Fire Emblem: Three Houses

##bild82292rechts##Es wird wieder einmal Zeit, sich für einen von drei Pfaden zu entscheiden! Und nein, anders als bei Fire Emblem Fates damals (zu den Tests: Vermächtnis, Herrschaft, Offenbarung) wird die Wahl nicht an der Kasse getroffen, sondern im Spiel selbst – ganz ohne Aufpreis. Fire Emblem: Three Houses geht die Dinge aber auch insgesamt anders an, als man es von der Strategie-RPG-Reihe aus dem Hause Intelligent Systems kennt. Im Fokus steht ein als Militärakademie dienendes Kloster und ihr verdingt euch als Dozent am Institut – entsprechend geregelt sieht euer Alltag aus. Dass es immer noch unverkennbar Fire Emblem ist, was von den neuen Ideen funktioniert und was noch etwas Feinschliff vertragen könnte, verrate ich euch im folgenden Test.

Nicht für die Schule…
Moment, Dozent? Wie kommt es denn dazu? Nun, eigentlich zieht eure Hauptfigur Byleth – wahlweise männlich oder weiblich und in allen Fällen frei benennbar – zusammen mit Vater Jeralt als Söldner durch die Lande. Das ändert sich, als ihr auf drei adelige Studenten des Klosters Garreg Mach stoßt, die ihr nach einem kleinen Einführungsgeplänkel zu eben jener Ortschaft eskortiert. Die dort ansässige Leiterin Rhea, auf die Jeralt nicht gut zu sprechen ist und auch bei Byleth ein mulmiges Gefühl auslöst, bedankt sich und lädt euch dazu ein, doch als Magister zu arbeiten und eines der drei Häuser zu unterrichten. Ein kurzer Rundgang mit optionalen Vorstellungen der Klassen später, dürft ihr auch direkt eure Wahl treffen, die sich auf den weiterführenden Handlungsverlauf auswirkt. Im ersten Spielteil bleiben die Unterschiede dabei in der Regel überschaubar, später spalten sich die Pfade jedoch gehörig voneinander ab – mehrfaches Durchspielen der mit um die 50 Stunden pro Haus ohnehin langen Geschichte lohnt sich also. Dies auch deswegen, weil ihr nicht alle Informationen zum großen Ganzen auch auf allen Handlungsrouten erhaltet.

##bild82278links##Die stolze Spielzeit verdankt Fire Emblem: Three Houses jedoch weniger dem massiven Umfang, als der umgekrempelten Struktur. Jedes Kapitel umfasst einen Spielmonat, dessen Abschlussgefecht erst ganz zum Schluss wartet. Bis dahin kommt ihr euren Tätigkeiten als Dozent nach und dürft beispielsweise das Klostergelände erkunden, um mit den Schülern und Lehrern zu plaudern, aufgelesene Fundsachen zu ihren Besitzern zurückzubringen oder die Motivation eurer Schützlinge beispielsweise durch eine gemeinsame Mahlzeit zu steigern. All dies sorgt nicht nur dafür, dass Byleth Bande mit den Charakteren knüpft – mehr dazu später –, sondern erlaubt es euch auch, in der folgenden Schulwoche Einzelunterricht zu erteilen. Nur ausreichend motivierte Studenten können auf diese Weise Erfahrungsboni in den verschiedenen Meisterschaftsstufen wie Schwertkunst, Reitfähigkeit und Führungsstärke erzielen, je nach eingestellter Zielsetzung werden über die im Schnelldurchlauf behandelte Woche hinweg aber auch zwei festgelegte Fähigkeiten regulär ausgebildet. Und da die Erfahrung im Umgang mit Lanze, Kampfhandschuh und Co. im Praxiseinsatz auf dem Schlachtfeld nur sehr spärlich gewonnen wird, ist dies so ziemlich die einzige Methode, effektiv die Fertigkeiten eurer Schützlinge auszubilden. Anders sieht es da bei eurem Charakter selbst aus, der sich entweder auf ein Mal pro Woche verfügbare Seminare oder direkte Instruktionen von anderen Lehrkörpern im Zuge der Klostererkundung verlassen muss, um sein Wissen zu vertiefen.

