##bild82979links##Selphia, du hast mich wieder! Rund fünf Jahr sind vergangen, seit ich die kleine Stadt unter dem Schutze des Winddrachens Ventuswill zuletzt besucht habe (zum 3DS-Test) und doch fühlte ich mich praktisch sofort wieder wie daheim. Überhaupt grenzt es fast schon an ein Wunder, dass dieses einst aufgrund der Schließung des Entwicklers Neverland beinahe für Europa gestrichene 3DS-Spiel nun als erweiterte Switch-Neuauflage einen zweiten Frühling erleben darf. Doch wenn dabei sogar für uns Europäer eine Modulausgabe herausspringt und noch mehr Leute dieses fantastische Rollenspiel mit Elementen aus Story of Seasons erleben dürfen, soll mir persönlich das nur recht sein. Auch wenn man Rune Factory 4 Special seine Wurzeln als kleineres Handheldspiel zweifelsfrei ansieht und dementsprechend nicht mehr ganz so prächtig erblühen mag, fasziniert das Fantasy-Farmleben noch wie am ersten Tag.
Kommt ein Adelkind geflogen…
Wie eingangs angedeutet, verschlägt es euch in dem RPG in die Stadt Selphia. Dies allerdings nicht nach einem langen Spaziergang oder gemütlich per Karren, sondern nach einem Sturz von einem Luftschiff. Glücklicherweise hat der hiesige Götterdrache Ventuswill euren Fall nicht unbedingt freiwillig gebremst und bietet euch direkt ein Zimmer an. Immerhin seid ihr die erwartete Prinzessin beziehungsweise der Prinz! Oder auch nicht, denn abseits eures Namens könnt ihr euch nach bester Serienmanier an nichts erinnern. Macht aber nichts, nun habt ihr ein Dach überm Kopf und ein Feld zum Beackern – Adel verpflichtet schließlich und in diesem Fall bedeutet dies Arbeit auf dem Lande. Ihr merkt schon, Rune Factory 4 nimmt sich nicht unbedingt durchgehend ernst, auch wenn dramatischere oder mitreißende Momente im Laufe der überraschend umfangreichen Handlung keineswegs selten sind. Die Fortschrittserlebenisse und kleineren Nebengeschichten rund um die quirlige Dorfgemeinschaft sorgen auf jeden Fall dafür, dass man sich nicht allzu schnell langweilt! Leider schreitet die Haupt-Story schon fast ZU schnell voran, sodass gerade anfängliche Ereignisse vielleicht nicht ganz die Wirkung entfalten, die sie sollten. Ferner kann das Auslösen der Stadtgeschichten ganz wie auf dem 3DS zuweilen frustrierend ausfallen, da sie, abseits nicht näher genannten Basisbedingungen, die es zu erfüllen gilt, komplett zufällig geschehen. Wenn ihr Pech habt, so wie ich bei meinem damaligen 3DS-Durchmarsch, kann es sich bis zum vollständigen Ende der Haupthandlung ziehen, bis ihr beispielsweise mit eurem in Selphia angelachten Lebenspartner auch wirklich den Bund der Ehe eingehen könnt. Immerhin blockieren andere Ereignisse wie Geburtstage nicht mehr unbedingt das Auftreten der Dörfler-Episoden. Außerdem sei an dieser Stelle lobenswert hervorgehoben, dass die Switch-Umsetzung, anders als das 3DS-Original, auch über deutsche Texte verfügt, die bis auf ein paar Ausrutscher auch ordentlich ausfallen.
##bild82981rechts##Aber wie sieht nun euer neuer Alltag als Adelskind vom Lande aus? Nach bester Serientradition grabt ihr mit der Hacke bebaubares Land um, pflanzt Saatgut und kümmert euch durch tägliches Gießen um die Setzlinge, bis euer Gemüse und Obst bereit zur Ernte ist. Die Landwirtschaft an sich ist – gemessen an dem, was Story of Seasons generell zu bieten hat – auf der einen Seite deutlich entschlackt und beschleunigt, da euer Charakter sich beispielsweise beim Gießen auch bewegen kann oder Feldfrüchte sich praktischerweise direkt beim Aufsammeln stapeln. Mit einem beherzten Langstreckenwurf landen die Erzeugnisse dann auch umgehend in der Versandkiste, wo sie täglich um 8 Uhr morgens abgeholt werden. Auf der anderen Seite bietet Rune Factory 4 jedoch noch genügend tiefgründigere Spielmechaniken, um dem Trott etwas Pepp zu verschaffen. So lässt sich auch hier die Pflanzenqualität mit entsprechenden Düngemitteln stufenweise verbessern oder ihr greift direkt zu esoterischeren Mitteln, mit denen eure Feldfrüchte zu Gigantengröße heranwächst. Wer es noch exotischer mag, darf sogar Dungeon-Gemüse aufspüren und heranzüchten, welches in zufallsgenerierten Höhlen mit mal mehr, mal weniger lukrativen Schätzen resultiert. Habe ich bereits erwähnt, dass sich das Spiel nicht unbedingt durchgehend ernst nimmt? Wie genau alles läuft, erklärt euch Rune Factory 4 leider nur sehr langsam über ein als Quests getarntes Tutorial-System. So versorgt euch euer sprechender Briefkasten Eliza täglich mit neuen Anfragen von der Bevölkerung Selphias, die zu großen Teilen aus Einführungen in die diversen Mechaniken des Bauern- und Abenteurer-Lebens besteht. Das ist in gewisser Hinsicht schade, denn Rune Factory 3 für den DS nutzte das Questsystem noch mehr zum Ausbau der Charaktere. Zufällige normale Anfragen gibt es aber natürlich ebenso und die könnt ihr sogar gelegentlich bei euren Nachbarn direkt auflesen – wer allerdings nicht aufpasst, kleistert sich schnell das über die Minus-Taste aufrufbare Questlog zu.
