##bild84482rechts##Sportspiele gibt es eigentlich nur in zwei groben Geschmacksrichtungen: Entweder knallharte Simulation mit entsprechend realistischer Optik, oder aber volles Rohr auf Fantasy ausgelegt und entsprechend überspitzt. Mario Golf: Super Rush sortiert sich ohne Frage in letztere Kategorie ein, wenngleich gewissen Parallelen zum Ursport definitiv zu finden sind. Doch was hat man im Golfsport nicht? Hektik! Blöd nur, dass das neue Mario-Spinoff genau auf die titelgebende Hast ausgelegt ist. Ob das gut geht? Das versuche ich euch trotz meiner Existenz als Golfmuffel im Nachfolgenden zu erläutern.
Pokémon mit Golfschlägern?
Neben normalen Partien ist in Sportspielen ein Karrieremodus wohl eines der Features, die am gefragtesten sind. Nicht nur vermitteln sie einen sanfteren Einstieg ins mechanisch komplexe Gameplay, sondern erzählen wie im Falle des neuen F1 2021 oder im aktuellen FIFA 21 eine mehr oder weniger emotionale Geschichte. Auch Super Rush bietet eine solche Variante an. Hier ist aber weder etwas emotional, noch sonderlich tiefgründig. Viel mehr dient das Golf-Abenteuer als erweitertes Tutorial und darüber hinaus eher als Rahmen denn als unterhaltsame Geschichte. Das ist dem Fakt geschuldet, dass Nintendo-typisch alles sehr allgemein abläuft. Belanglose Dialoge und so gut wie keine Twists oder Spannungsbögen lassen Spieler mit Erwartungen im Regen golfen.
##bild84483links##Nett ist jedoch der Rollenspiel-ähnliche Ansatz. Man steigt als selbst gewählter Mii-Charakter als Newbie ein, bekommt schonend alles Wichtige beigebracht und darf sich so nach und nach in einem Rangsystem hocharbeiten. Mit jedem Turnier steigt man bei Erfolg eine Stufe auf und darf so neue Schauplätze und Golfkurse besuchen. Wie man es vom Pilzkönigreich gewohnt ist, sind die Landschaften und Golf-Schauplätze stets bunt und liebevoll gestaltet, lassen aber leider jegliches Potenzial zur Steigerung der Entdeckerfreude links liegen. Sämtliche dort anzutreffenden NPCs sind nämlich nichts weiter als Statisten, die mal mehr, meist aber eher weniger interessante Zweizeiler fallen lassen. Auch die lauschig gestalteten Veranstaltungsorte sind nichts als Kulisse. Hier mal ein Golfschläger-Skin, da mal eine Kappe oder ein Rock, oder auch nur ein paar versteckte Münzen hätten das Erlebnis wahnsinnig aufgewertet. Stattdessen wird alles sehr klinisch in Shops gekauft, und Münzen erspielt man in Partien oder sammelt diese im Speed Golf ein.
Besser funktioniert da schon das eingangs erwähnte Rollenspiel-Element. Mit quasi jeder sportlichen Einlage levelt man sein Mii auf und darf bei Levelaufstieg Punkte auf Elemente wie Laufgeschwindigkeit und Ausdauer, aber auch Schwungkraft oder Spin investieren. So entsteht quasi ein Charakter, der den eigenen Präferenzen nach angepasst werden kann. Doch dann ist der Story-Modus auch schon wieder nach wenigen Stunden vorbei, was die ganze Personalisiererei fast schon wieder überflüssig macht. Dafür ist die Spielvariante Crossroute-Golf nur hier vertreten, wo man den gesamten Golfkurs ohne Abgrenzung verschiedener Löcher nach eigener Strategie angehen darf, dafür aber mit Wirbelstürmen, Abhängen und Wäldern zu kämpfen hat. Warum dieser Modus wiederum nicht im Mehrspieler verfügbar ist, wissen wohl nur die Entwickler selbst.
Speed Golf als Hauptbeschäftigung sinnvoll?
