Xenoblade Chronicles 3

An guten Rollenspielen mangelt es auf dem Spielemarkt nun beileibe nicht. Sei es in einer Open World, linear mit viel Story, oder auch beides vermischt. Letzteres trifft auf wohl auf den heutigen Testkandidaten am ehesten zu, denn die Xenoblade-Reihe vereint schon seit Wii-Zeiten große, offene Areale und eine tiefgreifende Geschichte, die einen durch die Spielwelt führt. Der jüngste Ableger Xenoblade Chronicles 3 ist da keine Ausnahme, wenngleich die Formel nochmal etwas „ausgedehnt“ wurde. Ausgedehnt trifft es aber auch in anderen Bereichen. Was das nun eigentlich zu bedeuten hat, wo die Vorgänger doch schon recht umfangreich waren, das erzähle ich euch im folgenden Test!

Existenzielle Fragen
##bild85372rechts##Das wohl wichtigste Element in einem guten Rollenspiel ist ohne wenn und aber die Geschichte. Ist die Story langweilig, legen viele Spieler das Gamepad schon weg, noch bevor sie das zweite Kapitel erreicht haben, oder aber trotten halbwegs lustlos und gedankenleer durch die riesige Welt. Zugegeben, beim ersten Ableger erging es mir stellenweise noch so. Beim zweiten dann schon weniger, beim dritten aber so gut wie gar nicht mehr. Der Grund dafür ist die wahnsinnig gut modellierte Geschichte rund um Noah, Mio und Freunde, sowie zwei Nationen, die sich seit Generationen dadurch definieren, sich gegenseitig abzuschlachten. Um eurer Spielerfahrung willen muss ich mich hier aber leider sehr allgemein halten, da man einfach jedes Element des Plots selbst erfahren und interpretieren sollte. Was ich aber hervorheben möchte, ist die Reife die die Geschichte dem Spieler abverlangt. Für eine USK-Freigabe ab 12 Jahren ist Xenoblade Chronicles 3 erschreckend ernst unterwegs und scheut sich nicht davor, Themen wie Existenzfragen, Urteil über Gut und Böse, Krieg, Tod, Diktatur, Mobbing und sogar Selbstmord anzusprechen.

Wer sich dem also nicht gewachsen fühlt, und einfach nur ein kunterbuntes RPG mit Anime-Charakteren sucht, sollte sich besser anderswo umsehen. Das heißt nicht, dass XBC3 nicht auch Freude bereiten kann. Wie man es von der Reihe kennt ist nämlich auch wieder der typisch platte britische Humor mit von der Partie, der durch die talentierten Synchronsprecher teils abartig gut zur Geltung kommt. Und dann sind da noch die Nopon – kleine, pummelige Federwesen mit ihrer speziellen Art sich auszudrücken. Zwei davon begleiten einen durch das gesamte Spiel und sorgen so immer wieder für Erheiterung. Aber auch die zwischenmenschlichen Interaktionen, die sich stets verhärtende Freundschaft der Protagonisten und die allgemeine Positivität der Truppe sorgte im Test immer wieder für ein Lächeln.

##bild85380links##Darüber hinaus wird man neben kurzweiligen Dialogen zum Glück vermehrt mit vertonten Gesprächssequenzen und sogar voll animierten animehaften Filmen verköstigt, die an Bombast teils nichts vermissen lassen – Dragonball– und Gundam-Fans werden sich hier wohlfühlen. An einer Stelle sorgte ein Mix aus Bosskampf und den gerade genannten erzählerischen Elementen dafür, dass ich stolze zwei Stunden ohne richtiges Gameplay zubrachte. Ein Storyabschnitt in Spielfilmlänge, mitten in der Handlung, sowas habe ich definitiv zum ersten Mal erlebt. An Emotionen war alles dabei, Freudentränen, normale Tränen, Lacher und „Woah“-Momente. Ich denke das spricht für sich. Dabei hat man übrigens stets die Wahl, alles automatisch ablaufen zu lassen oder nervige Passagen gar zu überspringen. Auch Kenner der ersten beiden Ableger kommen auf ihre Kosten, da der Gipfel der Trilogie gewissermaßen die ersten beiden Geschichten zusammenführt und abschließt. Aber ein Muss ist das Vorwissen keineswegs, da die Erzählung auch für sich stehend einen tollen Rahmen bildet. Hierzu liest man im Netz immer wieder gegensätzliche Aussagen, und ja, es werden viele Elemente aus bisherigen Ablegern aufgegriffen, die bei Kenntnissen immer wieder für Aha-Momenten sorgen. Wer damit rein gar nichts anfangen kann, darf sich aber, wie gesagt, trotzdem auf eine inhaltlich eigenständige und tiefgreifende Geschichte freuen.

