##bild85407rechts##Man mag es angesichts der immensen Schadenszahlen und mittlerweile sogar Charakterlevel der Disgaea-Spiele nicht glauben, doch auch Nippon Ichi Software – oder kurz: NIS – hat mal klein angefangen. Und auch wenn die nunmehr dritte Ausgabe der NIS Classics nicht ganz zu den Anfängen zurückgeht, stellen die zwei enthaltenen Spiele doch wichtige Meilensteine in der Geschichte des Entwicklungsstudios dar. Und ganz wie bei der vorherigen Sammlung (zum Test) gehe ich die beiden Einzelteile von Prinny presents NIS Classics Vol. 3: La Pucelle Ragnarok / Rhapsody: A Musical Adventure einzeln durch, um euch zu zeigen, was die Altware auch heute noch spielenswert macht.
Musikalisches Puppenspiel: Rhapsody – A Musical Adventure
Das erste Abenteuer entführt uns ins Königreich Marl, der Heimat der jungen Dame Cornet. Sie hat einen einfachen Traum: Sie möchte einen Traumprinzen heiraten. Und wie es der Zufall so will, wird sie nicht nur von einem solchen während einer einfachen Sammelaufgabe gerettet, sondern erfährt auch noch, dass ebendieser Prinz zu einem Wettbewerb einlädt, um eine zukünftige Braut zu suchen. Leider gibt es da einige Rivalinnen, die ebenfalls das Herz des Königssohns erobern möchten – Cornet muss sich also mächtig ins Zeug legen, wenn sie ihr Happy End erlangen möchte. Die Geschichte gibt sich in vielen Punkten bewusst klischeehaft, wird jedoch in vielerlei Hinsicht aufgelockert. So sind die Dialoge wie für NIS üblich eher humorvoll aufgezogen worden, auch wenn für die Lokalisierung in diesem Fall Atlus verantwortlich war – besagter Publisher veröffentlichte das hier verbaute PS1-Original nämlich damals in Nordamerika. Außerdem ist das Rollenspiel auch ein Musical. Soll heißen: An bestimmten Punkten erwarten euch waschechte Gesangseinlagen, die entweder in japanischer oder englischer Vertonung aus euren Lautsprechern schallen und alles andere als schlecht klingen. Ein Abenteuer „epischen“ Ausmaßes dürft ihr hier aber nicht erwarten, denn Rhapsody lässt sich locker in unter zehn Stunden abschließen.
##bild85401links##Immerhin werdet ihr in dieser Zeit gut beschäftigt. Cornets Herzensangelegenheit führt euch in alle Ecken von Marl, wo ihr notwendige Aufgaben zur Eroberung des Prinzen erfüllt. Ganz gemäß der RPGs alter Schule müsst ihr dazu in der Regel mit den richtigen Personen sprechen und so Hinweise für das weitere Vorgehen aufspüren. Genauer gesagt schmeißt euch Rhapsody nicht selten ins kalte Wasser und lässt euch fröhlich rumprobieren, was in seltenen Fällen frustrieren kann. Dass ich beispielsweise an einer Stelle das Ende eines Dungeons zweimal aufzusuchen hatte, wird nicht sonderlich deutlich vermittelt. Die zusätzlichen Gruppenmitglieder sowie die dazugehörigen Nebenquests sind häufig sogar noch besser verborgen oder gar verpassbar. Cornet ist nämlich in der Lage, beseelte Marionetten und Puppen aufzulesen und ihnen bei ihren jeweiligen Problemen zu helfen. Wie genau ihr das anstellt, wird euch praktisch nie verraten, bis ihr euch zufälligerweise ins richtige Kämmerlein verirrt. Allein dass hinter manchen Geschichten mehr steckt, als zunächst ersichtlich ist, lässt sich schnell übersehen.
Nun kann man dies noch als Old-School-Tugend verkaufen und sogar als spannendes Kontrastprogramm zum üblichen Händchenhalten in modernen Spielen empfinden. Die Gebiete, auf denen Rhapsody jedoch leider zweifelsfrei versagt, sind die Dungeons und Kämpfe. Ihr marschiert fast ausschließlich durch die immergleichen Höhlen und Quadraträume, bringt massig austauschbare Korridore hinter euch und habt dann noch nicht einmal eine anständige Karte parat, um angesichts der mangelnden Landschaftsmerkmale in verworreneren Abschnitten den Überblick zu behalten. Die dankenswerterweise vergleichsweise seltenen Kämpfe machen die Angelegenheit auch nicht spannender. Theoretisch spielen sie sich wie ein Taktik-RPG, ihr zieht eure bis zu vierköpfige Truppe also rundenweise über ein in Quadrate aufgeteiltes Spielfeld und nehmt die Gegner aufs Korn. Praktisch spielt die Positionierung so gut wie keine Rolle und bis auf ganz wenige Bosse sind die Gegner generell so schwach, dass die Autokampf-Option locker mit ihnen klarkommt. Das macht Rhapsody zwar zu einem entspannten Einsteiger-Rollenspiel, allerdings auch zu einer Geduldsprobe für erfahrenere Genrefans, die mehr als eine charmante Erzählung brauchen.
