Obwohl sie inzwischen schon recht bekannt geworden sind, kommt es komischerweise immer wieder vor, dass die Spiele dieser Entwickler hin und wieder gerne übersehen werden. Die Rede ist von PlatinumGames, die sich mit Titeln wie Bayonetta und Nier: Automata bereits einen Namen gemacht haben. Und da erstere Reihe bereits auf der Switch gelandet ist und der dritte Teil ebenfalls in den Startlöchern steht, soll davor lieber nochmal etwas ganz Neues kommen: Astral Chain. Nachdem ein fälschlich übersetzter Tweet, der behauptet habe, das Spiel sei als Trilogie ausgelegt, für ein wenig Unmut gesorgt hat, ist inzwischen wieder alles im Reinen. Trotzdem bleibt noch die Frage: Hätte der Titel es verdient, weitere Teile zu erhalten oder sollte es bei diesem einem, kurzen Versuch bleiben? Ich habe mir die virtuelle Polizeiuniform angezogen, um genau dem nachzugehen.
Wir schreiben das Jahr 2078
##bild82454rechts##In Astral Chain übernimmt man die Kontrolle eines Zwillings, wobei man sich vor Spielbeginn aussuchen kann, ob man die Rolle des männlichen oder weiblichen Geschwisterteils übernehmen möchte. Ungeachtet dessen treten jedoch trotzdem beide in der Story auf, denn bei ihnen handelt es sich um Polizisten auf der Arche, einer künstlichen Insel, die die letzte Bastion im Jahre 2078 darstellt. Der Rest der Welt ist durch Angriffe der so genannten Chimären verwüstet, welche die Bevölkerung gnadenlos angreifen und sie mittels des Rotschubes selbst in grauenvolle Monster, Aberrationen genannt, verwandelt. Dass man auf der Arche auf eine Chimäre trifft, ist allerdings recht selten und eigentlich herrscht größtenteils Frieden, sodass auch die Zwillingspolizisten eher regulärer Arbeit nachgehen – bis sie jedoch in ein Einsatzgebiet gerufen werden, in der genau ein solches Monster Chaos anrichtet. Allerdings wird schnell festgestellt, dass sie absolut machtlos gegen die Kreatur sind. Sie können sie nicht einmal sehen.
Hier treffen die beiden auf die Spezialeinsatzkräfte von Neuron, die dafür ausgebildet worden sind, mit den unnatürlichen Kreaturen fertig zu werden. Zu diesem Zweck bedienen sie sich ihrerseits an Legionen – gebändigte Chimären, die ihren Herrscher folgen und schlagkräftig unterstützen. Und wie es der Zufall so will, hatten die Oberhäupter von Neuron schon länger ein Auge auf die Zwillinge geworfen, sodass sie in diesem Einsatz extra selbst mit dieser übernatürlichen Kraft in Form einer eigenen Legion ausgestattet werden. Von hier aus beginnt das Abenteuer der zwei Helden, die daraufhin in immer schrecklichere Fälle verwickelt werden. Die gesamte Story ist sehr gut geschrieben und leicht zu verfolgen. Sie hält auch die eine oder andere Überraschung bereit, wobei ich zugeben muss, dass sie teilweise schon sehr leicht vorhersehbar waren. Wie man es von PlatinumGames kennt, sind auch teilweise witzige Momente in den Spielverlauf eingebaut, wobei der Titel insgesamt gesehen definitiv einer ihrer ernsteren ist. Der Text wurde dabei vollständig auf Deutsch übersetzt, die Sprachausgabe erfolgt ausschließlich auf Englisch.
Man ist und bleibt doch Ermittler
##bild82452links##Dabei ist das Gameplay mehr oder weniger in zwei Teile geteilt, die nahtlos ineinander übergehen. Zum Einen gibt es die Ermittler-Phase, in der man durch unterschiedliche Orte wandert, mit Leuten spricht und in vielen Fällen auch mehr oder weniger Detektiv-Arbeit leistet. Hierbei handelt es sich häufig um kleinere Nebenaufgaben, die alle recht simpel gehalten sind. Hier und da muss man jedoch auch Hinweise sammeln um schlussendlich herauszufinden, warum eine Person einfach verschwunden ist. Am Ende eines solchen Abschnittes werden alle Indizien auch nochmal vorgelegt und je nachdem, ob man die richtigen passend zum Dialog wählt, wird man entsprechend bewertet. Auch diese Teile fallen äußerst simpel aus und wenn man in den Gesprächen ein wenig aufpasst, stellen sie absolut kein Problem dar. Außerdem bekommt man ein so genanntes IRIS zu Verfügung, was grundsätzlich eine Erweiterte Realität darstellt und mit dem man im Spiel unter anderem auch durch Wände sehen, aber auch alle Aufgabenmarker finden kann. In vielen Fällen kommt es dann allerdings auch dazu, dass der Täter eine Chimäre war und mit dem Opfer geflohen ist – in die Astralebene. Zwar ist es nicht immer so, häufig begibt man sich aber genau dort hin, um den zweiten Teil des Spiels zu beginnen.