Auf der einen Seite eröffnet diese Struktur reichlich Möglichkeiten zum Feinschliff eures Trupps, der übrigens wirklich nur aus den Schülern der Akademie sowie ein paar Lehrern und ansässigen Rittern bestehen kann. Nervig hierbei: Wollt ihr Charaktere anderer Häuser für eure Seite gewinnen, müsst ihr erst bestimmte Werteanforderungen erfüllen. Falls ihr also im Haus der Goldenen Hirsche startet und die Bogenschützin Bernadetta von den Schwarzen Adlern in eurem Trupp haben möchtet, müsst ihr zunächst an euren Bogenkünsten und dem Stärke-Wert arbeiten. Dafür sind die Karrierepfade eurer Einheiten theoretisch vollkommen euch überlassen, auch wenn manche Figuren wie die von Beginn an mit Angriffsmagie ausgestattete Lysinthia oder der mit kräftigen Fäusten gesegnete Haudegen Raphael sich einfacher in gewisse Rollen pressen lassen als andere. Um neue Charakterklassen freizuschalten, muss die jeweilige Person lediglich über die passenden Fähigkeitsränge verfügen – alles andere, inklusive der tatsächlich ausgerüsteten Bewaffnung, ist euch überlassen. Weil die Wochen aber je nach Aktionsplan reichlich Zeit in Anspruch nehmen, vergehen pro Kapitel schon mal mehrere Stunden. Das schlaucht tierisch und lässt beizeiten sogar vergessen, dass ihr euch hin und wieder in eigentlich ziemlich kritischen Situationen befinden sollt.

…sondern für das Leben lernen wir
##bild82288rechts##Früher oder später wird es dennoch unausweichlich zum Hauptkampf des jeweiligen Kapitels kommen. Hier läuft alles gewohnt taktisch, wenn auch merklich anders ab. Zwar zieht ihr nach wie vor abwechselnd mit dem Gegner all eure Einheiten über das Schlachtfeld, der Teufel steckt jedoch im Detail. Das klassische Waffendreieck, welches nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip Äxte, Lanzen und Schwerter gegeneinander ausspielt, gibt es wieder einmal nicht. Stattdessen werden Vorteile entweder über die Ausbildung der dazugehörigen Waffenfertigkeiten oder mit entsprechendem Kampfgerät selbst erzielt. Neben diversen passiven Boni stehen dabei auch bis zu drei aktive Angriffsmanöver zur Auswahl. So können Faustkämpfer beispielsweise nach ihrem Angriff direkt am Gegner vorbeihuschen oder feindliche Ritter mit einem rüstungsbrechenden Schlag drangsaliert werden. Allerdings verbrauchen derartige Aktionen mehr Waffenhaltbarkeit. Immerhin sind zerbrochene Waffen nicht komplett verloren und können sogar mit Minimalschaden weiter genutzt oder in der Schmiede repariert werden. Theoretisch soll dies dazu anregen, behutsamer und überlegter zu spielen, in der Praxis verfügen die meisten Mittelklassewaffen jedoch dermaßen viele Haltbarkeitspunkte, dass man damit locker einige Gefechte auskommt. Auch das Magiesystem wurde übrigens umgekrempelt: Zauber werden allein über die dazugehörigen Attribute Vernunft und Glaube erlernt, können lediglich von gewissen Klassen genutzt werden und verfügen über eine bestimmte Anzahl von Ladungen, die sich nach jedem Gefecht automatisch regeneriert.

Die Details hat man sowohl als Neuling als auch als Fire Emblem-Veteran insgesamt ziemlich schnell intus, sodass man seine Truppe nach nur wenigen Einführungspartien gekonnt über das Schlachtfeld beordert. Wer sich übrigens zu letzteren zählt, sollte unbedingt auf dem höheren der beiden Start-Schwierigkeitsgrade beginnen. Auf normaler Stufe kam mir Three Houses insgesamt zu einfach vor – innerhalb weniger Kapitel war mein Trupp quasi dauerhaft überlevelt, wirklich verzwickte Situationen präsentierten sich mir nur selten. Für den absoluten Notfall und das gelegentliche unschöne Ableben – das dauerhafte Ausscheiden eurer Charaktere gibt es optional ebenfalls wieder – dürft ihr übrigens auch wieder am Rad der Zeit drehen. Ganz wie bei Fire Emblem Echoes lassen sich ein paar Züge zurückspulen, damit ihr gegebenenfalls Fehler korrigieren könnt. Sogar beim Scheitern eurer Mission gibt euch das Spiel die Gelegenheit, lieber ein paar Schritte zurückzugehen anstatt das komplette Gefecht von Anfang an aufrollen zu müssen. Auf diese Fähigkeit darf jedoch nur begrenzt pro Schlacht zurückgegriffen werden, man sollte es also umgekehrt auch nicht übertreiben.

