Nach Absolute Drift hat das kanadische Entwicklerstudio Funselektor kürzlich ihr nächstes künstlerisches Fahrspiel mit dem passendem Namen art of rally auch auf die ersten Konsolen gebracht, wovon die Switch nicht verschont blieb. Dieses mal wird eine Rallye-Simulation im Low-Poly-Look versprochen, mit einer Fahrphysik die nicht vollkommen realistisch aber auch nicht arcadelastig ist. Nachdem ich die vielversprechenden Gameplay-Ausschnitte von art of rally in Nintendos Indie World-Präsentationen sah, wollte ich es mir nicht nehmen lassen zu testen, wie sich diese Behauptungen auf der Switch halten.
„Gentlemen, a short view back to the past”
##bild84583links##Das Spiel beginnt mit einer riesigen Buddha-Statue, welche die Entstehungsgeschichte des Rallye-Sports erklärt. Dass die berüchtigte „Gruppe B” als das goldene Zeitalter gilt und wir uns in einer Parallelwelt befinden in der die Gruppe B nicht wegen ihrer Gefährlichkeit eingestampft, sondern stattdessen mit der Gruppe A und S auf ein neues Extrem gehoben wurde. Wir dürfen diese berüchtigten Jahre nun selbst erleben und uns nacheinander von 1967 bis 1996 durch die Fahrzeuggruppen schlagen. Um nicht direkt ins kalte Wasser geworfen zu werden, darf man sich in der freien Fahrt an die Fahrphysik antasten, bevor es an die Saisons geht. Während man sich dabei an die verschiedenen Bodenbeläge und Kurvenlayouts eingewöhnt, lassen sich nebenbei noch Collectibles wie Kassetten, Aussichtspunkte und Buchstaben einsammeln. Abseits der Straßen befinden sich, wie man es aus echten Rallye-Videos kennt, Zuschauer, die gerne auch auf die Straße rennen um möglichst nah am Auto zu sein. Ein kleines Detail, das definitiv zum Feeling beiträgt. Kommen wir aber zum Eingemachten: Das Fahrverhalten und die Rallies.
Eine Lernkurve, steiler als Beschleunigungskurven der Gruppe B
Zunächst einmal kann man getrost sagen, dass die Steuerung schon mal technisch gut funktioniert. Das Handling ist schön responsiv wie es sich gehört, sodass man nicht mit der Steuerung sondern mit dem Auto selbst zu kämpfen hat.
##bild84589rechts##Der ehemalige Formel 1-Pilot Mario Andretti sagte einst: „Wenn Sie glauben alles unter Kontrolle zu haben, dann fahren Sie noch nicht schnell genug.“ Im Kontext von art of rally hat man damit ein Dilemma, denn Kontrolle bedeutet hier alles. Das Fahrverhalten der Fahrzeuge ist eher von realistischer Natur, was bei dieser Art von Vehikeln selbstverständlich viel Präzision verlangt. Wenn man einfach getrost voll in die Pedale tritt, findet man sich öfter neben der Strecke oder in einem Baum als auf dem Feldweg, da die Autos grundsätzlich dazu neigen heftig zu übersteuern, was auch als „Fishtailing” bezeichnet wird. Auf der Switch hat man hier leider besonders schlechte Karten, da man mit nicht-analogen Schultertasten keine andere Wahl hat als Vollgas. Um dem ein wenig entgegenzuwirken gibt es einige Einstellungsmöglichkeiten. Diese sollte am besten jeder für seine Vorlieben anpassen. Nachdem ich selbst alle Einstellungen inklusive manuelle Gangschaltung über mehrere Etappen hinweg durchprobiert habe, konnte ich bis zum Schluss kein perfektes Setup finden, welches mir erlaubt entweder durch Kurven zu kommen ohne dass die Stabilitätskontrolle mich nach eingeleitetem Drift nach außen zieht oder beim Kurvenausgang in die andere Richtung schießen will. So zu fahren, wie es in den Trailern gezeigt wurde, habe ich kaum geschafft.
Hinzu kommt, dass sich jedes Auto anders verhält. Hier wäre es bei der Fahrzeugwahl praktisch gewesen wenn es einen zusätzlichen Hinweistext für den Fahrstil wie zum Beispiel „Grip” oder „Drift” gäbe, auch wenn man dies womöglich aus den vorhanden Eigenschaften wie die Antriebsart herauslesen könnte. Die Fahrzeugauswahl ist übrigens recht üppig mit Klassikern des Sports ausgestattet, die trotz anderer Namen und dem Grafikstil eindeutig wiedererkennbar sind. Die verschiedenen Lackierungen und humorvollen Beschreibungstexte geben dem ganzen noch den letzten Schliff.
Die Rallies selbst gestalten sich als Zeitrennen mit limitierten Neustarts. Reifen an Reifen-Action wird man wie es beim Rallye typisch ist hier nicht finden. Was eher stört, ist, auch wenn es für Rallye-Spiele normal ist, dass man erst am Ende einer Etappe erfährt, wie gut man in der Zeit steht, anstatt vorher zu wissen welche Zeit es zu schlagen gilt. CPU-Gegner, die als Geister mitfahren, sind nicht dabei und auch Checkpoints innerhalb der Strecke, die einem die aktuelle Platzierung anzeigen könnten, sind nicht vorhanden. Das hat für mich zugegebenermaßen einiges an Action herausgenommen. Mit dem einstellbaren Schwierigkeitsgrad bestimmt man also eher nur, wie sehr man ein Erfolgserlebnis braucht. Für reines Zeitfahren gibt es die entsprechende Auswahl im Hauptmenü (dort auch mit Geistern). Das Fehlen von Checkpoints oder einem Zurückspul-System, wie es inzwischen schon Standard im Genre ist, macht die Schwierigkeitskurve nochmal steiler, wie ich finde. Die Folge davon war, dass ich nicht das Limit des Autos auszureizen versuchte, sondern lieber schön sicher fuhr indem ich öfter als vermutlich nötig bremste.
„art” of rally
##bild84590links##Wer art of rally schon in Trailern und dem PC sah, wird sich bei der Switch-Version die Augen reiben. Diese wurde grafisch nämlich extrem übel mitgenommen und sieht ganz anders als auf anderen Plattformen aus. Selbst die niedrigsten Grafikeinstellungen am PC haben da deutlich mehr Detail zu bieten. Objekte wie Bäume und Schatten ploppen niedrig aufgelöst und sehr auffällig ins Bild. Gras und Gebüsch existiert nicht und selbst Regentropfen wurden weggespart, geschweige denn Rauchspuren. Hinzu kommt leider auch, dass die Version von Ladezeiten geplagt ist, die so lang sind, dass man Texte mit Tips hätte einfügen können. Immerhin ist die Performance weitestgehend mit 30 Bildern pro Sekunde stabil. Darüber hinaus kann ich auch den Foto-Modus anpreisen, der zwar keine extravaganten Filter beinhaltet aber dafür einiges an Freiheit mit der Kamera erlaubt, womit der ein oder andere interessante Schnappschuss gelingt. Zuletzt muss ich noch ein paar Worte über den Soundtrack verlieren. Zugegeben dachte ich zuerst dass die Synthwave-Musik sich hart mit dem ländlichen Setting beißt, aber die Stücke knallen für sich schon so gut rein, dass es mir dann doch nichts mehr ausgemacht hat. Die Playlist speichere ich mir definitiv ab.