Lasst es krachen!
##bild82449rechts##Im Gegensatz zur normalen Welt ist die Astralebene nämlich nicht ganz so friedlich – schließlich ist es die Welt der Chimären. Dementsprechend kommt hier auch am meisten der eigentliche Hauptaspekt des Spiels zum Vorschein: Die Kämpfe. Diese sind nämlich, wie man es von den Entwicklern gewohnt ist, äußerst abwechslungsreich gestaltet und auch außerordentlich gut in Szene gesetzt. Um sich vor den Monstern, die in etlichen Variationen auftreten können, zu schützen, hat der Spielercharakter selbst dank des von ihm geführten Schlagstocks bereits einige Angriffsmöglichkeiten. Dieser kann nämlich von Anfang an drei Formen annehmen: Eine kurze, schnelle Variante, eine Art Breitschwert-Form sowie die Transformation zu einer Schusswaffe. Jede dieser Formen verfügt bereits über eine eigene Kombo und wird im Verlaufe des Spiels um ein paar weitere Möglichkeiten ergänzt, um sich die Kämpfe interessanter zu gestalten.
Erst richtig spannend wird es allerdings beim Einsatz der Legionen. Im Verlauf des Spiels erhält man fünf unterschiedliche Legionen, mit denen sich die Standard-Kombos noch erweitern oder verändern lassen. Mit ihnen lassen sich unterem Anderem mächtige Abschluss-Angriffe ausführen, aber auch diverse Spezialmanöver: Da die Legion nämlich ständig an einer Kette mit dem Spieler verbunden ist, kann diese ohne Probleme einmal um einen Feind herum geführt werden, um diesen mit dieser Kette zu binden und damit für kurze Zeit regungslos zu machen. Des Weiteren können auf einen zustürmende Chimären mit der Kette abgefangen und zurückgeschleudert werden. Zudem besitzt jede der fünf Legionen noch eigene Spezialfertigkeiten, die sie alleine ausführen kann. Wenn man die Legion nicht gerade manuell steuert, greift diese außerdem einfach von sich aus an. Man muss jedoch aufpassen: Der eigene Helfer kann nicht unbegrenzt auf dem Feld bleiben. Die so genannte Limiter-Anzeige zeigt einem an, wie lange die Legion noch draußen bleiben kann, bevor sie für kurze Zeit mal wieder zurückgerufen werden muss. Und unbesiegbar ist der monströse Helfer auch nicht: Erleidet dieser Schaden, nimmt die Limiter-Anzeige rapide ab und sollte diese durch einen Angriff auf Null sinken, kann für eine bestimmte Zeit erstmal keine Legion mehr gerufen werden. Auch man selbst muss sich vor Angriffen vorsehen und man besitzt keinen Block – lediglich eine Ausweichtaste, wobei eine Ausweichrolle zur richtigen Zeit wiederum die Möglichkeit für einen Konter, ob von einem selbst oder der Legion, eröffnet. Letztlich gibt es noch eine weitere Option, im Kampf ordentlich auf den Putz zu hauen, allerdings beinhaltet diese Story-Spoiler, die ihr doch lieber selbst in Erfahrung bringen solltet.
1+ mit Sternchen
##bild82447links##Nach Abschluss bestimmter Kämpfe erhält man eine Punktzahl und dementsprechend einen Rang, Geld und auch eine Art Job-Punkte. Der Rang dient lediglich zum Abschluss jedes Kapitels um zu sehen, wie gut man sich geschlagen hat. Dabei gibt es aber kein groß auf Kombos aufgebautes Punktesystem, wie es bei Devil May Cry oder Bayonetta der Fall war, sondern eher eines, das Effizienz und Cleverness belohnt. So kann man versuchen, alle Feinde schlichtweg so schnell wie möglich zu erledigen, um einen ordentlichen Zeitbonus einzuheimsen – oder man geht methodisch vor, wählt diverse Kombos und unterschiedliche Legionen, um am Ende Boni für die eingesetzten Techniken zu kassieren. In beiden Fällen ist es möglich, die höchste Bewertung zu erhalten, sodass man sich aussuchen kann, wie man dafür vorgehen möchte. Auf das Geld brauche ich vermutlich nicht weiter eingehen, die Job-Punkte hingegen dienen zum Aufstieg des Ranges bei Neuron, was grundsätzlich wie eine Art Level für den Spieler zu verstehen ist. Jeder weitere Rang führt dabei zu mehr Lebensenergie und einer Rang-Belohnung, häufig in Form eines kosmetischen Gegenstandes.