Auch ein Bauer muss mal auf den Putz hauen
Moment mal, Dungeons? Abenteurer? Ging es hier nicht um das einfache Landleben? Mitnichten! Rune Factory setzt sich seit jeher von Story of Seasons ab, indem es den Bauernalltag mit Erkundungsausflügen nach Action-RPG-Manier garniert. Zunächst verschlägt es euch lediglich in die nähere Umgebung Selphias, doch je weiter ihr in der Geschichte voranschreitet, desto mehr Gebiete mit stetig stärkeren Monstern warten darauf, von euch metaphorisch umgepflügt zu werden. Wirklich komplex fallen die Trips dabei jedoch nie aus. In der Regel schlagt ihr euch von einem überschaubaren Raum zum nächsten durch, müsst gelegentlich zur Lösung von Barrieren alle im aktuellen Gebiet befindlichen Monster erledigen oder passende Schalter betätigen. Selbst das Kampfsystem an sich ist enorm simpel und endet meist in wildem Tastengehämmer – wirklich tiefgreifende Kombo-Mechaniken gibt es nicht. Das muss es aber auch nicht unbedingt, denn auf diese Weise gehen die Dungeon-Erkundungen locker-flockig von der Hand. Zudem sorgen auflesbare Zauber und Fertigkeiten, die sich auf die X- und Y-Taste legen lassen, für weitere Abwechslung. Nicht zuletzt sollte bedacht werden, dass das Spiel trotz der allgemeinen Einfachheit der Kampfmechaniken keineswegs superleicht ist und von einem Story-Abschnitt zum nächsten deutlich mehr von euch abverlangen kann.
##bild82982links##Nun gibt es zweierlei Möglichkeiten, eure Siegeschancen zu verbessern. Auf der einen Seite stehen die allgemeinen Fertigkeiten eures Charakters. Die beschränken sich nicht nur auf Elemente, die man in dieser Kategorie erwarten würde – also Schwertkampf, Abwehr gegen Statusveränderungen, Umgang mit Farmwerkzeugen und so weiter. Nein, selbst für das Ansprechen von Personen, Baden, Schlafen oder bloße Herumlaufen gibt es Skill-Level! Welche Werte genau ihr damit verbessert, hängt natürlich von der Art der Fähigkeit ab, in der Regel erwartet euch jedoch zumindest ein kleiner Schub an als Ausdauer fungierenden Runenpunkten. Wollt ihr euch darüber hinaus stärken, werdet ihr allerdings nicht um das stetige Aufrüsten eurer Ausrüstung herumkommen. Klar kommt ihr über Shops und Dungeons auch an diverse Waffen und Rüstungsobjekte heran, doch die werden erschreckend schnell obsolet. Wer auf Dauer wirklich etwas reißen möchte, muss selbst zum Schmiedehammer greifen und sich diverse Crafting-Stationen ins Eigenheim holen! Der Bauprozess ist dabei supersimpel und läuft maßgeblich nach vorgegebenen Rezepten. Zwar könnt ihr frei mit euren Materialien experimentieren, riskiert dabei jedoch in Metallschrott resultierende Fehlschläge und verbraucht zudem enorm viele Runenpunkte. Besser ist es, sich beim lokalen Restaurant Rezeptbrote zu holen und zu verspeisen, um auf diese Weise neue Bauanleitungen zu erlernen. Jepp, wer in Rune Factory schlau sein will, muss Brot essen! Das betrifft übrigens auch andere Crafting-Abteilungen wie beispielsweise das Brauen von Medizin oder das schlichte Kochen, für die es ebenfalls eigene Möbelstücke gibt. Da die Rezepte jedoch zufällig und abhängig von eurem Skill-Level ausgehändigt werden, kommt ihr um stetiges Wiederholen bereits erlernter Rezepturen nicht herum. Ein bisschen Grind muss leider auch hier sein. Immerhin lassen sich überschüssige Erzeugnisse unkompliziert per Versandkiste verschachern oder ihr macht – entsprechend freigeschaltete Lizenz vorausgesetzt – einfach euren eigenen Marktstand am Fenster eures Zimmers auf. Als falsches Adelskind hat man immerhin einige Möglichkeiten!
