Mit Bravely Default auf dem 3DS (zum Test) bewies Square Enix damals, dass für klassische JRPGs ohne Hochglanz-HD-Optik immer noch ein Publikum besteht – und das amüsanterweise sogar zur Überraschung der Spieleschmiede selbst! Daher wundert es nicht, dass wir nicht nur einen direkten Nachfolger auf der selben Konsole erhielten (zum Test), sondern die Reihe mit Bravely Default II auf der Switch fortgesetzt wird. Nun waren die Fanreaktionen bislang schon nicht uneingeschränkt positiv, denn allein an der Optik mit dem fortgeführten Kopffüßler-Look der Figuren scheiden sich hier bereits die Geister. Auf meiner Reise durch das Fantasy-Land Excillant kristallisierten sich dann noch weitere Probleme, die mir gehörig den Spielspaß vermiesten, obwohl hier und da durchaus noch ein brillanter Kern durchschimmerte. Was funktioniert, was stört und wo man lediglich mit der richtigen Erwartungshaltung an das Rollenspiel herangehen muss, das verrate ich euch in meinem ausführlichen Test.
Jäger der verlorenen Kristalle
##bild84063rechts##Die Ausgangslage der Geschichte ist schnell erklärt: Ihr strandet als Matrose Seth an der Küste der Stadt Halcyonia und werdet von der reisenden Prinzessin Gloria aufgelesen. Schnell gesellen sich zudem noch die Söldnerin Adele sowie der wandernde Gelehrte Elvis zur Truppe hinzu und schon steht das Quartett, mit dem ihr das komplette Abenteuer bestreitet. Worin eure Aufgabe besteht? Nun, Gloria ist auf der Suche nach den vier Elementarkristallen, die aus ihrem gefallenen Königreich geraubt wurden. Elvis wiederum möchte mit Hilfe magischer Steine, die sogenannten Asterisken, das Buch seiner Lehrmeisterin entschlüsseln. Adele ist mit dabei, weil sie von Elvis bezahlt wird, und Seth macht aus reiner Herzensgüte mit. Mehr als ausreichend für ein zünftiges RPG-Vergnügen? Leider nicht, denn auf der Suche nach den Kristallen bleibt dies über die ersten 20 bis 25 Stunden mehr oder minder der Stand der Dinge, bis sich sich endlich spürbare Entwicklungen bemerkbar machen. Bis dahin bleiben die Story-Elemente und Charaktere gleichermaßen flach. Selbst die immer wieder eingestreuten Gruppenplaudereien helfen nicht sonderlich dabei, die Charakterzüge eurer Truppe besser herauszustellen. Das ist schade, denn für meinen Teil waren es eben die Reisegefährten, die das erste Bravely Default für mich trotz einer weitestgehend gewöhnlichen Rollenspielgeschichte so denkwürdig machten.
Während der generelle Story-Fortschritt also pausiert, kümmert ihr euch zumindest um diverse lokale Probleme. Das geschieht einerseits in Form einer exorbitanten Anzahl von Nebenquests, die nach und nach an allen großen Stationen eures Abenteuers freigelegt werden. Wirklich tiefgründig oder anspruchsvoll sind diese jedoch nicht. In der Regel gilt es entweder, irgendwelche Beutestücke von Monstern zu beschaffen, oder schlichtweg von A nach B zu marschieren – gerne auch mal mehrfach. Da viele der Nebenaufgaben zudem auch noch wirklich wertige Belohnungen vermissen lassen, endete das in meinem Fall damit, dass ich sie nach den ersten zehn Stunden praktisch komplett ignorierte. Die andere Art der Beschäftigung ist die Lösung der jeweils großen lokalen Probleme, die mit der Haupthandlung in Verbindung stehen. Spieler der Demo kennen beispielsweise bereits das Szenario der bis zum Hals im Wasser stehenden Wüstenstadt Savalon. Dabei treten natürlich auch diverse Asterisk-Träger auf den Plan, die als Bosse fungieren – doch bis dahin wollen Wälder, Höhlen und andere Dungeons erkundet werden.