Im Zickzack durch die Welt
Kommen wir nun zur zweiten großen Säule von XBC3, die Spielwelt. Wieder einmal bewegen wir uns auf dem Rücken lebloser Titanen, gigantischer Bewohner des Wolkenmeers, die im Laufe der Zeit versteinert sind und auf denen schon immer die Menschen, Flora und Fauna ihrer Existenz nachgingen. Hier wurde nochmal ordentlich an der Reichweite geschraubt, denn die Spielwelt umfasst zwar mal wieder mehrere Titanen, die begehbare Umgebung von Xenoblade Chronicles 2 soll laut Aussagen von Monolith Soft aber stolze fünf Mal in die des dritten Teils hineinpassen. Dementsprechend thematisch abwechselnd sind auch die großen voneinander durch kurze Ladezeiten getrennten Gebiete. Anfangs wirkt jedoch alles noch recht trist und das zieht sich die ersten paar Stunden auch so durch. Dort sieht man größtenteils nur felsige Klippen und vom Krieg gezeichnetes Land. Die eingangs erwähnten Nationen, namentlich Keves und Agnus, müssen nämlich stets einander bekämpfen, um am Leben bleiben zu können. Was es damit auf sich hat, erklärt das Spiel schonend in kleinen Häppchen. In kleinen Schritten öffnet sich dann auch die Welt und nach und nach wird man wieder mit atemberaubenden Panoramen und fast schon alienhaften Szenen verwöhnt.

##bild85369rechts##Hier kann man natürlich stets dem Hauptpfad Richtung Storyfortschritt folgen, oder aber einer von etlichen kurzweiligen Sidequests nachgehen, Heldengeschichten erleben um neue Klassen freizuspielen (dazu später mehr), oder auch einfach nur die Welt erkunden und Kämpfen. Quasi an jeder Ecke liegen nämlich Materialien zum Einsammeln herum, Gegner verschiedenster Level und Gefahrenstufen lauern in einer recht hohen Dichte und teils kommt sogar so etwas wie ein Souls-Feeling auf. In regelmäßigen Abständen warten nämlich besonders starke einzigartige Wesen auf die Helden, die sogar mehrmals gegen die Uhr bekämpft werden können und mit besonders seltenen Items locken. Aber auch geheime Winkel und besondere Events wie Versorgungsabwürfe oder Massenkämpfe lockern das Spielgeschehen auf. Dadurch entsteht je nach Spielweise ein recht angenehmer Flow, der mich zumindest in den ersten 50 Stunden fast nie langweilte, was ich von den Vorgängern so nicht behaupten konnte.

Kampfsystem Deluxe
Hier muss ich beim Ursprung der Serie auf der Wii ansetzen. Als einer der letzten großen Kracher für die Plattform fand Xenoblade Chronicles damals schon sehr viele Fans, was letztlich dafür sorgte, dass die Nintendo-Marke von Monolith Soft sich dorthin entwickelte, wo sie heute ist. Ich persönlich konnte jedoch mit dem Kampfsystem seinerzeit so überhaupt gar nichts anfangen. Gruppenmitglieder die alleine angreifen, und man darf nur rumlaufen und immer dieselben Skills zünden? Langweilig! So ignorierte ich die Reihe, bis ich dem Switch-Remaster dann nochmal eine Chance gab und mich dank vieler Quality-of-Life-Verbesserungen sofort in diese Art von Rollenspiel verliebte. Da ich nun mittlerweile mit allen Ablegern außer Xenoblade Chronicles X reichlich Erfahrungen gemacht habe, kann ich guten Gewissens sagen, dass das Kampfsystem sich treu geblieben ist, sich aber auch extrem weiterentwickelt hat.