Ordnung ist das halbe Leben
Überhaupt gibt es einige Mittel und Wege, euren Aufenthalt in Selphia dezent zu personalisieren. Nebst Crafting-Stationen gibt es eine Vielzahl weiterer Möbel und Deko-Objekte, die sich in eurer erweiterbaren Behausung platzieren lassen. Die genaue Umsetzung ist dummerweise etwas hakelig, da es keine helfenden Markierungen bei der Ausrichtung gibt und die Möbelstücke wirklich komplett frei platziert werden können, doch auch so kann man sich recht schnell heimisch fühlen. Außerdem ist euch als Prinzessin beziehungsweise Prinz die Macht zuteil, städtische Befehle zu erteilen. Über eine Anschlagtafel in der Kammer von Ventuswill setzt ihr zum Beispiel neue Feste an (oder streicht sogar bereits bestehende – wer braucht schon Weihnachten?), erweitert das Inventar hiesiger Shops oder ladet fremde Händler ein. Je mehr Touristen ihr durch euer Bewirken anzieht, desto mehr Optionen stehen euch dabei zur Verfügung. Limitationen gibt es natürlich dennoch: Einerseits könnt ihr nicht frei entscheiden, an welchen Daten Festtage stattfinden – aus der Traum vom Strandtag im tiefsten Winter! – und andererseits benötigt ihr Prinz/essinnenpunkte, um derartige Eingriffe überhaupt vornehmen zu können. Diese werden glücklicherweise bereits durch praktisch jede eurer Handlungen in kleinen Mengen generiert. Allein durch tägliche Plaudereien mit den Bewohnern, den Verkauf von Feldfrüchten oder das Besiegen von Monstern spielt ihr zügig Kleinbeträge ein, das Erledigen von Anfragen aus dem Briefkasten oder persönlichen Bitten bringt zudem deutlich größere Punkteschübe. Mit etwas Fleiß macht man Selphia also recht schnell zur abwechslungsreichen Touristenattraktion! Gerade für die Festtage lohnt sich das ohnehin. Viele von ihnen sind nämlich mit kurzweiligen Minigames verbunden, bei denen ihr euer Geschick unter Beweis stellen könnt. Sei es das möglichst effektive Scheren eines flauschigen Riesenwollys, eine Schneeballschlacht oder gar ein Kampfturnier für gezähmte Monster – an Aktivitäten mangelt es keineswegs!
Wieviel Special steckt wirklich drin?
##bild82987rechts##Da ist es beinahe schon verzeihlich, dass es der Switch-Neuauflage von Rune Factory 4 insgesamt doch an wirklich wertigen Neuerungen mangelt. Klar findet sich als größte Attraktion der sogenannte Frischverheirateten-Modus im Hauptmenü, doch um darauf zugreifen zu können, müsst ihr erst einmal im Hauptspiel die entsprechenden Junggesellinnen und Junggesellen ehelichen. Und selbst dann erwarten euch hier im Prinzip nur Kurzgeschichten im Stile der regulären Stadt-Events, die kaum eine Stunde in Anspruch nehmen. In meinem Testfall habe ich nur die der Ritterin Forte erlebt und die war auch lieblich aufgemacht, nur sehe ich die kleine Bonus-Story jetzt nicht als alleinigen Kaufgrund für die neue Version, sondern lediglich als nettes Extra. Gleiches gilt für „Eine andere Episode“, eine weitere Kurzgeschichtensammlung, bei der ohne einen zusätzlichen eShop-Download jedoch nur eine zur Verfügung steht. Immerhin ist diese, anders als das Hauptspiel und der Frischverheirateten-Modus mit ihren kurzen Sprach-Clips, komplett in wahlweise englischer oder japanischer Sprachausgabe zu deutschen Untertiteln vertont.
In optischer Hinsicht wurde Rune Factory 4 leider ebenfalls eher mäßig herausgeputzt. Die stilistisch schönen Hintergründe wirken je nach Gebiet leider gerne mal so, als hätte man sie lieblos mit einem Weichzeichner überpinselt. Auch die Inventar-Icons könnten definitiv schöner sein und sehen in vielen Teilen sogar wie schlecht ausgeschnitten aus. Dafür läuft das Spiel immerhin durchgehend flüssig und ist zudem erstaunlich sparsam im Switch-Akku-Verbrauch. Interessanterweise wurde in den Frischverheirateten-Modus ein wenig mehr Aufwand gesteckt: Erwarten euch im Hauptspiel bei Dialogen lediglich stetig auswechselnde Charakterporträts, sind diese nur in besagtem Bonus-Modus animiert – im von mir angetesteten Handheld-Modus jedoch zu Lasten der Framerate.