##bild84480rechts##Wenn man an Golf denkt, denkt man doch zunächst an gemächliches Caddy-Fahren, wohlüberlegte Schlägerwahl und möglichst präzise ausgeführte Schläge, einer nach dem anderen, oder liege ich da falsch? Zumindest wäre das mein Gedankengang. Umso mehr verwirrte es mich, dass man im Golf-Abenteuer quasi fast ausschließlich Speed Golf spielt. Jeder Teilnehmer, von Toadette über Boo bis hin zu Pauline, schlägt hier anfangs gleichzeitig ab und rennt dann jedes Mal seinem Ball hinterher. Das Ausdauermanagement ist dabei eher nervig als spaßig, und auch die Tacklings und Fähigkeiten der Charaktere fühlen sich irgendwie sinnbefreit an, da es hier scheinbar keinen Unterschied macht, wer zuerst einlocht. Was im Multiplayer schon mehr anspornt, wird hier ad absurdum geführt, da man ohnehin „nur“ möglichst wenige Schläge anpeilen muss. Was bleibt, ist der Schalk im Nacken in Form eines Timers, bis zu dessen Ablauf man seinen nächsten Schlagpunkt zu erreichen hat. Hä?
Auch blieb mir stets der Gedanke zuwider, dass ein an sich ruhiger Sport, bei dem es um Genauigkeit geht, hier zur Raserei umfunktioniert wurde, die an die morgendliche Öffnung der gamescom-Hallen erinnert. Gut, vielleicht sind das persönliche Präferenzen, die mir hier reingrätschen. Aus objektiver Sicht ist das Grundgameplay dafür mehr als solide. Die Art, dem Ball Schwung, Spin und Effet zu verleihen, ist dabei vorzüglich umgesetzt und legt Wert auf gutes Timing, und Antizipation des Kursgeländes. Um seine geplante Schlagroute zu vermessen, gibt man dem Spieler auch Tools wie einen Entfernung- und Steigungsmesser an die Hand, was weniger intuitive Naturen wie mich ungemein stützt. Auch Elemente wie Wind oder Terrainanalyse im Putt-Bereich sind anfangs noch recht einzuschätzen, helfen aber nach einer gewissen Eingewöhnung ungemein beim präzisen Platzieren des Balls.
Das Nintendo-Online-Problem-Erlebnis
##bild84479links##Oder auch kurz: NOPE. Ihr merkt schon, wirklich vom Hocker haut mich Mario Golf: Super Rush jetzt nicht, da das Konzept nichts Halbes, aber auch nicht Ganzes ist. Dabei haben Spiele aus dem Hause Nintendo schon Besseres geleistet, etwa das uralte, aber sauspaßige Mario Power Tennis (oder Mario Tennis: Power Tour) für den Game Boy Advance. Lassen wir daher mal das enttäuschende Golf-Abenteuer hinter uns und werfen einen Blick auf den Mehrspieler. Auch katastrophal, machen wir weiter. Gut, ganz so einfach darf ich es mir als halbwegs seriöser Spieletester natürlich nicht machen. Aber hier ein Beispiel für diese harsche Einstellung meinerseits: Da ich durch bisherige Erfahrungen mit Nintendos Online-Spielen quasi schon traumatisiert bin, waren meine Erwartungen auch hier wieder nahe dem Nullpunkt. Doch hat es auch Mario Golf: Super Rush geschafft mich wieder zur Weißglut zu bringen. Die erste halbe Stunde brachte ich damit zu, mir alle verschiedenen Fehlermeldungen anzuschauen. Mal stürzt das Spiel ab, mal bin ich einer Suchschleife gefangen, mal komme ich einen Raum, der zwischenzeitlich schon wieder verlassen wurde, mal wird mir der Zugang trotz frisch geladener Liste gänzlich per Fehlermeldung verwehrt, und so weiter und so fort.
Als ich dann doch mal in einer Partie war, lief wie gewohnt alles viel zu oft in Zeitlupe ab, da sich scheinbar die Spieler immer noch untereinander verbinden, statt mit gehosteten Servern, für die man ja mit dem Abo auch irgendwie bezahlt. Hat also der Raumersteller oder ein Mitspieler Verbindungsprobleme, wirkt sich das auf alle aus – Super Mario Maker 2-Fans können hier ein Lied von singen. Dabei bin ich selbst nie das Problem, da ich mit anderen Spielen solche Probleme nie hatte und meine Switch im Dock stets per LAN-Kabel angebunden ist. Da gehen einem dann irgendwann die Neutralität und die Geduld aus, vom Spielspaß ganz zu schweigen. Gott sei Dank ist aber auch die Möglichkeit zum lokalen Spiel gegeben. Das chaotische Battle Golf, das hektische Speed Golf, oder aber das klassische Präzisions-Golf machen nämlich im Kern unheimlich Spaß. Mit Familie oder Freunden am heimischen Bildschirm sieht die Mehrspielererfahrung nämlich lagfrei schon viel, viel positiver aus.