Unterwegs im Düsterwald
##bild84065links##Die jeweiligen Wildnis-Areale sind dabei genregemäß simpel aufgebaut. Bemerkbare Puzzles gibt es nur in ganz wenigen Fällen, in der Regel geht es schlichtweg um die Navigation bis zum Ende – oder zu allen Schatztruhen im aktuellen Gebiet, deren Zahl sich mit Hilfe einer bestimmten Fähigkeit sogar einblenden lässt. Hilfreiche Übersichtskarten gibt es dabei übrigens nicht, ihr müsst euch also ganz auf euer eigenes Gespür verlassen, um bei gelegentlichen komplexeren Strukturen auch den Überblick zu behalten. Und natürlich streifen auch allerlei garstige Kreaturen durch die Gegenden, die ihr jederzeit vor Kampfbeginn sehen und im Bedarfsfall komplett umgehen könnt. Auf Zufallsbegegnungen im Stile der 3DS-Vorgänger verzichtet Bravely Default II löblicherweise. Trotzdem ist es ratsam, nicht allen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, denn andernfalls sieht euer Trupp beim nächsten Bosskampf dezent alt aus.
Das Kampfsystem selbst wurde ebenfalls umgekrempelt. Statt nun pro Runde Aktionen für all eure Gefährten einzugeben und diese dann gemäß der Werte von Freund und Feind in einem Rutsch abspulen zu lassen, kommt jeder Streiter einzeln zum Zuge. Das erlaubt euch natürlich, bei unerwarteten Ereignissen schneller und direkter einzugreifen, allerdings verschweigt Bravely Default II, wer genau wann an der Reihe ist. Theoretisch sollen sich auffüllende Balken bei euren Team-Informationen sowie Warnsignale bei Gegnern darüber Auskunft geben, wie die Zugreihenfolge ungefähr aussieht. Bei größeren Diskrepanzen im Tempo-Wert aller Teilnehmer halfen mir diese Informationen jedoch praktisch gar nicht. Das ist ärgerlich und erschwerte mir in vielen Fällen enorm die Zugplanung – gerade bei den Duellen mit den Asterisk-Trägern, die immens kniffliger ausfallen als die Fights mit der vielfältigen Monsterschar von Excillant.
Keine falsche Bewegung!
##bild84073rechts##Der Sprung im Schwierigkeitsgrad wird dabei ebenfalls nicht unbedingt auf eine fair wirkende Weise erzielt. Jeder Gegner verfügt nämlich genretypisch über Schwachpunkte und Resistenzen. Davon könnt ihr jedoch nur die Schwächen per Analyse ermitteln. Was eure Gegenspieler mit verringertem Schaden wegstecken, wogegen sie immun sind oder was sie gar mit mächtigen Kontern quittieren, wird nicht vermerkt – selbst dann nicht, wenn ihr bereits einmal in die Falle getappt seid. Das mag bei regulären Kämpfen noch überschaubar ausfallen, Bosse bestrafen euch jedoch gerne mal für eine Vielzahl von Aktionen. Eines der Szenarios, die sich mir in dieser Beziehung ins Gedächtnis gebrannt haben: Einer der Asterisk-Träger kontert physische Angriffe entweder mit einem Paralyse-Schlag oder einem mächtigen Einzel-Angriff, magische Attacken wiederum mit sechs zufällig auf die gesamte Gruppe verteilten Attacken. Natürlich gibt es auch dagegen Maßnahmen, die erfordern jedoch gerne mal extrem genaue Jobklassen-Kombinationen, die man wiederum womöglich nicht auf dem notwenigen Niveau hochgelevelt hat – eure Charaktere selbst und ihre Klassen sammeln nämlich wieder einmal getrennt Erfahrungspunkte. Im Zweifelsfall kann man schlichtweg auf sein Glück hoffen und beten, dass die immerhin nie garantiert ausgelösten Konter vielleicht mal nicht ständig ausgelöst werden. Dass der Schwierigkeitsgrad in drei Stufen einstellbar ist, hilft übrigens nur bedingt. Selbst auf einfachster Stufe bleiben die Bosse – und auch einige normale Gefechte – weiterhin fordernd.
