Wenn Square Enix schon kein richtiges, neues Final Fantasy Tactics macht, dann müssen eben andere diese Lücke füllen! Beispielsweise Fell Seal: Arbiter’s Mark, das seine offensichtliche Inspiration so ziemlich gar nicht verbergen kann. Vom Job-System über den Kampfverlauf bis hin zu kleineren Details übernahmen die Macher vieles von Squares Vorzeige-Taktikrollenspiel. Doch wenn das Endergebnis schlussendlich dermaßen unterhaltsam ist, dass es ganz wie das Vorbild über Stunden hinweg an den Bildschirm fesselt und zudem für Taktiker so ziemlich aller Kenntnisstufen die passende Herausforderung bietet, will man sich auch kaum beschweren.
Adel vergiftet
##bild82459rechts##Alles beginnt mit einem Mordfall. Ihr begleitet die Hüterin Kyrie dabei, wie sie einen auf frischer Tat ertappten Adeligen vor Gericht zerren möchte. Eigentlich eine simple Sache, wenn der Rat der Unsterblichen, welcher das Fantasy-Land regiert, nicht gerade auf der Suche nach Nachfolgern wäre. Die von ihnen mit einem Symbol gezeichneten Hoffnungsträger stehen nämlich unter besonderem Schutz und müssen sich an so gut wie keine Gesetze halten – und genau zu diesen gehört nun auch der mordende Adelige, was die gesetzestreue Kyrie aber so überhaupt nicht gutheißen kann. Es folgt eine eingangs einfache Reise im Namen der Gerechtigkeit, die sich jedoch genretypisch schnell zu etwas größerem entwickelt. Dies schlichtweg auch deswegen, weil den wachsenden Heldentrupp unerwartete Schicksale ereignen, welche die Angelegenheit gehörig verkomplizieren.
Der Fortschritt des Abenteuers wird auf einer Übersichtskarte festgehalten, deren Knotenpunkte ihr nach einmaliger Freischaltung ohne große Unterbrechungen ansteuern könnt. Zufallsbegegnungen gibt es keine, stattdessen dürft ihr in Kampfgebieten auf Wunsch patrouillieren und so kleine Gefechte zur Stärkung eurer Truppe provozieren. Ideal, um beispielsweise mit den zahlreichen Charakterklassen zu experimentieren, beziehungsweise diese und eventuelle Ersatz-Kämpfer für den Notfall auszubilden. Unter Normalbedingungen kann es nicht schaden, in den städtischen Gildenhäusern mehr Streitkräfte anzuheuern, als das Einheitenlimit pro Schlacht genehmigt. Gefallene Kämpfer werden nämlich mit einem Werte-Malus belegt, der sich bei wiederholten Niederlagen noch verschlimmert und nur durch einmaliges Aussetzen eines Gefechts aufgehoben werden kann. Klingt streng, lässt sich in der Praxis jedoch eigentlich recht locker durch ein kurzes Kämpfchen in einem der Startgebiete aufheben – von daher ist es gar nicht verkehrt, dass sich dieses in meinen Augen eher nervige Feature optional abschalten lässt. Oder alternativ verschärft ihr es und sorgt dafür, dass derartige Verletzungen dauerhaft bleiben oder gar irgendwann zum endgültigen Charaktertod führen können.
Wie hart darf’s denn sein?
##bild82460links##Der eigentliche Schlachtverlauf funktioniert genau so, wie man es von Final Fantasy Tactics kennt: Der Geschwindigkeitswert aller Figuren auf der Karte gibt die Zugreihenfolge an, nach der jeder dann separat zieht. Neben Bewegungsmanövern und normalen Angriffen stehen euch dabei bis zu zwei Sets an Jobklassen-Fähigkeiten zur Verfügung, die vorher im Ausrüstungsmenü festgelegt werden müssen. So lassen sich beispielsweise die Schwächungszauber und Vergiftungstricks des Pestarztes mit dem vernichtenden Elementarmagie-Arsenal des Magiers kombinieren. Das sorgt für Flexibilität, ohne die Menüs wirklich unübersichtlich zu machen – jede Fähigkeit hat ihren angestammten, logischen Platz. Ausführliche Erklärtexte rufen euch dabei zudem stets in Erinnerung, wie genau die Fähigkeiten wirken, also welche eurer Charakterwerte hineinspielen und welche Zusatzeffekte das Manöver birgt. Ebenfalls nicht unwichtig: Die Blickrichtung eurer Mitstreiter, die am Ende eines jeden Zuges festgelegt wird und darüber bestimmt, ob sie für Angriffe von der Seite oder gar von hinten offen stehen.
Die ersten Stunden gewöhnen euch dabei recht schnell an die zugrundeliegenden Spielsysteme, was jedoch auch bitter nötig ist. Der Schwierigkeitsgrad von Fell Seal zieht nämlich recht schnell an und Leute mit eher mäßigem taktischem Geschick sehen auf der Standard-Schwierigkeitsstufe bald kein Land mehr – ein Umstand, den das Spiel sogar kleinlaut beim Start eingesteht. Das wäre übel, wenn ihr den Härtegrad nicht in vielerlei Punkten konfigurieren könntet. Die oben genannten Konsequenzen des Einheitenverlusts sind dabei nur die Spitze des Eisbergs: Von der allgemeinen Gegnerstärke über die feindlichen Levelobergrenzen und den Einsatz von Wiederbelebungszaubern bis hin zur leichten Manipulation der Trefferchancen dürft ihr eure Partie so einstellen, wie ihr sie am unterhaltsamsten glaubt. Das ist gleichermaßen klasse für Leute, die einfach nur die Story erleben möchten, als auch für solche, die nach der ultimativen Herausforderung streben – zumal ihr an den Reglern außerhalb von Kämpfen jederzeit auf Wunsch drehen dürft.
Comic-Look mit Porträt-Charakter
##bild82461rechts##Die technische Seite gibt sich größtenteils ebenfalls lobenswert. Klar wirken die simplen Animationen zunächst angesichts der stilisierten Charaktere etwas befremdlich und auch die detaillierten Figurenporträts wollen sich nicht so recht in die restliche Optik einfügen, doch daran gewöhnt man sich schnell und speziell die eher spartanischen Animationen kommen stark dem Tempo zugute. Nichtsdestotrotz dauert es eine Weile, bis man die entsprechenden Bilder der Zugreihenfolge auch sicher seiner Truppe zuordnen kann – erst recht, wenn man sich bei der Erstellung der generischen Begleiter gewisse Freiheiten erlaubt hat. Was gleichermaßen etwas unschön ist: Die Schrift einiger Menüs fällt etwas sehr klein aus. Speziell die Fähigkeitsbeschreibungen und diverse kürzere Begleittexte in der Benutzeroberfläche hätten gerne etwas größer sein dürfen, auch in Hinsicht auf die kommende Switch Lite mit ihrem noch kleineren Screen.