Das Proto-Disgaea: La Pucelle Ragnarok
##bild85405rechts##In Europa war die Releasereihenfolge zwar anders, doch in Japan erschien das PS2-Original La Pucelle: Tactics damals noch vor dem ersten Disgaea – und es legte in gewissen Punkten den Grundstein für die wohl erfolgreichste Marke von Nippon Ichi. Das gilt natürlich auch für Szenario und Humor: Ihr erlebt die Geschichte der auszubildenden Nonne Priere, die als Teil des Ordens La Pucelle Dämonen jagt. Ihr Ziel ist es, zur nächsten Maid des Lichts aufzusteigen – ihr aufbrausendes Temperament und ihre mangelhafte Motivation bei der Erfüllung einfacher Aufträge macht dies jedoch nicht sonderlich einfach. Trotzdem müssen die überall im Lande auftauchenden dunklen Portale eben geläutert werden und zusammen mit mal mehr, mal weniger schrägen Gefährten geht ihr diese umfangreiche Mission an.
Auch wenn es sich bei La Pucelle Ragnarok um ein Strategierollenspiel handelt, das Disgaea nicht unähnlich sieht, spielen sich die beiden Titel doch merklich anders. So erkundet ihr die wenigen Stützpunkte des Spiels beispielsweise aus einer 2D-Ansicht und unterhaltet euch hier mit diversen Bewohnern oder tätigt Einkäufe. Auch die Übersichtskarten funktionieren anders als bei späteren Spielen üblich. So ist jedes Areal der Weltkarte in mehrere Sektoren unterteilt, die sich teils sogar verzweigen und so etwa zu fortschrittskritischen Schaltern oder optionalen Schätzen führen. Selbst die Kämpfe laufen nur oberflächlich so ab, wie man es aus Disgaea kennt. So zieht ihr in eurer Runde all eure Einheiten, bevor die Gegner an der Reihe sind, und gebt Angriffskommando für die Truppen zuerst ein, bevor sie mit einem separaten Befehl gemeinsam ausgeführt werden. So weit, so vertraut.
##bild85410links##Spezialaktionen wie etwa besonders mächtige Attacken werden hingegen umgehend ausgeführt. Das hat auch Methode, denn was La Pucelle ebenfalls von den Genrekollegen aus eigenem Hause abhebt, sind die dunklen Portale auf dem Schlachtfeld. Die daraus strömende Energie fließt quer über das Schlachtfeld und kann gelenkt werden, indem ihr Einheiten darauf platziert und in die gewünschte Richtung schauen lässt. Läutert ihr nun das Portal, hat dies mehrere Effekte zur Folge: Ihr erhaltet Erfahrung für eure Ausrüstung, die ihr so in Ermangelung der aus Disgaea bekannten Item World hochstuft, und auf dem Energiestrom stehende Figuren werden von bestimmten Effekten erwischt. Schadhafte Ströme nehmen dabei Gegner – und auch wirklich nur Gegner – in die Mangel, heilende Flüsse hingegen kurieren eure Gruppenmitglieder. Ferner dürfen alle Verbündeten, die auf einem geläuterten Strom gestanden haben, erneut ziehen. Mit etwas Geschick und Köpfchen könnt ihr so also innerhalb einer einzigen Runde gewaltig viel Boden wettmachen. Die Taktiererei macht entsprechend enorm viel Laune, auch wenn das allgemeine Spieltempo gefühlt darunter leidet. Im Austausch dafür sind nämlich selbst die ersten paar Karten ziemlich groß.
Wo ich vorhin schon die unterschiedlichen Erfahrungspunkte angeschnitten habe: La Pucelle auch bereits diverse Möglichkeiten zur Anpassung eurer Charaktere. So kann eure Ausrüstung nicht nur von den Grundwerten her verstärkt werden, sie kann je nach Merkmalen die Attribute der Figuren dauerhaft stärken, wodurch der Trupp auch neue Fähigkeiten lernt. Das gilt auch für Monstereinheiten, die in diesem Fall direkt vom Schlachtfeld rekrutiert werden – ein paar Läuterungsrunden sowie eine gehörige Tracht Prügel machen’s möglich. Das ist alles bei weitem nicht so tiefgründig und ineinander verzahnt wie bei späteren Disgaea-Spielen, macht jedoch auch bereits in dieser simpleren Form enorm Laune und motiviert ungemein.
Die übliche Technik: NIS Classics Volume 3
##bild85409rechts##In Sachen Optionen wurde bei beiden enthaltenen Spielen recht wenig ergänzt. So dürft ihr bei Rhapsody wahlweise einen Weichzeichner oder Röhren-TV-Filter aktivieren, das originale 4:3-Bildformat bleibt jedoch in jedem Fall erhalten. La Pucelle Ragnarok bietet hingegen gar keine Grafikeinstellungen und erstrahlt mit anständig aufgelösten Hintergrundgemälden sowie leicht verwaschen wirkenden Sprites, die jedoch nicht an detailverliebten Animationen vermissen lassen. In Sachen inhaltlicher Boni ist die Lage wiederum umgekehrt: Rhapsody ist wirklich nur die PS1-Version des Rollenspiels, wie sie damals erschien, ganz ohne jegliche Änderungen und Ergänzungen des (zugegebenermaßen dezent verbuggten) DS-Remakes. La Pucelle Ragnarok wiederum ist, wie der Name bereits zeigt, die erstmals für westliche Gefilde lokalisierte PSP-Version des Spiels, die mitsamt einiger Bonus-Charaktere sowie einer zusätzlichen Geschichte nach Spielabschluss daherkommt. Irgendwie muss ja der Auftritt von Protagonistin Priere in Disgaea und Co. erklärt werden. Stoff gibt es also gerade bei dem Strategie-RPG dieses Duos zu genüge.