Was die Bravely Default-Reihe übrigens von der Konkurrenz abhebt, ist das titelgebende Brave- und Default-System. Verteidigungsaktionen, hier „Default“ genannt, verleihen euch nämlich einen sogenannten Brave-Punkt (BP), den ihr wiederum später für eine Extra-Aktion pro Zug nutzen könnt. Bis zu drei BP lassen sich dabei ansammeln und somit bis zu vier Manöver in einem Rutsch durchführen. Alternativ könnt ihr euch auch BP vorschießen lassen, seid dann allerdings bis zur Begleichung eurer Schuld handlungsunfähig. Das System sorgt nach wie vor für eine spannende Wechselwirkung bei der Aktionsplanung, zumal auch die Gegner über BP-Vorräte verfügen und diverse Skills Bezug auf diese nehmen. So können gelernte Mönche etwa einen BP ausgeben, um einen mächtigen, die Verteidigung ignorierenden Angriff zu entfesseln, während der Dieb sich schlichtweg bei gegnerischen Brave-Vorräten bedient. Immerhin ein Feature, das auch im neuen Spiel noch immer sauber funktioniert und spaßig umgesetzt ist.
##bild84072links##Und wo ich schon beim Thema „spaßig umgesetzt“ bin: Auch das Spiel mit den Jobklassen macht nach wie vor Laune. Klar wollen die Bosse idealerweise mit bestimmten Konfigurationen geplättet werden, doch insgesamt bietet Bravely Default II mächtig Freiraum zum Experimentieren – zumal jeder Sieg über einen Asterisk-Träger eine neue Klasse zum Ausprobieren einbringt. Werden zu Beginn lediglich Basisbedürfnisse mit dem klassischen Ritter bzw. „Vorkämpfer“, dem mit Angriffsmagie hantierenden Schwarzmagier oder dem unterstützenden Weißmagier gedeckt, gesellen sich später esoterischere Jobs mit spezielleren Fähigkeiten zur Auswahl hinzu und ermöglichen völlig neue Strategien. Ferner lassen sich erlernte passive Fähigkeiten frei kombinieren und sogar Sub-Jobs zuweisen, damit ihr auch Aktions-Skills ausgelernter Klassen weiter nutzen könnt. Definitiv eine der großen Stärken, wenn nicht sogar DIE größte Stärke des Spiels.
Atmosphärisches Excillant
Ähnlich verhält es sich mit der audiovisuellen Ebene. Klar mag das Design der Figuren Geschmackssache sein, doch funktioniert der Look meiner Meinung nach immer noch und erlaubt zudem teils extrem abgefahrene Jobklassen-Designs, die mit den weniger realistisch proportionierten Charakteren bedeutend besser funktionieren als mit Hochglanz-Helden. Darüber hinaus sind die Umgebungen von Bravely Default II – wenn auch größtenteils Fantasy-Standard – bildhübsch mit teils eindrucksvollen Effekten wie Nebeldecken über Waldlichtungen, die sich beim Durchschreiten realitätsgetreu verhalten. Die Hintergrundmusik von Revo, dem Komponisten des ersten Teils, kann sich ebenfalls hören lassen, auch wenn die neuen Stücke meiner Ansicht nach nicht ganz das Niveau besagten Serienursprungs erreichen können. Oh, und natürlich sind so ziemlich alle wichtigen Story-Dialoge sowohl in japanischer als auch in englischer Sprache vertont. Speziell die englische Tonspur, der ich ausschließlich lauschte, überzeugt auch und gerade der mit einem deutlichen schottischen Akzent sprechende Elvis wurde mir auf diese Weise direkt sympathischer, als es jede schnöde Textbox hätte bewerkstelligen können.
##bild84066rechts##Zum Abschluss übrigens noch ein kleiner Tipp für alle, die wenig Zeit zum Zocken haben: Schmeißt Bravely Default II recht früh an und spielt es zumindest bis zum Freischalten der Erkundungsreisen. Das dauert vielleicht ein, zwei Stunden, zahlt sich jedoch immens aus. Damit könnt ihr nämlich eure Truppe auf Reisen schicken, während ihr das Spiel im Standby-Modus der Konsole laufen lasst, um so finanzielle Mittel, Werte-Booster und Erfahrungspunkte für Figuren und Jobs erhalten. Dieses Feature ist technisch gesehen auch onlinefähig und bringt bei aktiver Internetverbindung auch gefühlt mehr Boni ein, mehr als die Einblendung von Namen anderer Spieler ändert sich aber effektiv nicht und ein echter Multiplayer-Modus ist es ebenfalls nicht. Außerdem müsst ihr trotzdem regelmäßig reinschauen, denn das Spiel speichert nur bis zu 12 Stunden Standby-Zeit pro Reise.