##bild85367links##Hatte man im ersten Teil noch den Kniff mit den Monado-Kräften von Shulks Götterschwert und im zweiten die Klingen-Begleiter, so hat man hier quasi alles kombiniert. In einer persistenten Gruppe von sechs Protagonisten (drei aus jeder Nation), sowie einem Helden nach Wahl, hat man stets genug Abwechslung, ohne sich dabei entscheiden zu müssen, welchen liebgewonnenen Charakter man im Menü verkalken lässt. Die Kerngruppe bleibt nämlich immer dieselbe und entwickelt sich sehr gleichmäßig weiter. Besagte Helden sind dann aber austauschbar und stellen eher eine Art Lückenfüller dar, um Defizite in der Kerngruppe auszugleichen. Die Helden sind dabei fast immer an kurzweilige, aber ausreichend gut ausgeschmückte Heldenmissionen gebunden und bringen dabei jedes Mal auch einzigartige Fertigkeiten sowie eine neue Heldenklasse mit. Insgesamt kommt man so im Laufe des Spiels, und wir reden hier von weit über 50 Stunden selbst bei linearer Spielweise, auf über 20 Klassen, die von jedem Charakter über gewissen Mechaniken erlernt werden können. Zunächst werden diese aber Lore-bedingt an gewisse Mitglieder der Kerngruppe „vererbt“ und der Rest der Truppe schaut sich die Klassenfähigkeiten dann quasi mit der Zeit ab. Auf diese Weise wird man dazu gedrängt herumzuexperimentieren, wodurch man auch hervorragend an die vielen Feinheiten des Kampfablaufs herangeführt wird.

Grundsätzlich hat man in Xenoblade Chronicles 3 aber eine typische MMORPG-Aufteilung aus Damage Dealer, Tank und Heilern. Ich bin hier ganz gut mit einer 2-2-2-Formation gefahren, und habe dann je nach Situation mit dem siebten Helden entweder fehlenden Skills für Komboangriffe, Extraschaden oder mehr Heilung und Buffs mit eingefügt. Auch über die Ausrüstung, klassentypische (passive) Talente und geschmiedete Juwelen kann man mit allerlei Feintuning für optimale Kampfergebnisse sorgen. Hier stellt einem das Spiel nach und nach immer mehr Slots und Möglichkeiten zur Verfügung und bindet die meisten Elemente an ihre Klassen statt an die Charaktere selbst. So kann man recht entspannt durchwechseln ohne immer wieder dieselben Dinge ausrüsten zu müssen. Durch neue dazugewonnene Klassen, vererbte Fähigkeiten, Talente oder was auch immer wird man jedoch immer wieder dazu gezwungen, neue Zuweisungen zu tätigen, was teils in zähes Micromanagement ausartet, aber eben auch die Tiefe bietet, die sich viele Rollenspiel-Enthusiasten wünschen.

##bild85346rechts##Im Kampfgeschehen an sich läuft dann aber alles wie gehabt ab. Grundsätzlich greifen die Helden selbstständig an, man selbst sorgt quasi „nur“ für eine taktisch sinnvolle Positionierung und löst durch Skills bestimmte Effekte und Kombos aus. Hier greifen die einzigartigen Fähigkeiten immer wieder sehr schön ineinander, es kann aber bei sieben Leuten plus Gegnern dann doch manchmal ganz schön wuselig auf dem Bildschirm werden. UI-Indikatoren und das generelle UI-Design helfen aber stets dabei den Durchblick zu behalten, auch wenn man vor lauter Effekten seine Spielfigur mal nicht erkennen kann. Man hat übrigens auch stets die Wahl, in wessen Haut man schlüpft und wessen Klasse man mit wem spielen will. So viel Freiheit war für mich ebenfalls ein Novum. Ihr seid also weder bei der Erkundung, noch im Kampf an einen Charakter gebunden, sondern könnt mal eben selbst der Heiler werden, wenn es mit den Lebenspunkten mal etwas knapp wird und euch die an sich sehr schaue KI mal nicht effizient genug arbeitet. Über diverse Schalter kann man auch mitten im Kampf schnell die Taktik ändern und so die Mitstreiter versammeln, frei kämpfen lassen oder auf einen anvisierten Feind konzentrieren. Das sorgt dafür, dass man systematisch an die stets wechselnden Konditionen herantreten kann und macht noch dazu extrem viel Spaß.

Das war es aber noch nicht, noch laaaange nicht. Im Laufe des Spiels werden nämlich immer wieder neue Elemente wie Angriffsketten und – mal vage angedeutet – besondere Synergien zwischen den Helden mit eingewoben, was teils für Überforderung, andererseits aber auch immer wieder für neuen Schwung sorgte.

