Crash Bandicoot 4: It’s About Time

Manche Marken sind aus gutem Grund eingeschlafen. Etwa weil die stetig nachgeschobenen Folgespiele zunehmend an Qualität verloren. Doch manchmal braucht es nur eine Besinnung auf die Tugenden der Vergangenheit – beispielsweise über eine Neuveröffentlichung der Größen der Serie – um den richtigen Impuls zu erhalten. Nachdem nun also Beuteldachs Crash Bandicoot mit der N. Sane Trilogy und Crash Team Racing: Nitro-Fueled (zum Test) erfolgreich aus dem Dornröschenschlaf geholt wurde, stand mit Crash Bandicoot 4: It’s About Time im letzten Jahr ein waschechter neuer Ableger ins Haus – und seit vergangenen März ist dieser nun auch für Switch-Fans zu haben. Soviel vorweg: Ich für meinen Teil bin zwar nicht mit den Remakes der ersten drei Crash Bandicoot-Episoden warmgeworden und befürchtete bei It’s About Time ähnliches, wurde aber erfreulicherweise bereits innerhalb der ersten zehn Minuten eines Besseren belehrt.

Ein Ausbruch im Raum-Zeit-Gefüge
##bild84218links##Der neue Teil 4 (Der Zorn des Cortex vergessen wir mal flugs) knüpft direkt an das Ende von Crash Bandicoot 3 an: Oberschurken Dr. Neo Cortex und N. Tropy entkommen mit Hilfe der bösen Maske Uka-Uka ihrem Dimensionsgefängnis, krallen sich die mächtigen Quantum-Masken und zersplittern das allgemeine Dimensionsgefüge. Ehrensache, dass der professionelle Kistenzerbrecher Crash mit Unterstützung seiner Schwester Coco dem Einhalt gebieten will – auch wenn es einen kleinen Anstupser von Seiten der guten Zaubermaske Aku-Aku benötigt. Die Story bleibt dabei genregemäß simpel, wird dafür immerhin unterhaltsam erzählt. Die verspielt animierten Zwischensequenzen, bei denen Crash etwa eine Parallelwelt-Tawna von allen Bildschirmseiten aus cartoonhaft anstupst, bis sie ihm entnervt eins auf den Deckel gibt und direkt augenzwinkernd in Richtung Coco schnipst, waren für mich ein eindeutiges Highlight des rund achtstündigen Plattformer-Abenteuers.

Die Reise führt das Team dabei durch diverse Zeitebenen und Dimensionen, die jeweils mit einer Hand voll thematisch passender Level aufwarten. So macht ihr zu Beginn etwa Crashs Heimatinsel mit ihren bekannten, tropischen Wäldern und exotischen Höhlen unsicher, geht danach in ein Wüstenszenario mit massig Maschinen über oder erkundet asiatisch angehauchte Gärten und Paläste. Dank der einfach zu erlernenden aber schwierig zu meisternden Movepalette der Protagonisten kommt dabei richtig Freude auf: Die astreine Steuerung ermöglicht präzise Sprünge, durch Rutschhüpfer und Doppelsprünge lässt sich einiges an Distanz gewinnen und viele Hindernisse sowie Sammelobjekte sind so platziert, dass sie sich mit geschmeidigen Bewegungen umgehen bzw. einsammeln lassen. Auf diese Weise kommt ein ungemein fesselnder Spielfluss zustande, dem man auch seine beizeiten kniffligeren Passagen gerne verzeiht. Dank fair gesetzter Checkpoints und der Möglichkeit, mit unbegrenzten Extraleben ins Abenteuer zu gehen, kommt dabei selten richtig Frust auf. Ebenfalls nett: Versagt ihr an bestimmten Stellen häufiger, kommt euch Crash Bandicoot 4 mit einem Extra-Checkpoint entgegen.

##bild84216rechts##Und diese Hilfen sind gerade dann willkommen, wenn man sich mit den neuen Features von It’s About Time auseinandersetzen muss. Jede gerettete Quantum-Maske verleiht dem heldenhaften Duo an bestimmten Stellen besondere Kräfte. Lani-Loli lässt euch etwa bestimmte Objekte und Plattformen auf Knopfdruck ausblenden bzw. wieder einblenden, während Zeitmaske Kapuna-Wa dafür sorgt, dass alles um euch herum in Zeitlupe abläuft. Darum stricken die Macher enorm unterhaltsame Sprungpassagen, die teils sogar Grundregeln der Crash Bandicoot-Reihe auf den Kopf stellen – schließlich kann man ganz gemütlich auf die sonst sofort explodierenden Nitro-Kisten hüpfen, wenn man schneller wieder weg ist, als die Sprengung einsetzt! Speziell spätere Spielabschnitte, in denen die Masken auch im Wechsel genutzt werden, machen richtig Freude bei ihrer Bewältigung.

Im Laufe der Reise treffen Coco und Crash zudem auf weitere neue Kameraden, die in speziellen Leveln zum Einsatz kommen. Die zuvor erwähnte Parallelwelt-Tawna – eine alternative Version von Crashs Freundin aus dem allerersten Crash Bandicoot – setzt sich beispielsweise mit Roundhouse-Kicks zur Wehr und schwingt sich mit einem Enterhaken an bestimmte Ankerpunkte. Ex-Schurke und Restaurantbetreiber Dingodile wiederum kann mit seiner Saugkanone Sprengstofffässer ansaugen und anschließend als Geschosse zweckentfremden oder die Pustekraft seines Maschinchens zum Schweben nutzen. Schade ist nur, dass den zusätzlichen Charakteren nur selten ein vollständiger Level gegönnt wird. In vielen Fällen erlebt ihr parallele Routen zu den Stufen von Coco und Crash und übernehmt die eigentlichen Hauptcharaktere für den Rest des Abschnitts, sobald ihr bestimmte Knotenpunkte erreicht.