Gemeinsam sind wir stark
##bild82285links##Ein niedriger Schwierigkeitsgrad muss jedoch nicht unbedingt immer in Langeweile münden. Dafür sorgen die angenehm strukturierten Aufträge. Klar müssen in der Regel entweder alle feindlichen Soldaten vom Feld gefegt oder zumindest die Kommandanten ausgeschaltet werden, durch Sonderziele mit Bonusbelohnungen oder fiese Überraschungen wird man jedoch stets auf Trab gehalten. Speziell Kämpfe mit mehrere Felder beanspruchenden Großmonstern können gerne etwas haariger ausfallen, verfügen sie doch über besondere Angriffe mit enormer Reichweite sowie mehrere Energieleisten, die es niederzukämpfen gilt. Hier kommt aber auch ein weiteres taktisches Element zum Tragen: die Strategeme. Jeder Einheit lässt sich – sofern der Führungswert entsprechend ausgebildet ist – ein Bataillon zuweisen, welches einerseits passive Werteboni mitbringt, andererseits aber auch besondere Manöver erlaubt. Von simplen Angriffsaktionen über flächendeckende Heilung eigener Truppen bis hin zum heimtückischen Giftschlag ist alles dabei. Speziell die Riesenbestien richten ihre Aufmerksamkeit auf diejenigen, die sie mit einem derartig auffälligen Angriff in die Zange nehmen. Das erlaubt es euch, die richtig fiesen Attacken wegzulenken – ein schöner, taktischer Touch.

Wer trotzdem ein wenig Nachhilfe braucht, kann sich alternativ zu den Seminaren oder Klosterrundgängen auch in freien Gefechten austoben – auf normaler Schwierigkeitsstufe sogar praktisch unendlich von ihnen. Nebst Gold und Erfahrungspunkten bringen diese zudem auch nützliche Materialien zum Schmieden stärkerer Waffen oder anderer Nettigkeiten ein. Vielmehr lassen sich in den Extra-Schlachten auch diverse Nebenquests finden, bei denen ihr nicht selten die Heimatsituation eurer Schüler näher kennenlernt oder euren Kollegen in diversen Angelegenheiten aushelft. Vorher müsst ihr euch jedoch ausreichend mit ihnen anfreunden, was wiederum durch fleißige Plaudereien und moralische Unterstützung im Kampf geschieht. Nebeneinander platzierte Einheiten können dann kleine Werteboni beisteuern, je nach Stärke des Bandes, die mit jeweils einer netten Dialogsequenz quittiert wird. In diesen Gesprächen kommen serientypisch die Charaktere voll zur Geltung und verraten euch auch einige Dinge, die ihr im normalen Spielablauf sonst nicht erfahrt – dieser konzentriert sich nämlich maßgeblich auf Byleth, den jeweils gewählten Haussprecher sowie das allgemeine Weltgeschehen. Hochzeiten und daraus resultierende rekrutierbare Kinder wie in Fire Emblem: Awakening und Fates gibt es im Rahmen der Hauptgeschichte übrigens keine. Das ist vielleicht auch gut so, da auf diese Weise wenigstens keine irrsinnige Begründung für die Existenz der erstaunlich großen Nachkommen erdacht werden muss – mit freundlichen Grüßen an die verborgenen Reiche von Fates.

Schöne neue Schule
##bild82276rechts##Mit dem Sprung auf die Switch und damit wieder eine Heimkonsole – oder zumindest ein heimkonsolennäheres System – erfuhr Fire Emblem nach den 3DS-Inkarnationen ein gehöriges technisches Upgrade. Speziell die Charaktermodelle sahen nie besser aus, auch wenn sie teilweise etwas mehr Mimik vertragen könnten – der Augenbereich wirkt gerne mal etwas leblos. Ihr könnt nun sogar optional das gesamte Schlachtfeld in einer 3D-Nahansicht erkunden und eure Einheiten sogar direkt über die schachbrettartige Umgebungsstruktur navigieren. An sich eine coole Idee, nur scheitert sie an der mangelhaften Übersicht. Zwar verdeutlichen Zielanzeiger, wann immer sich eine eurer Einheiten im Aufmerksamkeitsradius der Feinde befindet, doch selbst mit der groß eingeblendeten Karte am rechten Bildrand sieht man aus der üblichen Vogelperspektive schlichtweg mehr. Nichtsdestotrotz hat es etwas, seine gesamte Streitmacht inklusive zugewiesener Bataillone direkt begutachten zu können. Ferner läuft das Spiel sowohl am Fernseher als auch über das Switch-eigene Display zufriedenstellend sauber. Schade ist dafür, dass ihr teils recht lange Ladezeiten in Kauf nehmen müsst. Speziell das Lehrplan-Management lädt gerne mal etwas länger, dafür sind die Wartepausen zugegebenermaßen aber auch recht selten. Zu der ansehnlichen visuellen Komponente gesellt sich übrigens auch eine famose Klangwelt. Der Soundtrack ist wieder einmal großartig geworden und unterstreicht das Geschehen perfekt – egal ob nun für ruhige Momente im Klosteralltag, aufbrausende Schlachten oder betrübende Ereignisse. Auch die vollständig in englischer und japanischer Sprachausgabe vertonten Dialoge können sich hören lassen und glänzen mit verspielten Leistungen, die den Figuren gekonnt Leben einhauchen. Da ist es umso kurioser, dass Protagnist Byleth selbst praktisch keine gesprochene Zeile hat und seine Stimme nur im Kampf erklingen lässt.