Kraft… Ich brauche mehr Kraft
Sollte man mal Problem mit den Gegnern haben, lohnt es sich ein Upgrade durchzuführen. Die eigene Ausrüstung lässt sich dabei lediglich im Hauptquartier verbessern, dafür kann man dadurch neue Techniken erlernen oder die Limiter-Anzeige erhöhen – und hierfür werden Geld sowie Materialien gebracht. Bei den Legionen sieht es etwas anders aus: Um diese zu verbessern, braucht man Gencodes, die man ausschließlich durch das Besiegen von Feinden erhält. Mit denen kann man dann, ähnlich wie an einem Fähigkeiten-Baum, neue Status-Boni und eben auch Fähigkeiten freischalten. Allerdings gibt es hier keine großen, sich unterscheidenen Bäume für die verschiedenen Legionen. Jede verfolgt lediglich einen Weg, bei dem man Prioritäten setzten kann, was man zuerst freischaltet.
Abseits der Action
##bild82451rechts##Alleine um die Story von Astral Chain durchzuspielen wird man ein wenig Zeit investieren müssen. Ich selbst habe 25 Stunden gebraucht, wobei ich mich auch darauf konzentriert habe, möglichst viel zu entdecken. Wie es für Spiele dieser Art nämlich üblich ist, gibt es einige versteckte Kämpfe, Aufgaben und auch diverse Gegenstände und Gegner zu finden – was teilweise echt nicht einfach ist. Außerdem lassen sich Charakter- sowie Gegnerdaten für die eigene Datenbank sammeln, indem man sie in Schnappschüssen ablichtet – bei denen man im Übrigen auch Selfies aufnehmen kann. Weiterhin lassen alle Legionen sowie der Charakter selbst in bestimmten Maße anpassen (im Falle der Legionen allerdings beschränkt auf die Farbe) und es gibt über 180 In-Game-Achievements, bei deren Erfüllung weitere Items, Accessoires und andere kleine Boni winken. Wem das noch nicht genügt, kann auch versuchen überall den besten Rang einzuheimsen, was hier wirklich einfach gemacht worden ist: Es ist zu jeder Zeit möglich in die Kapitelauswahl und von dort aus in bestimmte Abschnitte eines Kapitels zu springen, sodass man immer sehr schnellen Zugang zu allen möglichen Rangkämpfen hat. Zudem bietet der Titel im Übrigen drei Schwierigkeitsgrade, wobei auf dem es auf dem leichtesten sogar möglich ist, das Spiel komplett für sich selbst spielen zu lassen – sodass man sich komplett auf die Story konzentrieren kann. Für den ganz besonderen Spaßzu zweit ist es sogar möglich, das gesamte Spiel im Koop hinter sich zu bringen, wobei ein Spieler den menschlichen Charakter übernimmt, wohingegen der zweite die Legion spielt. Insgesamt bietet das Spiel ein wirklich rundes Paket an Inhalt, dessen Gameplay flüssig von der Hand geht und an dem man auch über längere Zeit Spaß finden wird.
Explosionen! Wir brauchen mehr Explosionen!
Damit das saubere Gameplay aber auch gut abgerundet werden kann, bedarf es einer genau so schönen Präsentation und auch die bietet der Titel mehr als genug. Visuell bekommt man selten mehr Explosionen geschenkt und die Cel-Shading-Optik passt perfekt zu den harten Kontrasten der fülligen Farben im Vergleich zu so mancher dunkler Gasse, durch die man streift. Auch bei den Kombo-Angriffen geht es hoch her und sobald man ein Gefühl für diese entwickelt hat, fliegen die Funken, ohne dass die Framerate in die Knie geht. Ein einziges Problem sehe ich allerdings, und dass ist die Tatsache, dass viele Areale immer wieder aufgesucht werden – sei es in der Astralebene oder in der echten Welt. Zwar werden auch neue Abschnitte eröffnet um dann zu ganz anderen Orten zu gelangen, leider muss man aber häufiger auch mal durch das gleiche Areal wandern. In Sachen Musik bekommt man hier jedoch ordentlich etwas geboten. Neben melodischen Titelmelodien passt der Sound in jedem Abschnitt sehr gut zum Geschehen und wird auch auf Dauer nicht langweilig. Einziges Manko in Sachen Sound sehe ich bei der Stimme des Spielercharakters. Dieser bleibt nämlich, obwohl für beide Geschlechter Stimmen existieren, größtenteils stumm. Einzige Ausnahme sind Kampfschreie und die können auf Dauer doch etwas nerven.