Und sonst so?
##bild85378links##Um alles, was XBC3 noch so bietet, zu erläutern, fehlt hier sowohl der Platz, als auch mir die Ausdauer. Man kann sich aber auch wieder auf ausbaubare Beziehungen zu Siedlungen mitsamt altbekannter Harmoniediagramme freuen, auf ein extrem umfangreiches Glossar samt Trainingssimulationen, jede Menge Lore und, und, und. Dabei wird man stets von einem fantastischen Soundtrack begleitet, der ganz besonders in emotional schweren Momenten zu überzeugen weiß. Auch in Sachen Optik hat man die Latte wieder um einiges höher gelegt. So sind Animationen der vielen Gegner und Charaktere nun glaubhafter, die Modelle detaillierter, die Spielwelt lebendiger, und vor allem die Auflösung stabiler. Gerade Teil 2 hat in manchen Situation und vor allem im Handheld-Modus mit arg verwaschenen Szenen zu kämpfen. Dank modernem Post-Processing und schlauerem Upscaling hält sich das jedoch im jüngsten Ableger in Grenzen, fällt aber dann und wann schon noch auf. Genauso verhält es sich im Grunde auch mit Rucklern in der Bildrate. In besonders aufreibenden Momenten oder stark detaillierten Gebieten kann die Auflösung manchmal schlichtweg nicht noch weiter gesenkt werden, und dann kommt es auch mal zu kurzen Schwankungen. In den allermeisten Fällen merkt man davon allerdings nichts und darf „flüssige 30 FPS“ genießen.

Fazit

Xenoblade Chronicles 3 war für mich anfangs ein großes Fragezeichen. Die Welt wirkte trist, das Thema deprimierend und die Helden fand ich zunächst merkwürdig. Doch gerade dadurch wird auch deutlich, wie stark sich die Handlung und dessen Persönlichkeiten im Laufe der Zeit weiterentwickeln und einem ans Herz wachsen. Man sollte meinen, bei einer sechsköpfigen Truppe sind mindestens vier nur Statisten, doch das trifft hier nicht zu. Wirklich jeder halbwegs relevante Charakter besitzt seine eigenen Nuancen und Hintergründe. Auch die Spielwelt wird mit fortlaufender Handlung immer offener, einladender und teilweise so exotisch, dass man einfach nur mal innehalten oder den Screenshot-Button massieren will. Das alles wird untermalt von einem genialen orchestralen Soundtrack, extrem vielen Möglichkeiten in Sachen Spezialisierung und Kampf und allerlei Nebenbeschäftigungen. Wohl mit Abstand am meisten beeindruckt hat mich jedoch die Handlung, die düster und ernst daherkommt, sich mit existenziellen Fragen umgibt, aber auch heitere oder und cineastisch-beeindruckende Momente bietet. Nochmal: Wer Friede-Freude-Eierkuchen will ist hier falsch. Wer aber einem tiefgreifendem RPG mit emotionaler Geschichte zugeneigt ist, dem kann ich ohne jegliche Zweifel zum Kauf raten. Wir haben es hier mit einem fantastischen Abschluss einer einzigartigen Trilogie zu tun. Funfact: Die Reihe soll trotzdem auf ihre Art und Weise fortgesetzt werden und es soll wie bei Torna: The Golden Country auch hier wieder eine umfangreiche Substory veröffentlicht werden, die wir dann ebenfalls für euch testen, wenn es gegen Ende 2023 dann soweit ist. Bis dahin vertröstet der Season Pass immerhin mit neuen Helden samt Lore-Quests, besonders schwierigen Kampfherausforderungen und allerlei Bonus-Items und Kostümen. Kann in offenen Welten nichts liegen lassen: Sebastian Mauch [Paneka] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares

Wertung 91 / 100

Ein famoses Fantasy-Rollenspiel mit glaubhaften Charakteren, einer riesigen Spielwelt und einer erstaunlich erwachsenen Geschichte.

Pro

  • Einzigartige Charaktere
  • Grandioser Soundtrack
  • Vielfältige Spielwelt
  • Umfassendes Kampfsystem
  • Viele Individualisierungsmöglichkeiten
  • Tiefsinnige, packende Story

Contra

  • Micromanagement der Helden trotz Hilfen teils sehr zeitintensiv
  • Einige Voice-Lines werden noch immer bis zum Erbrechen wiederholt
  • Teils noch immer etwas unscharf, aber besser als in den Vorgängern

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