Strichwort kurios: Das gilt auch für einige der Bonus-Features. So werdet ihr zu Spielbeginn gefragt, ob ihr euch mit dem Spielserver verbinden möchtet. Dies ist rein optional, öffnet euch jedoch ein paar nette Statistiken zu den Entscheidungen anderer Spieler – beispielsweise wie die gesamte Zockerbasis die jeweiligen freien Ingame-Tage verbracht hat oder welche Charaktere in besagtem Monat am häufigsten zu einer Tasse Tee eingeladen wurden. Etwas gehaltvoller ist hingegen der Empfang von Austauschstudenten, also den Kämpfern anderer Spieler, die euch als unterstützende Adjutant-Einheit im Kampf zur Seite stehen und nach Schlachtenende eine Fähigkeit vererben können. Oder ihr spielt mit ihnen eine Partie Verstecken – auch das ist möglich. Zu guter Letzt wurde auch an die amiibo-Sammler gedacht, wenn auch mit einer eher alibihaften Einbindung. Im gut versteckten amiibo-Pavillon lassen sich durch das Einlesen der NFC-Statuetten zufällige Gegenstände verschiedenen Wertes oder Bonus-Musikstücke für freie Gefechte erhalten. Nett, aber nicht von großer Bedeutung.

Fazit

Dass der Wechsel auf eine Heimkonsole (mit Handheld-Kapazitäten) höhere Ansprüche mitbringt, ist klar. Fire Emblem: Three Houses schafft es jedoch, besagten Ansprüchen in vielen Punkten gerecht zu werden. Es fühlt sich wirklich insgesamt größer an als seine 3DS-Vorgänger – allein schon weil ihr jetzt ganze Bataillone in den Kampf schicken könnt und diese Trupps allesamt auch in der Nahansicht auf dem Schlachtfeld zu sehen sind. Das Taktik-Grundgerüst wurde ein wenig aufgepeppt und angepasst, ohne dabei allzu sehr an der Tiefe einzubüßen, die Fire Emblem ausmacht. Das Ausbleiben des Waffendreiecks wird durch die überholte Waffenmeisterung sowie den damit verknüpften umfassenden Fertigkeiten-Katalog kompensiert und die kirchliche Militärakademie bietet euch das passende Szenario für den individuellen Aufbau eures Teams. Die Vielzahl an Charakterklassen und die abwechslungsreichen Gefechte laden auf jeden Fall zum Experimentieren ein. Allerdings bremst die monatliche Lernerei den Story-Fortschritt zum Teil auch gehörig aus. Klar kann man die Lernphasen auch ganz dem Willen des Spiels überlassen, auf Nebenquests verzichten und einfach schnurgerade von einer Schlacht zur anderen springen, dies rächt sich jedoch spätestens auf höheren Schwierigkeitsstufen, von denen eine noch später per Patch ergänzt werden soll – man kommt also um die Vorbereitung nicht ganz herum. Ferner finde ich es persönlich schade, dass die Charaktere, die man am Anfang gestellt bekommt, bis auf ein paar Lehrer und mögliche Übernahmeschüler aus anderen Häusern so ziemlich auch diejenigen sind, mit denen man das Spiel beendet. Dennoch ändert dies nichts daran, dass Three Houses ein rundum gelungenes Taktik-Rollenspiel für Quereinsteiger und Serien-Fans ist, welches mit seinen drei Story-Strängen mehr als genug Stoff für wiederholte Spieldurchläufe bietet und nie wirklich langweilt. Dauernachsitzer: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.

Wertung 82 / 100

Zwischen Schulalltag und Schlachtengetümmel: Ein etwas anderes Fire Emblem-Erlebnis mit interessanten Charakteren, spannenden Schlachten und reichlich zu tun.

Pro

  • Drei umfangreiche Handlungspfade
  • Reichlich liebenswerte Charaktere
  • Interessante Anpassungen am Waffenhaltbarkeitssystem…
  • Unterhaltsamer, relativ freier Einheiten-Aufbau
  • Vielfältige Gefechtssituationen
  • Nebenquests und Zusatzlektüren schmücken die Welt gekonnt aus
  • Klasse Musik

Contra

  • Zähe Schulphase
  • Rekrutierung vieler Einheiten nur mit Fleißarbeit machbar
  • …die in der Praxis kaum von Belang sind
  • Optionale Nahansicht extrem unübersichtlich

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