas aufzuhübschen, sind tolle Ideen. Auch von der Modelleisenbahn im Nebenzimmer des „Menüs“ halte ich einiges, doch besonders hier werden die auf der Switch recht matschigen Texturen ziemlich deutlich sichtbar. Die Entwickler haben alles unternommen, um für stabile Frames zu sorgen, doch auf großen Maps mit vielen sichtbaren Objekten geht die Framerate schnell in die Knie. Aber ein viel größeres Ärgernis ist das Versäumnis beim erneuten Besuchen abgeschlossener Levels. Besonders mir fiel es recht schwer für den Testbericht halbherzig durch alle Level zu sausen, wobei ich anfangs noch geduldig die Bahnhöfe von allen Abfällen reinigte. Doch als dann der Tabletbug mich zurück an den Spielanfang versetzte und mir später auch noch der fehlende Autosave ein gutes Stück Fortschritt kostete, war keine Zeit mehr für den 100% Run, den ich am PC aber wohl nochmal in Angriff nehmen werde. Im technischen Vergleich gegenüber der Nintendo Switch fallen dort natürlich einige Limitationen weg und es wird sogar mehr Inhalt und weniger Bugs geboten, doch wurde das UI und die Steuerung sinnvoll auf die Switch portiert. Insgesamt weiß der Titel mit seinem Gameplay durchaus zu überzeugen und Bahnfans mit so manchem Zug- und Wagenmodell auf den Gleisen und auch die Miniaturversion im Nebenzimmer glücklich zu stimmen. Am Ende ist bei Interesse ein Blick in die PC-Demo - die Switchversion hat leider keine - goldrichtig und die aktuelle Preisreduktion im Steam Summer Sale kann sich durchaus sehen lassen. Die Portierung für Nintendo Switch kostet dagegen stolze 18,99 Euro, was für eShop-Verhältnisse zwar noch im Rahmen ist, aber angesichts der Probleme und der Inhaltskürzungen nicht gerade ideal erscheint. Bei einem entsprechend hohen Rabatt könnte man anfangen darüber zu reden, aktuell sollte man doch eher zur PC-Fassung greifen. Räumt lieber seine eigene Wohnung und virtuelle Bahnhöfe am PC auf: Nicola Hahn [501.legion] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Forever Entertainment für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 2 / 5

Entspannendes Aufräumspiel mit Fokus auf Bahnfans, aber auch einigen fiesen Schnitzern

Pro

  • Stimmiges Konzept für Ordnungsliebende, die auch gerne bei der Dekoration kreativ werden wollen
  • Besondere Aufgaben und Orte sorgen für Abwechslung
  • Gute Umsetzung der UI und Steuerung auf der Switch

Contra

  • Ein Gamebreaker-Bug und fehlender Autosave, die beide ordentlich Fortschritt kosten können
  • Schwächelnde Grafik und Framerate-Einbrüche auf großen Karten
  • Für Perfektionisten fehlt ein längst versprochenes Replay-Feature abgeschlossener Level

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