Albtraum 106%
##bild84215links##Womit ich zu den Schattenseiten des an sich erstklassigen Jump ’n‘ Runs komme. Während nämlich ein normaler Spieldurchlauf eine helle Freude ist und eine gute Balance aus kniffligen Passagen und lohnenswerten Levelkonstrukten bietet, legt It’s About Time Leuten, die Wert auf Vollständigkeit legen, massig Steine in den Weg. Jede Stufe bietet nämlich sechs Edelsteine, die es durch das Erfüllen bestimmter Levelziele einzusammeln gilt – darunter auch das Zerbrechen aller Kisten, Finden eines versteckten Diamanten sowie den Stufenabschluss mit drei oder weniger Toden. Einfacher gesagt als getan, denn die Entwickler verstecken die vielen Kisten nur zu gerne gerade so außerhalb des Bildausschnitts oder hinter anderen Objekten, ohne auch nur den geringsten Hinweis darauf zu bieten.

Das Problem verschlimmert sich noch einmal dadurch, dass jede Stufe ohnehin zweimal abgeschlossen werden muss. Ab einer bestimmten Stelle schaltet ihr nämlich den sogenannten N.-vertierten Modus frei. Die Idee dahinter ist im Prinzip ziemlich cool: Ihr erlebt gespiegelte Level, die mit besonderen Grafikeffekten oder besonderen Konditionen aufgewertet werden. So müsst ihr etwa die ersten Stufen in einer Sonaransicht bewältigen oder bringt an anderer Stelle mit euren Drehattacken wortwörtlich Farbe in die Welt. Allerdings kommen auch diese Varianten mit einem vollen, sechsteiligen Edelsteinset daher und zählen somit ebenfalls zum vollständigen Spielabschluss. Von anderen Herausforderungen wie den kniffligen Flashback-Leveln oder Speedrun-Challenges möchte ich gar nicht erst anfangen.

Mobile Slapstick-Freude
##bild84217rechts##Da Crash Bandicoot 4: It’s About Time maßgeblich für PS4 und Xbox One geschaffen wurde, war bei der Switch-Portierung natürlich mit technischen Zugeständnissen zu rechnen. Dem Entwicklerteam von Toys for Bob ist der Sprung aber in großen Teilen gut gelungen. Klar wirken gewisse Areale im von mir fast ausschließlich gespielten Handheldmodus etwas verwaschen – gerade eine spezielle Sektion im letzten Drittel des Spiels leidet enorm darunter. Insgesamt wirkt alles jedoch auch auf Nintendos Konsole stimmig, detailliert und wunderschön. Und spätestens wenn man das Gesamtbild in Bewegung sieht und all die kleinen Animationsdetails genießen kann, vergisst man schnell eventuelle optische Unzulänglichkeiten. Nicht zuletzt bleiben die Ladepausen erfreulich kurz, was man beispielsweise von der N. Sane Trilogy und besonders Crash Team Racing: Nitro-Fueled nicht unbedingt behaupten kann.

Fazit

Wir leben momentan in einem Zeitalter, in dem liebgewonnen Marken längst vergangener Tage einen zweiten Frühling erleben. Ob Resident Evil, Streets of Rage oder Wonder Boy: Mit großartigem Spieldesign, modernen Ergänzungen und einer Besinnung auf alten Tugenden schaffen die Spiele es, alte wie neue Fans zu begeistern. Und Crash Bandicoot 4: It's About Time gelingt dieses Kunststück ebenso. Prallte ich aufgrund des gewöhnungsbedürftigen Sprungverhaltens noch von der N. Sane Trilogy ab, begeisterte mich die moderne Neuinterpretation des Kistenzerbrechers bereits vom ersten Hüpfer an. Allein die Basismoves fühlen sich bereits gut an und erlauben eine geschmeidige Kontrolle des Beuteldachses. Mit den Quantum-Masken und ihren jeweiligen Fähigkeiten sowie den zusätzlichen spielbaren Charakteren kommt dann auch noch ein gehöriger Schuss Abwechslung ins Spiel, durch den ein gemütlicher Spieldurchlauf zum reinsten Vergnügen wird. Für 100%-Zocker sei jedoch ein Wort der Warnung angebracht: Aufgrund der schieren Zahl an Sammelobjekten, Verstecke jenseits von Gut und Böse sowie teils recht langen Stufen kann die vollständige Bewältigung zweifelsohne in frustrierende Fleißarbeit ausarten. Wer jedoch ein rundum wundervoll spielbares Jump 'n' Run sucht und kein Problem damit hat, auch mal eine ungebrochene Kiste in der Landschaft stehen zu lassen, erhält mit dem neuen vierten Crash Bandicoot ein erstklassiges Erlebnis, das jeder Genrefreund gespielt haben muss. Fehlgeschlagenes Experiment: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de

Wertung 87 / 100

Einmaliger, fordernder 3D-Plattformer mit kreativ-verspielten Leveln und massig Herausforderungen für Spieler mit Anspruch auf Vollständigkeit.

Pro

  • Geschmeidige Steuerung
  • Vielfältige und fordernde Level
  • Spaßige Quantum-Masken-Abschnitte
  • Massig Sammelkram für Langzeitmotivation
  • Mitreißende Musik
  • Erstklassige Animationen
  • Trotz Downgrade schmucke Optik

Contra

  • Kompletter Levelabschluss oft mit viel Frustration verbunden
  • Künstliche Spielzeitstreckung mit gespiegelten Stufen
  • Helfer-Charaktere wie Tawna kommen zu kurz

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